Mit Enrico de Paruta
Weihnachtssingen: Die „Heilige Nacht“ findet wieder statt

09.12.2022 | Stand 15.09.2023, 2:32 Uhr
Thomas Dietz
Engelsstimme Regina Wurmer mit Roland Schreglmann als Besenbinder −Foto: Fotos: Oliver Bodmer, edp

Die Magie des Abends war schon am Eingang zu spüren. Das Publikum strömte über die langen Stufen ins Audimaxfoyer. Von ferne hörte man die vier Günztaler Alphornbläser: 2. Advent 2022. Nach zwei Jahren Coronapause gibt es wieder das große Weihnachtssingen Heilige Nacht.



Mit Enrico de Paruta, grandioser Solistenbesetzung und 120 Mitwirkenden auf und hinter der Bühne. Das Spiel ist jedes Jahr ein bisschen anders, die Stimmung aber immer erwartungsfroh, die Bühne erstrahlt in magischem Licht. Es werden noch Stühle herbeigeholt. Gleich wird das alte und doch immer wieder neue Festspiel beginnen …

Enrico de Paruta, traditionell im samtlila Gehrock und mit roter Weste, ist glücklich: „Drei Jahre haben Sie auf Ihren Karten gesessen. Von Herzen Danke, dass Sie uns die Treue gehalten haben.“

Wechselbad an Gefühlen

Und dann erklingt diese märchenhafte Weihnachtserzählung, ein „szenisch-musikalisches Bühnenwerk unter Verwendung der bearbeiteten Urschrift ,Heilige Nacht‘“, die der 48-jährige Ludwig Thoma in den Steckrüben-Hungerjahren 1915/1917, schwer krank aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, in seinem Rottacher Landhaus schrieb.

„Ich kenne keine Weihnachtserzählung, die in sich so geschlossen, so wunderschön und so vielseitig interpretierbar ist wie die Heilige Nacht“, sagte Enrico de Paruta im Gespräch mit Anna Maria Bernhardt. „Ludwig Thoma hat da etwas Einzigartiges geschaffen, das als bayerische Hochkultur noch Generationen faszinieren wird. Ich kenne kein weihnachtliches Werk, das so ein Wechselbad an Gefühlen auslösen kann. Kurz vor der Rührseligkeit setzt der Autor jedes Mal einen Bruch durch eine kleine Pointe. Sie ist und bleibt die schönste, in unsere Bergwelt, Sprache und Mentalität übertragene Weihnachtsgeschichte frei nach dem Evangelisten Lukas. Wer sich auf sie einlässt, wird schnell in ihren Bann gezogen.“

Lesen Sie auch:Konzert zwischen Büchern: Weihnachtshits zum Mitsingen

Und die Musik: Harfe, Trompeten, Violinen, Flöten, Orgel und vieles mehr bewegen sich wie gewohnt auf höchstem Niveau. Soprane, Tenöre, Baritone, Jungsoprane, Jungbaritone, Kindersoprane, Engelsstimmen, und dann alle im Chor – stimmgewaltig und glockenhell. Diese Konzentration an Talent und Virtuosität kann nur jemand zusammenbringen, der sich das ganze Jahr um Talentsuche und Jugendförderung („musica Bavariae“) kümmert.

Dabei bleibt diese Weihnachtsgeschichte mit allen raffinierten künstlerischen Mitteln abstrakt, sie spielt sich, wie der Glaube selbst, durch Musik und Sprache in den Köpfen ab: Wie der Erzengel Gabriel die bevorstehende Geburt des Gottessohnes verkündet, Joseph und Maria zu Fuß nach Bethlehem aufbrechen und an jeder Herberge kalt abgewiesen werden. Der dicke Josias, ein reicher Verwandter mit freiem Gästezimmer, fertigt die beiden besonders herzlos ab. Hier kann sich das komödiantische Talent Enrico de Parutas entfalten, besonders, wenn er die ratschende und meckernde Gattin des Josias spielt.Im Stall und auf Stroh kommt schließlich der Heiland zur Welt. Der Himmel bricht auf. Engelschöre singen. Das Wunder ist geschehen. Die frohe Botschaft ist formuliert.

Dröhnender Beifall

Einige im Publikum murmeln oder flüstern den Text mit. Auch wird zunächst leise, dann nach späterer Aufforderung zunehmend mitgesungen. Gottlob sind die Lieder bekannt: „Vom Himmel hoch“, der „Abendsegen“ mit den vierzehn Engeln, „Maria durch ein Dornwald ging“, „Alleluja“, „Ave Maria“, „Stille Nacht“, Gloria in excelsis, alles in vorzüglichen Arrangements für dieses Weihnachtsfestspiel.

Die Künstler sind alle gleichermaßen hoch zu loben, wen soll man herausstellen? Die stimmgewaltige Sopranistin Anne Reich (Maria), Publikumsliebling Manuel Ried (Handwerksbursch; Tenor). Die ulkige Glockendrehorgel von 1905 kam ein wenig zu kurz, dabei war es seinerzeit so schwierig, ein noch spielbares Exemplar aufzufinden.

Am Ende gibt es dröhnenden, nicht enden wollenden Beifall, stehende Ovationen von fast 1500 Zuschauern sowie schließlich kleine Zugaben. Beim Strömen zur Garderobe tauschte man Tipps aus, wie man am schnellsten an Karten für 2023 komme, die seien „immer sofort weg“.