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Wenn Erbpacht für Streit sorgt

Hunderte Familien kamen durch Erbpacht zu Wohneigentum. Vor 100 Jahren wurde das Erbbaurecht eingeführt.

07.01.2019 | Stand 16.09.2023, 5:45 Uhr
Pat Christ

Wegen Erbpachtstreitigkeiten verließen schon sechs Rimparer Katholiken die Kirche. Foto: Pat Christ/epd

Wer dringend Wohnraum braucht für sich und seine Familie, allerdings nicht genug Geld hat, um sowohl ein Grundstück zu kaufen als auch ein Haus zu bauen, dem kommt das am 15. Januar 1919 eingeführte Erbbaurecht zugute. Schon vor 100 Jahren sollte es Menschen mit wenig Kapital zu Wohneigentum verhelfen. Das gelang seitdem in zahlreichen Fällen. Allerdings können Erbpachtverträge manchmal auch erbitterte Konflikte auslösen. Wie im unterfränkischen Rimpar.

Wie häufig das Instrument im Freistaat genutzt wird, kann Matthias Nagel vom Deutschen Erbbaurechtsverband nicht sagen: „Es gibt keine belastbaren Zahlen, allerdings wissen wir, dass Erbpacht in weiten Teilen Bayerns verbreitet ist.“ Die Erzdiözese München-Freising sowie die Stadt München seien größere Erbbaurechtsausgeber. Der Landkreis Erding legte vor zwei Jahren ein Soziales Eigenheimförderungsprogramm auf Erbpachtbasis auf. Der Freistaat vergab in den letzten zehn Jahren über 50 Erbbaurechte.

Nachlässe für Kinder

Kirchen koppeln ihre Erbbaurechtsvergaben gern an die Botschaft: „Wir helfen Familien.“ Auch die Diözese Würzburg sei bestrebt, bauwillige Familien fair zu unterstützen, sagt Markus Hauck von der diözesanen Pressestelle: „Hierfür stellt das Erbbaurecht ein probates Mittel dar.“ Gerade in jüngster Zeit sei es „nicht unüblich“, bei Familien mit Kindern Nachlässe einzuräumen. Im Großraum Aschaffenburg/Frankfurt am Main werde beispielsweise eine Erbbauzinsermäßigung in Höhe von 12,5 Prozent je Kind ohne eigenes Einkommen gewährt.

Solche Aussagen geben dem Ehepaar Hirsch aus Rimpar bei Würzburg Anlass zu bitteren Kommentaren. Eben dass es in der Diözese völlig unterschiedliche Regelungen gibt, bringt die beiden auf. „Bei uns wurde der Erbpachtzins in 17 Jahren um knapp 30 Prozent erhöht“, schildert Harry Hirsch. Das sei anderswo nicht so. Auch habe seine Familie beim Grundstückskauf vor zwei Jahren den vollen Grundstückspreis zahlen müssen. Die von der Familie finanzierte Erschließung sei dabei nicht berücksichtigt worden. Im unweit gelegenen Würzburger Stadtteil Rottenbauer würden Zinsen und Erschließung angerechnet.

Die Hirschs sind kein Einzelfall

„Grundlage ist ein entsprechender Vertrag“, sagt Bistumssprecher Hauck. Den gebe es nun mal in Rimpar nicht. Das Schlimmste für die Hirschs ist, dass keiner in der Diözese je Zeit für ein klärendes Gespräch hatte. Das empört nicht nur dieses Ehepaar. Sechs Familien schlossen sich vor rund fünf Jahren zur „Interessengemeinschaft Erbbaurecht Rimpar“ zusammen, um sich dagegen zu wehren, wie die Kirche mit ihnen als Erbpachtnehmer umgeht. Die Erbpachterhöhungen in Rimpar sind allen sechs Familien ein Dorn im Auge. Die Interessensgemeinschaft erläutert: Die Erhöhungen seien vertragsmäßig an den Verbraucherpreisindex gekoppelt, „der sich allerdings immer mehr von der Reallohnentwicklung entfernt“. Diözesane Stellen weigerten sich „kategorisch“, in Dialog zu treten. „Seit Jahren bitten wir eindringlich um Gespräche mit der Möglichkeit, unsere Nöte im persönlichen Kontakt darzulegen und einvernehmliche Lösungen zu erzielen“, heißt es in einem Schreiben an das Bischöfliche Offizialat vor zwei Jahren. Auch hierauf kam es zu keinem Austausch.

Ebenso stieß ein Brief an den neuen Würzburger Bischof Franz Jung ins Leere. Die Hirschs erhielten lediglich einen Vierzeiler, in dem es heißt, dass keine weitere Stellungnahme erforderlich sei, nachdem sich die Sachlage nicht geändert hätte. Wie die Kirche mit ihnen umgeht, hätten sie sich niemals vorstellen können, erklären die Rimparer Familien. Der Konflikt um die Ausgestaltung ihrer Erbbaurechtsverträge habe „großes Leid“ über sie gebracht. Inzwischen sind sechs ehemalige Katholiken, die sich jahrelang intensiv in der Rimparer Pfarrei engagiert hatten, aus Frust aus der Kirche ausgetreten.

Für Außenstehende stellt Rimpar keine typische Verfahrensweise im Bistum Würzburg dar. Dass es auch anders geht, zeigt ein 1996 realisiertes Wohnungsbauprojekt in Hettstadt (Kreis Würzburg). Initiator war der Familienbund der Katholiken (FDK), die Grundstücke wurden vom St. Bruno-Werk, dem diözesanen Wohnungsunternehmen, in Erbpacht zur Verfügung gestellt. Auch hier kam es zu Zinsanpassungen, sagt Dietmar Schwab, der bis heute in einem der damals entstandenen Doppelhaushälften lebt: „Doch das hat niemanden in finanzielle Not gebracht.“

Die Rimparer Familien stoßen weithin auf Unverständnis. Inzwischen, sagen sie, würden sie „öffentlich diffamiert“. Der Familienbund bedauert die verfahrene Situation. „Es wäre zu wünschen, dass wir im Bistum ein geübtes System der Mediation hätten, an das man sich im Streitfall wenden kann“, sagt FDK-Vorsitzender Michael Kroschewski. Das Bistum, sagt er, unterstütze Einkommensschwache durch seine Wohnungspolitik oft, „aber leider nicht immer“. Für nachahmenswert hält er das Verfahren im Erzbistum Freiburg: „Hier wird Familien mit Kindern maximal sieben Jahre lang bis zu 80 Prozent Rabatt auf den Erbpachtzins eingeräumt.“

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