Dokumentation
Uriger Asphaltcowboy aus der Oberpfalz

Sigi Reil ist der Held einer Serie des TV-Senders DMAX. Sie zeigt den bisweilen harten Alltag der Könige der Landstraße.

18.05.2018 | Stand 16.09.2023, 6:13 Uhr
Marion Lanzl

Stolzer Besitzer; Sigi Reil mit seinem „schwedischen Freund“, einem Scania-Edeltruck Foto: Lanzl

„10:15 Uhr Regensburg“, so beginnt die zweite Folge der siebten Staffel der Doku-Reihe des TV-Senders DMAX (jeweils Donnerstag ab 20.15 Uhr). Asphaltcowboy Sigi Reil, der waschechte Oberpfälzer König der Landstraße, nimmt die Zuschauer ein Stückchen mit in seinem prämierten Scania-Edeltruck.

Der Salon des Fernfahrers kann sich wahrlich sehen lassen: Champagnerfarbenes, gestepptes Leder, der Scania-Adler in die Türverkleidung gestickt, der Bordkühlschrank in Griffnähe, die farbliche passende Kaffeemaschine zum Einsatz bereit – der R500 lässt Truckerherzen höher schlagen. Alles ist bis ins letzte Detail ausgetüftelt, und die Schlafkoje mit dem Flachbildfernseher hat sich Sigi erst letztes Jahr neu umbauen lassen. „Man will es ja unterwegs auch bequem haben!“, schmunzelt der stattliche Mann.

Die hochgezogenen Auspuffrohre sind auf Hochglanz poliert, die Zugmaschine ist ein Musterexemplar eines Tuning Trucks. Doch nicht nur deshalb hat die Produktionsfirma der DMAX-Staffel „Asphalt Cowboys“ den smarten Oberpfälzer mit an Bord genommen. Er ist ein witziger Mann mit Charisma und bayerischem Lausbubencharme. „Eigentlich bin ich dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind!“, erzählt er.

Im Rasthof Berg, vor allem früher eine häufige Anlaufstelle auf seinen Touren zwischen Nürnberg, Passau und dem Bayerischen Wald, hat man Ausschau gehalten nach passenden „Typen“ für das TV-Format, und da passte Sigi voll ins Konzept. Nach etwas gutem Zureden hat er zugestimmt. Kameramann, Reporterin und Toningenieur hatte er bei den zwei- bis dreitägigen Dreharbeiten mit im Cockpit. „Das ist dann ganz schön eng!“, lacht der Brucker. Inzwischen werden viele Aufnahmen im Inneren mit installierten Minikameras gemacht. Ein Schauspieler wird der umtriebige Fernfahrer aber sicher nicht: „Alles muss man x-mal machen, viele Szenen noch mal drehen. Noch mal einsteigen, noch mal anfahren, noch mal denselben Text – bis alles im ‚Kasten‘ ist!“, das wäre auf Dauer nichts für den Powermann. Die Dreharbeiten sind für den selbstständigen Fernfahrer eine nette Abwechslung, mehr auch nicht.

Sieben Mautgeräte im Cockpit

Der Alltag auf den deutschen Straßen sieht anders aus. Manche Truckerkollegen haben heutzutage bis zu sechs, sieben Mautgeräte im Cockpit. Das Fernfahrer-Urgestein aus der Oberpfalz muss sich nur mit dem deutschen Mautgerät rumärgern, er fährt seit zwölf Jahren nur noch Nahverkehr, alles rund um den Bayerischen Wald.

Die Zeiten sind ruhiger geworden für den König der Landstraße. Aber die Doku pflegt auch das Klischee des harten Asphaltcowboys, inklusive Fahrt in den Sonnenuntergang, Dave Dudleys Musik und einsamen Nächten irgendwo im Nirgendwo – Highway-Romantik eben. Und tatsächlich singt unser Held der Landstraße auch seine Country-Schlager mit und zündet sich dabei eine Zigarette an.

Über 30 Jahre war Sigi auf den Straßen Europas zu Hause. In aller Herren Länder hat er mit seinem Truck Ware pünktlich und sicher ausgeliefert. England, Holland, Polen, Schweden und Luxemburg, Belgien, Frankreich, Italien, die Schweiz und Österreich hat er auf seinen Fahrten x-fach durchquert. Von den Weiten der ungarischen Puszta bis in die schottischen Highlands zum legendären Loch Ness hat ihn sein „Swedish Fellow“ gebracht.

Heute träumt Reil oft vom Orient und Asien, besonders wenn er die bunt lackierten Stahlcontainer am Terminal im Regensburger Hafen sieht: Saudi Arabien, Kuwait, Dubai und natürlich China. Seecontainer aus einer anderen Welt – das ist heute sein Hauptgeschäft. Diese eisernen Riesenboxen fährt Sigi mit seinem 40-Tonner ab Regensburg über 100 Kilometer nach Landau an der Isar. Schon an den großen Blockbuchstaben, die auf den Containern prangen, erkennt Sigi das Herkunftsland. Da kommt Fernweh auf, er schwelgt in Fernfahrerträumen: „Ein Freund von mir fährt Transporte bis fast nach China, der ist vier Wochen unterwegs. Die Strecke würde mich auch mal reizen!“, erklärt er mit glänzenden Augen, während eine der verplombten XXL-Blechdosen auf seine Ladefläche gehievt wird.

Diesel im Blut

46 Jahre ist der Urbayer jetzt auf der Straße unterwegs. Schon sein Vater war Fernfahrer, von ihm hat Sigi den Diesel im Blut. In diesen Jahren ist er allein mit seinem „schwedischem Freund“ rund 20-mal um die Erde gefahren, wenn man die bloßen Kilometer rechnet. Seine Zugmaschine hat rund 850 000 Kilometer auf dem Buckel. Doch das ist es nicht, was dem Truckerfahrer zusetzt: „So eine Zugmaschine schafft bei guter Pflege auch ein bis zwei Millionen Kilometer!“

Die Konkurrenz aus dem Osten macht den selbstständigen Fahrern und Subunternehmern das Leben schwer. Im Internet werden ganze Ladungen günstigst versteigert, da bleibt keine wirkliche Marge mehr. Die Meisten sehen nicht die harte Arbeit, sie sehen nur das Image der Fernfahrer-Romantik. Die Könige der Landstraße sind längst schon Knechte der Dumpingpreise und müssen nicht selten im Zweitjob dazuverdienen.

„Man müsste auf einen Knopf drücken können, um alle Lkw zum Stehen zu bringen, vielleicht würde man dann sehen, was wir täglich auf den Straßen der Welt leisten, dass ohne uns vieles nicht so selbstverständlich an Ort und Stelle wäre!“ grübelt Reil.

Beim Abladen ist Geduld gefragt, da hat Sigi Zwangspause. Nach einer gefühlten Ewigkeit, die zwei, manchmal aber auch vier Stunden dauern kann, sitzt Sigi Reil wieder in seinem Truck in Richtung Heimat und sinniert über das Leben: „Ich fühle mich immer noch wie 20 oder 30, aber in drei Jahren sollte ich eigentlich in Rente gehen!“