Theater Nürnberg
Wer einfach so fehlt, fliegt sofort raus

Michael Dudek ist der Mann für alle Fälle, wenn es um Statisten für das Musiktheater geht. Die MZ sprach mit ihm.

31.01.2016 | Stand 16.09.2023, 6:48 Uhr
Thomas Tijang
Michael Dudek ist Statistenführer des Musiktheaters. −Foto: Tjiang

Herr Dudek, das Statisten-Casting für die anstehende Opernpremiere „Aus dem Totenhaus“ ging ziemlich schnell. Ist das immer so?

In diesem Fall war es so. Wir hatten aber auch Castings, die waren alles andere als zackig. Da waren die zu vergebenen Rollen schwieriger, beziehungsweise mussten bestimmte gewisse optische Körperlichkeiten da sein. Ich erinnere mal an die Oper Nabucco, da sind wir halbnackt fast das ganze Stück auf der Bühne – wie römische Krieger und mit Farbe besprüht. Da wollten Regisseur und Choreograph eine gewisse Art des Laufens und die Körperspannung testen. Das ist eine andere Liga als Gefangene in einem Lager zu spielen.

Deshalb wurden einfach alle Statisten-Bewerber genommen?

Ja, da wir auch Schwung haben. Statisten, die häufiger dabei sind, wissen, was Disziplin bedeutet. Bleiben die mal unentschuldigt weg, sind sie raus. Die Neuen schmecken einfach mal rein, haben vielleicht falsche Vorstellungen. Die merken, dass sie sechs Wochen lang soziale Kontakte zurückstellen müssen und wollen lieber zu einem Geburtstag als zur Probe. Viele haben keine Vorstellung, was es bedeutet, bei uns hart und diszipliniert zu arbeiten.

Wie schwer ist es denn überhaupt, Statisten zu finden?

Ich hatte zum Beispiel hunderte von Bewerbungen für das Theaterfestival im letzten August. Davon konnte ich nach einer Vorauswahl bezüglich Alter und so weiter 50 Bewerber einladen, von denen sind zwei gekommen. Nach der ersten Probe ist von den beiden keiner mehr gekommen. So schwierig kann es sein. Es kommt natürlich auf die Voraussetzungen an. Wenn ich für die Carmen-Oper Statisten suche, ist es einfacher, weil jeder Carmen-Musik mag. Bei der Zauberflöte wäre es ähnlich. Aber „aus einem Totenhaus“ wird schon schwieriger werden.

Aber dafür war die Resonanz ganz gut?

Wir haben auch die ganze Medienmaschinerie angeworfen inklusive soziale Netzwerke. Ich habe auch mein privates Facebook-Profil genutzt. Für den Aufwand hätten eigentlich 50 Bewerber kommen müssen.

Was haben die Statisten für falsche Vorstellungen?

Teilweise glauben sie, man kann so Geld für gewisse Lebensstile verdienen, das funktioniert natürlich nicht. Wir hatten unheimlich viele neue Statisten bei der Götterdämmerung. Da ist der Schwung von der ersten bis zur letzten Vorstellung enorm gewesen. Es war irgendwann nicht mehr spannend, dann kommen sie einfach nicht mehr. Diese Statisterie funktioniert nur bei Menschen, die Bock auf Theater haben, idealistisch sind, die sagen „das will ich, das mach ich und ich würde es auch machen, wenn ich kein Geld verdiene“.

Wie sind Sie selbst zur Statisterie gekommen?

Ich habe eine Musikausbildung. Seit meinem sechsten Lebensjahr mache ich Musik. Irgendwann bin ich beim Musical gelandet. Dann habe ich von hier eine Einladung zum Bewegungsensemble bekommen, da sollte ich beim Zug mitmachen. Dann war ich dabei, dann ist mal bei einer Vorstellung ein Statist ausgefallen und es hieß: Willst du mal mitmachen? Diejenigen, die schon dabei waren, haben zu mir gesagt, wenn du jetzt mitmachst, bist du jeden Abend hier. Und es ist genauso gekommen. Das habe ich nie bereut.

Jetzt sind Sie auch Statistenführer. Was muss man sich darunter vorstellen?

Das erste Wort ist klar, das zweite schwierig (lacht). Ich organisiere die Einsätze, ich mache die Vorauswahl für den Regisseur, ich halte den Kontakt, ich lade zu jeder Probe und Vorstellung die jeweiligen Statisten ein, damit sie nicht sagen können, das habe ich vergessen. So muss man sich das vorstellen. Die administrative Aufgabe ist hoch, aber mit Organisation bekommt man es relativ gut hin. Seitdem ich das mache, gab es keine Vorstellungen, bei denen Statisten nicht gekommen sind und die Qualität der Vorstellungen gelitten hat.

Hier geht‘s zurück zum Hauptartikel über das Statisten-Casting.