Wagen entgleist
Wieder Tote bei Zugunglück in Bayern: Was wir wissen

07.06.2022 | Stand 07.06.2022, 21:00 Uhr
Es ist seit 2016 der vierte Zugunfall in Deutschland, bei dem Menschen starben. −Foto: afp

Ein Zug entgleist, fünf Menschen sterben: Am Freitag hat sich bei Garmisch-Partenkirchen eines der schwersten Zugunglücke der vergangenen Jahre ereignet. DieUrsache ist unklar.



Es ist seit 2016 der vierte Zugunfall in Deutschland, bei dem Menschen starben. Und alle vier Unfälle ereigneten sich in Bayern. Doch in Bad Aibling 2016, in Aichach 2018 und in Schäftlarn im Februar 2022 ging es um Kollisionen zweier Züge. Hier ist es anders.

Was wir wissen:

DER HERGANG:

Die Regionalbahn RB59458 startet am Freitag kurz nach 12.00 Uhr am Bahnhof in Garmisch-Partenkirchen Richtung München. Am letzten Tag vor den Ferien sind in der Mittagszeit auch viele Schüler in dem Zug mit Doppelstockwagen. Am nächsten Bahnhof Farchant kommt die Bahn nicht an: Gegen 12.15 Uhr entgleist der Zug auf Höhe des Ortsteils Burgrain. Drei Waggons rutschen von den Gleisen, die an der Stelle direkt neben der Bundesstraße 2 verlaufen. Sie kippen um, einer bleibt auf dem Dach liegen. Augenzeugen sprechen Medien zufolge von Rauch - vermutlich ist es aber eher Staub, der aufstieg. Mehr als 500 Einsatzkräfte bergen in weniger als einer Stunde alle Fahrgäste aus dem teils komplett zerstörten Zug und bringen sie in Krankenhäuser.

DIE OPFER:

Vier Frauen und ein Jugendlicher sind bei dem Unglück ums Leben gekommen. Zuletzt war am Samstag das fünfte Opfer unter einem umgestürzten Waggon geborgen worden, ein 13-Jähriger aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Unter den getöteten Frauen sind zwei 30 und 39 Jahre alte Mütter aus der Ukraine. Sie waren dem Vernehmen nach mit ihren Kindern nach Bayern geflüchtet. Zudem starben eine 51-Jährige aus Wiesbaden sowie eine 70-jährige Frau aus dem Landkreis München. Eine 34-jährige Frau befindet sich laut Polizei nach wie vor in einem kritischen Zustand. Insgesamt wurden mehr als 40 Menschen verletzt, mehrere davon schwer.

DIE ERMITTLUNGEN:

Die Polizei hat eine Soko „Zug“ eingesetzt, zeitweise war die mit rund 70 Ermittlern besetzt. Auch am Dienstag waren mehr als 40 Ermittler mit der Aufklärung befasst. Ein Experte der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung und ein externer Gutachter seien ebenfalls beteiligt. Zum einen werden nun Zeugen befragt, darunter Bahnmitarbeiter und Fahrgäste. Mit vielen sei bereits gesprochen worden, sagte der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, Stefan Sonntag. „Natürlich ist jeder, der im Zug saß, ein potenzieller Zeuge.“ Zum anderen werden nun die Trümmer untersucht. Das kann Wochen oder Monate dauern.

Was wir nicht wissen:

DIE URSACHE:

Offen. Klar ist nur: Es war keine Kollision zweier Züge. Vielmehr ist der Zug oder ein Waggon aus den Gleisen gesprungen. Warum, das müssen nun Experten klären. Offensichtlich rücken dabei Schienen und Fahrgestelle ins Visier. Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagte, den Experten vor Ort zufolge sei ein technischer Defekt „die wahrscheinlichste Ursache“. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) äußerte sich ähnlich. Dem Bayerischen Rundfunk sagte er, Fahrgestelle von Waggons seien sichergestellt worden, „und es wird im Moment auch überlegt, inwieweit einzelne Schienen oder Schwellen sichergestellt werden müssen. Auf jeden Fall werden die im Moment peinlichst genau untersucht und vermessen.“

MÖGLICHE VERANTWORTLICHE:

Die Staatsanwaltschaft München II hat ein Ermittlungsverfahren gegen drei Personen wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet. Bei den Beschuldigten handelt es sich um Mitarbeiter der Deutschen Bahn. Doch was ihnen genau vorgeworfen wird, welche Rolle sie spielten - all das ist zunächst nicht bekannt. Bis zum Abschluss der Ermittlungen sei offen, ob die Bahnmitarbeiter wirklich Mitschuld trügen, betonte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II, Andrea Grape. „Es gilt auch hier wie stets in solchen Fällen die Unschuldsvermutung bis zum endgültigen Abschluss der Verfahrens.“

MÖGLICHE VORHERIGE SCHÄDEN:

Ob es auf der Strecke schon vorher Probleme gab, ist nicht ganz klar. Nach einem Bericht der Zeitung „Die Welt“ plante die Bahn auf der Unglücksstrecke Sanierungsarbeiten. Demnach sollten vom 25. Juni bis 9. Juli zwischen Oberau und Garmisch-Partenkirchen eine Gleislageberichtigung und Schienenerneuerungen stattfinden. Die Zeitung beruft sich auf eine Liste mit rund 3000 geplanten Maßnahmen. Zwischen 5. und 9. Juli sollten demnach Schienen in Garmisch-Partenkirchen erneuert werden - wo genau, zeigt die Liste nicht. Burgrain, der Unfallort, ist ein Ortsteil. Die Bahn äußert sich wegen laufender Ermittlungen nicht.

− dpa