Kritik an CDU-Pläne
Ex-CSU-Chef Huber: „Soziales Pflichtjahr ist falsch“

12.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:40 Uhr
Viel besser wäre es, den freiwilligen Einsatz für das Gemeinwesen attraktiver zu machen. Freiwillige sind auch motivierter als Verpflichtete“, so Erwin Huber. −Foto: Felix Hörhager/dpa

Ein obligatorisches soziales Pflichtjahr hat der CDU-Parteitag am Wochenende beschlossen – und nun dafür heftige Kritik von der Unionsschwester CSU bekommen.



„Das am Samstag vom CDU-Parteitag in Hannover beschlossene obligatorische soziale Jahr für junge Leute ist falsch, kostspielig, fachlich problematisch, rechtlich fragwürdig und politisch dumm“, sagte der frühere CSU-Chef Erwin Huber im Gespräch mit der Mediengruppe Bayern. Er plädierte vielmehr für Freiwilligkeit.

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„Ein Altersjahrgang umfasst in Deutschland derzeit 700.000 bis 800.000 junge Menschen. So viele Junge und Heranwachsende in ein Pflichtjahr in soziale, pflegerische oder ökologische Dienste zu bringen ist organisatorisch nicht zu schaffen“, sagte Huber. „Man kann nicht einfach Schulabgänger ans Bett von Alten und Pflegebedürftigen stellen! Für die Betreuung der Dienstverpflichteten wäre eine große Zahl von Organisatoren und Begleitern notwendig, die wiederum in der praktischen Arbeit fehlen würden. Und enorm teuer wäre das außerdem.“

„Freiwillige sind motivierter als Verpflichtete“

Es sei Aufgabe des Sozialstaates und des Bildungssystems, die notwendigen Fachkräfte auszubilden. Das könne nicht einfach über ein Pflichtjahr für junge Leute gelöst werden. „Es wäre dies eine Kapitulation des Sozialstaates und des Bildungswesens. Viel besser wäre es, den freiwilligen Einsatz für das Gemeinwesen attraktiver zu machen. Freiwillige sind auch motivierter als Verpflichtete“, sagte Huber.

Zudem wäre ein Pflichtjahr eine „weitere Belastung für den Arbeitsmarkt in Deutschland“. Huber: „Beim bekannten und viel beklagten Fachkräftemangel würden auf Dauer, nämlich Jahr für Jahr neu, weit über eine halbe Million tüchtige junge Leute dem Arbeitsmarkt entzogen. Was würden Handwerk und Mittelstand dazu sagen, die jetzt kaum noch Auszubildende bekommen?“

„Höchst problematisch“

Zudem hält Huber das Pflichtjahr verfassungsrechtlich „für höchst problematisch“. Ein Pflichtjahr bedeute „ein hohes Maß an Freiheitsentzug und Einschränkung von Lebenschancen. Da müsste ein Notfall begründet werden, für den es keine anderen Lösungen gibt. Das ist abwegig. Das Pflichtjahr würde meines Erachtens Grundrechte zu sehr einschränken und am Bundesverfassungsgericht scheitern“.

Zudem wies Huber darauf hin, dass die Unionsparteien schlechte Wahlergebnisse bei der jungen Generation hätten. „Ein Pflichtjahr würde diese Werte dramatisch weiter verschlechtern. Nun darf das Taktische nicht dominieren, aber man müsste schon bessere Argumente haben. Es würde jedenfalls für CDU und CSU politisch bei der Jugend ein schwerer Rückschlag eintreten.“ Er empfehle deshalb, so Huber, „diesen Beschluss unter der Rubrik ‚Vergessen‘ abzulegen“.