Zur Soße hat noch nie einer „Beiguss“ gesagt

Professor Tonio Walter lässt sich über Wortneuschöpfungen aus.

23.10.2009 | Stand 16.09.2023, 21:07 Uhr
Thomas Dietz

Regensburg.Eine Straubinger Mädchenklasse senkte den Altersdurchschnitt auf das Erfreulichste – und hob zugleich die Besucherzahl: So war jeder Stuhl besetzt, als der junge, alerte Regensburger Rechts-Professor Tonio Walter am Mittwochabend in der Stadtbücherei am Haidplatz seinen Vortrag „Neologismen – Neusprech oder sprachlicher Fortschritt“ hielt.

Der Verfasser einer „Kleinen Stilkunde für Juristen“ beschäftigt sich leidenschaftlich gern mit unserer deutschen Sprache und wurde von Irene Liefländer, Vorsitzende des veranstaltenden Vereins Deutsche Sprache (VDS) Regensburg Stadt und Land, freudig begrüßt. Den Schülerinnen der 11. Klasse erläuterte sie kurz Sinn und Zweck des VDS: Man will die Vielfalt europäischer Sprachen erhalten und wünscht keinen englisch dominierten Sprach-Schokobrei. Man will eher eine „Salatschüssel“ sein, in der die einzelnen Zutaten erkennbar bleiben.

Walter berichtete – hochinteressant! – von Heinrich von Stephan, dem Generalpostdirektor des Deutschen Reiches und Gründer des Weltpostvereins, der mit Erlass vom 21. Juni 1875 fast 700 Verdeutschungen im Postwesen einführen ließ: So war der „recommandierte Brief“ von nun an eingeschrieben, „poste restante“ hieß postlagernd und die „Adresse“ wurde zur Anschrift. Es folgte eine vergnügliche Tour d’horizon („Querlatsche“) durch die Welt der Wort-Kuriosa vom unkaputtbaren Beschulen, Beampeln der 90er bis in die Nuller-Jahre mit ihrem Turbokapitalismus, dem Herzschlagfinale und Wortungetümen wie Telekommunikationsvorratsdatenspeicherungsgesetz. Man spricht von „Giveaways“, „Fingerfood“ und anderen Begriffen wie „Kids-Corner“, „Banking“, „Shoppen“, „Outsourcen“ und dem scheußlichen „Gendermainstreaming“. Treibt man’s gar zu bunt bei der Anglizisierung, landet man im Reich unfreiwilliger Komik wie mit „die first class“ im Flugzeug, BMW mit „Driven by emotions“ (gemein übersetzt mit „Kraft durch Freude“) oder die Parfümeriekette Douglas mit „Come in and find out“ (Kommen Sie rein und finden Sie wieder raus).

Der Witz sitzt auch massiv in verunglückten Eindeutschungen, die sich nie durchsetzen konnten, wie „Beiguss“ für die Soße oder „Eieröltunke“ für Mayonnaise. Auch der heutige Klapprechner und das Weltnetz haben es schwer in unserer New-speak. Eigenartig ist zudem, dass wir „Woolworth“, „Treets“, „toom“ und „Colgate“ hartnäckig deutsch aussprechen und bei den weiblichen Formen Monstrositäten wie „Liebe Gästinnen, liebe Mitgliederinnen, liebe Bürger- und Bürgerinnenmeister und -meisterinnen“ dulden. Die Sprache lebt. Es bleibt spannend.