Königshaus
Winken und lächeln – die Queen wird 90

Elizabeth II. ist schon so lange auf dem Thron, dass sie kaum jemand missen will. Aber sie musste kritische Phasen meistern.

21.04.2016 | Stand 16.09.2023, 6:53 Uhr
Jochen Wittmann

Die britische Königin Elizabeth II. wird 90 Jahre alt. Foto: dpa

Eines der ihr sicherlich liebsten Geburtstagsgeschenke hat ihr schon das Meinungsforschungsinstitut Ipsos Mori gemacht: In einer aktuellen Umfrage wollen 86 Prozent der Briten eine Königin oder einen König als Staatsoberhaupt haben und drei Viertel von ihnen denken, dass die Monarchie in Zukunft eine wichtige Rolle zu spielen hat. Elizabeth II., die an diesem Donnerstag 90 Jahre alt wird, darf sich beruhigt zurücklehnen: Die Institution ist gesichert, die „Firma“, wie sich die Königliche Familie selbstironisch nennt, steht robuster da als je zuvor.

Aber ausruhen wird sie sich an ihrem Geburtstag nicht. Die Pflicht, wie immer, ruft. Am Donnerstag wird die Queen wieder einmal etwas einweihen – diesmal ein Wanderpfad in Windsor –, danach ein Bad in der Menge nehmen und abends ein Leuchtfeuer entzünden. In einem Alter, in dem andere es langsam angehen lassen, macht die Queen unbeirrt weiter. Ihre eiserne Konstitution hat sie schon eine ganze Reihe von Rekorden brechen lassen.Mit mehr als 64 Jahren auf dem Thron ist sie die am längsten dienende Monarchin der britischen Geschichte, führt mit Prinzgemahl Philip die längste königliche Ehe und ist mit 90 Jahren die älteste Monarchin, die es in Großbritannien jemals gab.

Was für ein anderes Großbritannien war das, vor neunzig Jahren: Frauen unter 30 Jahre durften nicht wählen, Auspeitschungen waren ein akzeptiertes Mittel des Strafvollzuges und Homosexuelle warf man ins Gefängnis. Als Elizabeth Alexandra Mary Windsor am 21. April 1926 geboren wurde, umfasste das britische Empire noch über ein Fünftel des Erdballs. Wenn die Queen neun Dekaden später zurückblickt, mag sie vielleicht bedauern, dass die Krone ein Weltreich verloren hat. Aber auf die Bilanz ihrer bisherigen 64 Jahre auf dem Thron darf sie stolz sein.

Dabei war sie als Tochter des zweitältesten Königssohnes Albert und der schottischen Gräfin Elizabeth Bowes-Lyon gar nicht für den Thron bestimmt. Sie wuchs in äußerst behüteten Verhältnissen auf – kaum Kontakt zu Gleichaltrigen, keine Freundschaften mit gemeinen, nicht-aristokratischen Kindern, stattdessen Privatunterricht zu Hause durch eine Gouvernante. Aus ihren Kinderjahren ist überliefert, dass sie am liebsten „einen Farmer heiraten und viele Kühe, Pferde und Kinder haben“ will. Daraus konnte spätesten dann nichts mehr werden, als die Abdankung von Edward VIII. im Dezember 1936 ihren Vater zum König beförderte. Im Alter von zehn Jahren war Elizabeth plötzlich „mutmaßliche Thronerbin“. Der Drill für die zukünftige Monarchin begann. Elizabeth hatte Verfassungsgeschichte und Recht zu studieren, ihre Neigungen fürs Theater, Schwimmen und Reiten durfte sie in ihrer Freizeit nachkommen. Sie musste sich damit abfinden, auf längere Zeit von ihren Eltern getrennt zu sein, die auf Auslandsreisen entschwanden – ein Muster, das sich bei ihren eigenen Kindern wiederholen sollte. Und als Ehemann kam natürlich kein Landwirt mehr in Frage.Elizabeth heiratete 1947 Prinz Philip Mountbatten, den Sohn des entthronten Königs von Griechenland und Ur-Ur-Enkel von Queen Victoria.

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An ihrem 21. Geburtstag machte sie in ihrer ersten großen öffentlichen Ansprache ein erstaunliches Gelöbnis: „Ich erkläre vor euch“, versprach sie ihren Zuhörern, „dass mein ganzes Leben, sei es kurz oder lang, dem Dienst an euch und dem Dienst an der großen imperialen Familie gewidmet sein wird.“ Gemeint damit war der Commonwealth, der lose Staatenverbund ehemaliger britischer Kolonien. Was diese Verpflichtung bedeutete, haben viele andere Royals nie begriffen: Es war das Versprechen von Selbstlosigkeit, Pflichtbewusstsein und Disziplin. Es bedeutete den öffentlichen Verzicht auf Selbstverwirklichung. Der Anspruch auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit wurde ersetzt durch das preußisch anmutende Ideal, die erste Dienerin ihres Königreichs sein zu wollen. Kein anderes Mitglied ihrer Familie ist so weit in dieser Selbstverneinung gegangen: Prinz Philip nicht, der immer mal wieder durch geschmacklose Scherze aus der Rolle fiel, die Kinder nicht, die ihre Ehen in den Sand setzten, und die Schwiegertöchter Fergie und Diana mit ihren frivolen Eskapaden schon gar nicht.

Die Unermüdliche: der Leitartikel unseres London-Korrespondenten Jochen Wittmann zum 90. Geburtstag der Queen

Adler als gutes Omen

Der Augenblick ihrer Thronfolge hatte seinen symbolischen Moment. Prinzessin Elizabeth befand sich auf einem Staatsbesuch in Afrika, saß in einem Baumwipfel in Kenia und beobachtete ein Rhinozeros. Die Sonne ging gerade auf, und in dem Moment, als ihr Vater starb, habe, so hat ein Höfling bezeugt, hoch über ihrem Kopf ein Adler seine Kreise gezogen. Es war der 6. Februar 1952. Fern in London tat König Georg VI. seinen letzten Atemzug. Gemäß der ungeschriebenen britischen Verfassung trat seine älteste Tochter unmittelbar die Thronfolge an und kletterte, obwohl sie das noch nicht wusste, als Queen Elizabeth II. von ihrem Beobachtungsposten im afrikanischen Busch.

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Nun ja, soviel ist unbestritten: Die Herrschaft von Elizabeth II. hat ihre Untertanen sicher nicht ärmer gemacht hat. Heute hat Großbritannien die fünftgrößte Wirtschaft der Welt und innerhalb der Europäischen Union weist das Land eine der niedrigsten Arbeitslosenraten auf. Als Atommacht mit einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat übt das Königreich international großen Einfluss aus. Natürlich ist das nicht das Verdienst der Queen, sondern der Politik anzurechnen. Aber die Königin symbolisiert durch ihre 64-jährige Herrschaft die Kontinuität dieser Erfolgsgeschichte. Kein Wunder also, dass sie selbst der beste Garant für die britische Monarchie ist.

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Rolle der „eisernen Oma der Nation“

Ihre schiere Ausdauer ist der größte Trumpf für die Windsors. Immerhin ist Monarchie ohne Kontinuität und Tradition nicht denkbar – und was verkörpert Elizabeth II. nicht deutlicher als Kontinuität, die Verweigerung des Wandels, die bei ihr persönlich bis zur Selbstverleugnung geht? Bis zum Tod der Queen Mum schätzten die Briten die rüstige Langlebigkeit der Königinmutter als eine Art Vitalitätsbeweis für die Monarchie. Jetzt hat die Queen diese Rolle der „eisernen Oma der Nation“ übernommen und man verehrt sie, weil sie den Job schon so lange und so makellos und immer in dem gleichen würdigen und liebenswürdigen Stil gemacht hat. Dazu kommt ihre Rolle als moralische Instanz in einer Zeit des umgreifenden Wertewandels. „Die Lehren Christi“, bekannte sie, „und meine eigene persönliche Verantwortung vor Gott geben mir den Rahmen, in dem ich mein Leben zu führen versuche.“ Das mag vielleicht nicht auf der Höhe der philosophischen Postmoderne sein, beeindruckt aber dennoch durch seine stoische Charakterstärke. Den Untertanen zeigt es eine klare moralische Perspektive. Niemand, so sagt man, der von der Queen in den Adelsstand erhoben wurde, wagt es fortan, bei der Steuererklärung zu schummeln.

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Mittlerweile ist wieder alles im Lot. Prinz Charles gewinnt an Zustimmung, sein Ehebruch scheint vergessen und seine Ehefrau Camilla wird im Volk akzeptiert. Die jungen Royals – Prinz Harry, Prinz William und seine Ehefrau Kate – übernehmen die Funktion eines Aushängeschilds für eine coole und hippe Königsfamilie. Und mit Kates Kindern George und Charlotte, den jüngsten Neuankömmlingen im Hause Windsor, ist die Thronfolge bis ins dritte Glied gesichert. Queen Elizabeth, die populärste von allen, darf sich zu ihrem Geburtstag selbst beglückwünschen: Der britischen Monarchie ging es nie besser als jetzt.

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