Bayern
Der Bauherr auf Schloss Wörth

Architekt, Künstler, Abenteurer: Der Regensburger Herwig Beitler führt ein aufregendes Leben, inklusive E-Tesla.

31.03.2018 | Stand 12.10.2023, 10:21 Uhr
Helmut Hein

Herwig Beitler vor Schloss Wörth an der Isar Foto: altrofoto.de

Er sah immer schon ein wenig aus wie der Schauspieler Hugh Grant: ein Mann, den die Frauen lieben. Wenn man Herwig Beitler auf einen Nenner bringen wollte – was gar nicht geht – müsste man vielleicht sagen: Er ist ein Architekt und Abenteurer, der nicht nur nebenbei malt und über einen exquisiten Pop-Musik-Geschmack verfügt.

1963 wurde er in Simbach geboren. Und für alle, die nicht wissen sollten, wo das liegt, fügt er hinzu: „Nahe Braunau“, und: „Zusätzlich bekannt als Katastrophengebiet“. Später ging es dann in die große Stadt: „Mein Vater war zu dieser Zeit Elektroniker beim Flughafen Riem.“ Und sein Sohn, bei Weitem noch nicht zehn, schon ein Abenteurer. Beitler erinnert sich an „erste Fahrradtouren zur Großbaustelle Olympiazentrum“. Im Rückblick wundert er sich: „Keine Ahnung, wie ich das geschafft habe. Vor allem wieder zurückzufinden.“

Zurück ging es dann bald auch in die Provinz. „Mein Vater hatte übers Abendgymnasium das Abitur nachgeholt. Mittels Fernstudium wurde er Volksschullehrer.“ Sein Einsatzort: Tann in Niederbayern. Der junge Herwig, eine rebellische Natur, ging ins Simbacher Tassilo-Gymnasium, benannt nach dem Bayern-Herzog, der sich mit Karl dem Großen anlegte. Beitler, immer das Ohr am Puls der Zeit, gründete eine Band: „Teilweise radikale Interpretation von Punkvorlagen.“ Im Rückblick attestiert er sich ein völliges Fehlen „jeglicher technischer Begabung“. Was aber bestens zum Zeitgeist passte, der ein Spiel mit drei Akkorden schon für überkomplex hielt. Der Gymnasiast lernte nicht nur fleißig, sondern unternahm „viele Ausflüge ins popkulturelle Ambiente“. Die angesagten Szene-Treffs im Großraum Simbach hießen damals: „Libella“ (das lag am Chiemsee), „Café Größenwahn“ (da fühlt sich jede junge Künstlerseele erkannt) und „Negerhalle“. Punks und Konsorten hielten noch nichts von politischer Korrektheit.

In den 80er Jahren wurde Herwig Beitler ein Regensburger. Eigentlich wollte er ja in Berlin Architektur studieren, um auf diese Weise der Bundeswehr zu entgehen. „Aber dann bin ich in der Oberpfalz hängengeblieben.“ Wie das? Jetzt spricht der Hugh Grant aus ihm: „Der Frauen, nicht des Studiums wegen.“ Dem stellt er noch im Abstand von mehr als drei Jahrzehnten ein vernichtendes Urteil aus: „Eher muffig – erfüllte die Erwartungen nicht“. Der Leichtsinn der Liebe kostete ihn „zwanzig Monate“. Man hört das Ausrufezeichen mit. Dann erklärt er lakonisch: „Zivildienst bei der Johanniter Unfallhilfe in Wenzenbach.“ Schon während des Studiums war er als bildender Künstler aktiv, nahm an den Jahresausstellungen im Kunst- und Gewerbeverein teil. Seine Spezialität: die bis heute legendären Hasen. Beitler, fast gerührt: „Ja, die hängen in vielen Wohnungen.“ Sein Studium finanzierte er teilweise mit architektonischen Skizzen. Früh nahm er an Wettbewerben teil. Und er hatte eine eigene Galerie, die Galerie Richter. Beitler: „Damals in der Bachgasse“.

Auf diversen Rallyes suchte er das ultimative Abenteuer

Nach dem Examen gründete er mit Ex-Kommilitonen ein eigenes Architektur-Bureau („BEITLER & DEMAL“), kaufte eine ehemalige Spenglerei in der Margaretenstraße, baute sie um, stockte auf und wohnte schließlich standesgemäß im eigenen Penthouse mit Blick über die Stadt. Herwig Beitler war immer schon stilsicher, egal ob es um Kleidung, angesagte Lokale, Auftreten, Wohnen – oder ums Auto ging. Damals fuhr er einen alten Defender, diesen Ur-Vater aller späteren SUVs, nur eben rustikaler, geprägt vom Charme des Minimalismus. Beitler, fast entschuldigend: „Der war praktisch, wenn ich auf die Baustellen fuhr.“ Mag sein. Aber er war eben auch sehr cool.

Abends sah man Herwig Beitler immer öfter in der Alten Mälzerei. Für ein paar Jahre war die „Mälze“ so etwas wie das Mekka der weltweiten Indie-Pop-Szene. Tagsüber machte er sich einen Namen mit kundigen Renovierungen und Umbauten alter, oft denkmalgeschützter Gebäude. Und weil ein Architekt ja Leute kennen muss, war er viel unterwegs. Zur Entspannung gab er sich dem „kontinuierlichen Schafkopfspielen“ hin (was immer das sein mag) unter anderem mit, O-Ton Beitler, „dem Intendanten des Regensburger Kasperltheaters“.

Und es begann die Zeit der großen Abenteuer. Er kaufte eine BMW 1000, „175 Kilo schwer“, baute sie um und nahm an einer Reihe semi-professioneller Rallyes teil: Bei der „Transdanubia“ ging es die Donau hinunter, bei der Pyrenäen-Rundfahrt durch gebirgiges Gelände. Wohlgemerkt: nicht auf Straßen, sondern konsequent querfeldein. Und zwar ohne GPS, das es damals noch nicht gab, und vergleichbare Hilfsmittel, die das „Navigieren“ erleichtern. Beitler: „Es gab ein sogenanntes Road-Book, handgeschrieben, sonst nichts.“ Und wie waren diese Rallyes? „Extrem anstrengend, herausfordernd, purer Stress.“ Da werden dann Hormone freigesetzt, die so etwas wie Glück simulieren. Beitler beschreibt die Erfahrung im Rückblick so: „Es ist eine Auseinandersetzung mit seinem Selbst.“ Der Clou: Man kann nichts delegieren, man ist nicht länger Teil einer arbeitsteiligen Zivilisation, sondern „für alles selbst verantwortlich“. Und wenn man stürzt? „Dann steht man wieder auf. Und versucht, wenn nötig und möglich, das Motorrad zu reparieren.“

„Es gab ein sogenanntes Road-Book, handgeschrieben, sonst nichts.“Herwig Beitler über seine Rallyes

Das Verhältnis Bauherr-Architekt gilt allgemein als schwierig. Manche sprechen von „Szenen einer Ehe“, wo sich die Partner ineinander verbeißen. Beitler ergänzt: „...eines Kriegs“. Obwohl er sich selbst gar nicht beschweren kann oder will. Inzwischen hat er den Schwerpunkt seiner Tätigkeit freilich verlagert: von der mit Steuervorteilen genauso reich wie mit Auflagen versehenen Sanierung denkmalgeschützter Gebäude, hin zur relativ freien Projektentwicklung ganzer Areale. Und er hat die Rechtsform seines Architekturbüros geändert, hin zu einer Architekten-GmbH, wie das heutzutage üblich ist. Der Grund: „Die Regressforderungen können immer höher werden.“ Herwig Beitler arbeitet gern im Team, „man muss auf ein großes Erfahrungspotential zurückgreifen können“, und er bildet sich selbst permanent fort. Ein Architekt beispielsweise ohne Expertise in Materialkunde ist für ihn kaum denkbar.

Der Architekt wünscht sich autofreie Innenstädte

Natürlich treiben ihn auch die Themen des Tages um: von der Nachverdichtung der Städte bis hin zu energetischem Bauen. Aber er fordert intelligente, auch ästhetisch ansprechende, Lösungen. Vom eine Zeitlang üblichen „Verkleben von Fassaden“ hält er gar nichts. Einzelne Hochhäuser mussten schon wegen Brandgefahr geräumt werden. Außerdem ist das Dämm-Material oft Sondermüll. Wie soll das später entsorgt werden? Und wer trägt die Kosten? Beitler ist in allen Lebenslagen umweltbewusst. Der Defender-Fahrer von einst hält die SUVs, die sich seuchenartig in den Innenstädten ausbreiten, für „unverzeihbar“. Und als wäre das nicht klar genug, fügt er hinzu: „Eine Katastrophe“.

Er träumt von einer Welt mit immer weniger Individualverkehr, von weitgehend autofreien Innenstädten. Und er fordert: „Schluss mit dem Auto als Statussymbol!“ Er selbst fährt einen E-Tesla SEX. Kein Statussymbol. Eine Notwendigkeit. Und keine Dreckschleuder.

Seit Anfang dieses Jahres ist Herwig Beitler Herr von Schloss Wörth an der Isar. Das ließ einst, 1769, der Kurfürst von Bayern bauen, später beherbergte es ein Kloster und schließlich eine nicht ganz unbekannte Brauerei. Herwig Beitler ist da in seinem Metier. Er baut um: Büros und Wohnungen für sich, seine Frau Judith, seine zwei Kinder, Xaver (11), Marieluise (10), und seine Mitarbeiter. Und mehrere Dutzend altersgerechter Wohnungen, die er verkaufen oder vermieten will. Beitler, der stets Geschmackssichere, hat mehrere Träume. Der eine, „Kultur im Schloss Wörth“, ist schon ganz real. Der andere, eine eigene, kleine, experimentierfreudige Brauerei, könnte was fürs ferne Alter sein. Jedenfalls geht es um Authentizität in allen Lebenslagen: „Nieder mit den Industriebieren!“

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat.Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Sie in unserem Aboshop.

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