Erfolg
Westernhagens Rezept: Minze und Ironie

Vor 40 Jahren schaffte der Musiker Marius Müller-Westernhagen den Durchbruch mit Provokationen. Unbequem ist er noch heute.

07.09.2018 | Stand 16.09.2023, 6:01 Uhr

Marius Müller-Westernhagen singt bei der Verleihung des Echo 2017. Foto: Rainer Jensen/dpa

Der musikalische Erfolg gelang ihm mit einer kleinen grünen Pflanze. Nicht, weil er sie anbaute und teuer verkaufte. Auch die für die Minze charakteristische Frische war nicht ausschlaggebend für den Erfolg von Marius Müller-Westernhagen. Vielmehr waren es die frechen, teilweise auch missverständlichen Songtexte, für die sein Rock-Album „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ von 1978 Kultstatus erlangte. Inklusive Goldener Schallplatte und dreimal Platin.

„Ich bin froh, dass ich kein Dicker bin. Denn dick sein ist ’ne Quälerei“, singt der hagere Müller-Westernhagen in „Dicke“, Song Nummer sieben des Erfolgsalbums. Was von vielen Menschen als Diskriminierung gesehen wurde, war von Marius Müller-Westernhagen zwar provozierend, vor allem aber ironisch gemeint. Dennoch hatten zahlreiche Radiostationen 1978 dieses Lied boykottiert.

„Ich bin froh, dass ich kein Dicker bin.“Marius Müller-Westernhagen

Auch heute hätten Marius Müller-Westernhagens herausfordernden Liedtexte für Diskussionen gesorgt. Ironie versteht nicht jeder. Die meisten Angesprochenen in Westernhagens Song „Dicke“ schon, deshalb sei das Lied sogar zu einer „Hymne für Dicke“ geworden, wie Müller-Westernhagen selbst berichtet. Er sprach aus, was sich andere hinter hervorgehaltener Hand dachten. Typisch Westernhagen: Er war schon immer einer, der seinen eigenen Kopf durchsetzen wollte.

Auch als Schauspieler spielte er oft Charaktere, die rebellisch waren. 1980 wurde Marius Müller-Westernhagen im Film „Theo gegen den Rest der Welt“ zur Kultfigur. Lange Haare, rotes Halstuch, Lederjacke. So machte sich Lastwagenfahrer Theo Gromberg auf die Reise, um seinen gestohlenen Volvo-Sattelschlepper wiederzufinden.

Seine Eigenwilligkeit hat der Schauspieler und Sänger bis heute behalten. Und auch wenn die weiteren Filme und Alben nicht mehr so erfolgreich waren, sammelte er unter anderem zwei Goldene Stimmgabeln, mehrere Platin-Schallplatten und ein Bundesverdienstkreuz am Bande. Auch mit acht Echos wurde er ausgezeichnet. Nach dem Antisemitismus-Eklat um die Rapper Farid Bang und Kollegah gab Müller-Westernhagen diese heuer aber aus Protest zurück. Seit 2016 ist er auf MTV Unplugged Tour unterwegs. Beim Auftaktkonzert stand auch Udo Lindenberg als Gastmusiker auf der Bühne. Fatih Akin übernahm die Regie für das Livevideo.

Sehen und hören Sie im Video: Mit „Dicke“ sorgte Marius Müller-Westernhagen für Diskussionen.

Wie es für den 69-Jährigen danach weitergeht, ist noch unklar. Eigentlich besitzt die Plattenfirma, mit der Müller-Westernhagen die Tournee macht, noch die Option auf ein weiteres Album. „Aber während der Arbeit an Unplugged hat sie ständig Druck auf mich ausgeübt und versucht, mir reinzureden“, sagte der Musiker jüngst der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in einem Interview. So will der „arrogante“ Müller-Westernhagen – wie er sich selbst bezeichnet – nicht arbeiten. „Wenn mich jemand bei der Arbeit behindert, kann ich ekelhaft werden, gegenüber Plattenfirmen oder Tourpromotern vielleicht sogar brutal.“

Sein ehemaliger Manager Siggi Loch hat dies zum Start von Marius Müller-Westernhagens Musikkarriere ebenfalls zu spüren bekommen. Nach den ersten drei erfolglosen Alben habe Müller-Westernhagen zu Siggi Loch gesagt, dass es so nicht weitergehe. „Entweder du garantierst mir künstlerische Freiheit oder ich gehe.“ Müller-Westernhagen blieb. Und produzierte „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“.

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