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Eisi Gulp: Freigeist mit Kümmerer-Gen

Er begann mit Straßenkunst und landete vor der Kamera. An Schulen warnt der Kabarettist heute vor Suchtverhalten.

20.06.2018 | Stand 16.09.2023, 6:06 Uhr

Eisi Gulp ist als Schauspieler wieder gefragt. Seine Karriere begann eigentlich mit Straßenkunst. Foto: Agentur Unitone

Drahtig steht er da. Mit eng geschnittenem Pulli, unter dem sich kein Gramm Fett abzeichnet. 62 Jahre ist Eisi Gulp alt, man sieht es ihm nicht an, obwohl er inzwischen auch mal in die Rolle des Großvaters schlüpft und in den Eberhofer-Krimis auf seine Enkelin Uschi aufpasst. Schauspieler, Kabarettist, Akrobatikkünstler, Tänzer, Moderator – in seinem Leben hat Gulp viele Rollen eingenommen. „Ich hatte nur selten einen klaren und exakten Plan, was ich genau machen will. Stattdessen habe ich einfach viele Sachen auf mich zukommen lassen“, sagte er 2010 in einem Interview mit BR Alpha. Eine seiner Traumrollen hat er eh abseits der Bühne gefunden. „Das mit Abstand Wertvollste in meinem Leben sind meine beiden Söhne.“ Und noch ein Herzensprojekt gibt es: die Drogenprävention an Schulen.

Als Kind kranken Vater gepflegt

Geboren wurde Eisi Gulp als Werner Eisenrieder in München. Er war der zweite Sohn eines Regierungsrats im Finanzministerium und eigentlich nicht geplant. „Eisi“, wie er schon in der Schule genannt wurde, war das Ergebnis einer feuchtfröhlichen Faschingsnacht, erzählte er einmal. Sein Bruder war acht Jahre älter, der Vater bereits in den 50ern. Früh drehte sich das Leben des Nachzüglers um das Thema Krankheit. Mit zehn, elf Jahren musste Eisi seinen Vater pflegen, der an Lungenkrebs litt. Die Mutter hatte eine Arbeit in einem Tabakgeschäft angenommen, um die Familie durchzubringen, der Bruder war schon ausgezogen. Es sei keine leichte Zeit gewesen, erinnerte er sich in einem Porträt für die BR-Reihe „Lebenslinien“. Das Siechtum des Vaters prägte Eisi Gulp so nachhaltig, dass er bis heute sehr auf seine Gesundheit und Fitness achtet. Er sei ein Bewegungsmensch, sagt er. Kampfsport und Salsa tanzen gehören zu seinem Sportprogramm. Geraucht hat er nie.

Seit vielen Jahren tourt Gulp – inzwischen unterstützt vom Deutschen Kinderschutzbund – mit seinem Kabarettstück „Hackedicht oder was?“ zur Alkohol- und Drogenprävention an Problemschulen. „Daran hängt mittlerweile mein Herzblut, weil ich ganz einfach sehe, dass das am meisten Sinn macht. Wenn da von meiner Message ein bisschen was hängen bleibt, dann ist das doch wunderbar.“

War Eisi Gulp für die Schüler vor einigen Jahren noch irgendein Typ aus den 1980er Jahren, so kennen ihn viele inzwischen als den coolen, kiffenden Vater desDorfpolizisten Franz Eberhofer (Sebastian Bezzel)aus den Verfilmungen der Rita-Falk-Krimis „Dampfnudelblues“, „Schweinskopf al dente“ oder„Grießnockerlaffäre“. Seit 2015 gehört er zudemzum festen Ensemble von „Dahoam is Dahoam“, mimt dort den Freigeist Sascha, der, wie Gulp sagt, schon durchaus viel mit seinem eigenen Lebenslauf zu tun hat. Nur in einem seien die beiden Charaktere völlig unterschiedlich: Er selbst sei im Gegensatz zu Sascha ein Typ, auf den man sich verlassen könne. Das bestätigen seine Söhne, seine Lebensgefährtin und die Patchwork-Tochter. Sie nennen den 62-Jährigen, der in einem selbst restaurierten alten Gasthaus im Chiemgau lebt, einen „Kümmerer“.

Auch Gulps Mutter wusste wohl schon früh, dass sie sich auf den Sohn verlassen konnte, wenngleich es etwas dauerte, bis der seinen Weg gefunden hatte. Nach der zehnten Klasse verließ er zunächst die Schule, ging auf eine lange Reise und holte später sein Abitur nach. Weil er keinen Platz an der Akademie der bildenden Künste bekam, schrieb er sich für ein Studium in Architektur ein, reiste dann aber nach New York, um sich als Tänzer ausbilden zu lassen und studierte nebenbei die Straßenkunst- und Stand-up-Comedian-Szene in der Metropole. Dort kam er auch mit der aufkeimenden Breakdance-Szene in Berührung. Einige Jahre später verhalf ihm das zur Rolle des Vortänzers in einer ZDF-Show, die Breakdance in Deutschland bekannt machen sollte. Da hatte Gulp gerade begonnen, sein Geld als Straßenkünstler zu verdienen.

„Geh weiter, Bub, du wirst doch jetzt nicht zum Betteln gehen!“, rief die Mutter damals, als er das erste Mal in der Münchner Fußgängerzone Pantomime und Akrobatik zeigte. Als er mit über 30 Mark heimkam, sei das Thema durch gewesen, erinnerte sich Gulp. „Das war immer so mit meiner Mutter: Wenn sie gesehen hat, dass ich etwas ernst nehme, dass ich etwas durchziehe, hat sie das auch voll unterstützt und ist dahintergestanden“, erzählte er „BR alpha“.

Zu frech in der Jugendsendung

Doch Gulp merkte, dass er mit Körperkunst alleine seine Message nicht rüberbringen konnte, er wollte auch Wortakrobatik zeigen. Sein erstes Kabarettprogramm „A Packerl Unsinn“ entstand. Wieder durch Zufall stolperte er in die Moderatorentätigkeit und präsentierte 1984 die damals neue Jugendsendung „Live aus dem Alabama“ im Bayerischen Fernsehen. Allerdings war damit nach einem Jahr Schluss. Er sei manchen Entscheidern wohl zu frech gewesen, sagte er später. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits eine neue Tür geöffnet, die Eisi Gulp endgültig einem großen Publikum bekannt machte: An der Seite von Marianne Sägebrecht spielte er 1985 in dem Percy-Adlon-Kultfilm „Zuckerbaby“ den Trambahnfahrer Huber. Ein bisschen Freak und Freigeist schwingen seitdem in seinen Rollen immer mit.

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