Dem Mörder auf der Spur
Mordfall Sonja Engelbrecht: Über 50 Kipfenberger zur DNA-Probe gebeten

21.03.2023 | Stand 15.09.2023, 1:04 Uhr
Stephan Beer (links) und Werner Kraus vom Polizeipräsidium München zeigen ein Vergleichsstück der Decke, die bei den sterblichen Überresten von Sonja Engelbrecht im Wald bei Kipfenberg gefunden worden war. – −Foto: Richter

Die Kripo München lässt im Fall der mutmaßlich ermordeten Schülerin Sonja Engelbrecht nicht locker. Fast 28 Jahre nach dem Verschwinden der damals 19-Jährigen soll das Verbrechen an diesem Mittwochnoch einmal in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY… Ungelöst“ vorgestellt werden.



Die Spur führt in den Landkreis Eichstätt in ein Waldstück nordwestlich von Kipfenberg. Dort hatte die Polizei vor einem Jahr diesterblichen Überreste der Vermisstenin einer Felsspalte entdeckt, nachdem bereits 2020 ein Oberschenkelknochen gefunden worden war. In der Zwischenzeit hat die Polizei mehr als 50 Waldbauern, Jagdpächter und Forstmitarbeiter überprüft und DNA-Proben von ihnen genommen. „Ein Treffer war nicht dabei“, sagte Stephan Beer, Leiter der Mordkommissariate bei der Kripo München, am Dienstag der Mediengruppe Bayern am Rande einer Presserunde.

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„Das ist kein Altfall, kein Cold Case“, stellte Beer klar. „Wir arbeiten intensiv daran.“ Er sprach von rund 280 Hinweise nach der letzten „Aktenzeichen XY“-Sendung. „Wir haben daraus über 40 neue Ermittlungsspuren generiert.“ Die Arbeit sei nach fast 28 Jahren Liegezeit der Toten zwar schwierig, „aber wir bleiben dran“, erklärte Beer. Wie diffizil sich die Ermittlungen gestalten, zeigt allein der Umstand,wie lange es dauerte, den ursprünglich bei Kipfenberg gefundenen Oberschenkelknochen der Vermissten dem Namen Sonja Engelbrecht zuzuordnen. Erst als die Mutter der Schülerin im Oktober 2021 einige als Andenken aufbewahrte Milchzähne ihrer Tochter zur Verfügung gestellt hatte, war eine Klärung der Identität möglich.

„Wir haben eine DNA-Spurenlage“

Die Leiche der Schülerin war nach dem Verschwinden der 19-Jährigen im April 1995 in Plastikplanen eingewickelt worden, der Täter verwendete dazu auch Klebeband. Dann warf er sie in die Felsspalte bei Kipfenberg. Farbreste und andere Spuren deuten darauf hin, dass dieses Material zuvor bei Maler- und anderen Renovierungsarbeiten verwendet worden war. „Wir haben eine DNA-Spurenlage“, sagte Stephan Beer. Ob das gesicherte Erbgut aber tatrelevant ist, sei noch offen. Ein Abgleich mit der DNA-Datenbank blieb ohne einen Treffer, auch alle bisher als mögliche Täter geführten Personen passten nicht ins Spurenbild. „Wir haben keinen Tatverdächtigen und keinen Beschuldigten, nur Zeugen.“

Die Ermittler hoffen nun weiter auf Hinweise, wer im Raum Kipfenberg zwischen 1994 und 1995 Renovierungsarbeiten durchgeführt hat. Überreste einer blau-schwarzen Decke neben der verpackten Leiche könnten ebenfalls Licht ins Dunkel bringen, zumal es inzwischen ein identisches Vergleichsstück gibt. Sie zeigt ein Liebespaar auf einer Parkbank, rundherum befinden sich Blumen, Zweige mit Blättern und Vögel. Dieses recht auffällige Motiv dürfte dem einen oder anderen in Erinnerung kommen, sollte er jemanden kennen oder gekannt haben, der um 1995 ein solches Stück besessen und möglicherweise sogar in seinem Auto mitgeführt hatte. Stephan Beer bezeichnete es als Durchbruch, ein Vergleichsstück zu haben. Eine Frau aus Bayern habe sie der Polizei zwei Tage nach der ZDF-Sendung Anfang März geschickt. Über welche Kanäle oder Geschäfte die Decke damals vertrieben wurde, ist noch offen. Die Herstellerfirma gibt es nicht mehr.

Polizei: Mörder hat wohl Bezug zu Kipfenberg

Der Mörder hat nach Einschätzung der Polizei einen Bezug zu Kipfenberg, er hat dort womöglich gewohnt oder zumindest in der Gegend gearbeitet. Das abgelegene Leichenversteck an einer Felsenformation mitten im Wald deutet darauf hin, dass er sehr gute Ortskenntnisse besessen haben muss. Es soll sich um einen kräftigen Mann im besten Alter gehandelt haben, denn die Ablage der Toten war eine kräftezehrende Angelegenheit, wie eine Rekonstruktion der Polizei ergeben hat. Weshalb die Ermittler davon ausgehen, dass der Mörder wahrscheinlich auch danach noch mindestens einmal dort war, wie es in der „Aktenzeichen“-Sendung Anfang März hieß, bleibt vorerst offen.

In Kipfenberg brodelt derweil die Gerüchteküche. Es gibt viele Mutmaßungen, aber auch den konkreten Namen eines Verdächtigen – er war jedoch voriges Jahr bereits überprüft worden. Ein Zusammenhang zwischen ihm und dem mutmaßlichen Mord ließ sich nicht herstellen, hieß es am Dienstag.