MZ-Serie
Mörder erbeutete einen Pfennig

Die großen Schlagzeilen Ostbayerns: Im November 1985 wurde Eva (10) in Weiden von einem Metzgerlehrling umgebracht.

18.02.2017 | Stand 16.09.2023, 7:20 Uhr
Fritz Wallner
Eva war ein begabtes junges Mädchen, das immer fröhlich war und wie auf diesem Bild gerne Theater spielte. Ein 17-Jähriger bachte sie 1985 grausam um. −Foto: Fotos: Archiv, Fritz Winter, Gabi Schönberger (2)

Der ehemalige Weidener Kripo-Chef Walter Fritsch ist ein Kriminaler alter Schule mit einer exzellenten Menschenkenntnis. „Wenn Du nur einen Funken Anstand im Leib hast, dann weißt Du, was Du jetzt zu tun hast“, sagte er an Silvester 1985 zu einem 17-jährigen Metzgerlehrling. Dann spielte er ihm ein Tonband vor. Darauf ist ein verzweifelter Vater zu hören, der der Polizei berichtet, dass er soeben seine zehnjährige Tochter blutüberströmt tot in der Wohnung gefunden hat. Der junge Mann, Anführer der Mofarocker-Gruppe „Soldiers“, bricht zusammen. „Ja ich wars“, gesteht er kleinlaut.

Verletzungen im Genitalbereich

Ein passendes Motiv für die Bluttat fand die Kriminalpolizei zunächst nicht. Die Familie war in Weiden bekannt und beliebt – der Vater als Fachlehrer und Künstler geschätzt und seine Frau ebenfalls als Künstlerin geachtet. In das noch im Umbau befindliche historische Ackerbürgeranwesen am Unteren Markt war die Familie erst vor kurzem gezogen. Im Erdgeschoss befand sich die Kneipe Harlekin – das Haus konnte sowohl von der Wirtschaft aus wie auch von einem separaten Hintereingang her betreten werden. Was den Ermittlern auffiel: Am Tatabend waren die Türen nicht abgesperrt. Möglicherweise hatte ein Untermieter es vergessen. Eva, die heute 38 Jahre alt wäre, galt als sehr intelligentes, freundliches, musisches Kind. Soeben war sie nach der Grundschule an das örtliche Augustinus-Gymnasium gewechselt. Feinde, so die Kripo-Erkenntnisse, hatte die Familie nicht. Auch große Wertsachen waren in dem Haus nicht zu holen.

Die Spürnase des Kriminalers

Ende des Jahres entdeckte Fritsch in den täglichen Routinemeldungen seiner uniformierten Streifenkollegen einen zunächst unscheinbaren Hinweis. Rund um Weiden hatte es mehrere Fälle von „Einschleichdiebstahl“ gegeben. Jedesmal waren Unbekannte in fremde, offen stehende Wohungen eingedrungen und hatten nach Wertsachen gesucht – die Diebstahlsbeute blieb jedesmal gering. Diesmal war in der Täterbeschreibung von einem jungen Mann die Rede, der einen schwarzen Woll-Ulster getragen hatte. Das ist die altertümliche Bezeichnung für einen grob gewebten Stoff, der nach der nördlichsten Provinz Irlands benannt ist. Er wohnte in einer Parallelstraße zum Diebstahlsort.

„Holt mir den jungen Mann mal rein, den schau ich mir an“, entschied Fritsch spontan. Es folgte eine Unterhaltung auf der Kripo-Dienststelle, die rund zwei Stunden dauerte. „Irgendwann hab ich instinktiv gewusst, das ist unser Täter“, sagt Fritsch. Beweise hatte er aber keine – außer der schwarzen Faserspur. Er nahm den „Soldier“ in die Mangel – packte ihn bei der Mofarocker-Ehre. Schließlich spielte er ihm das Tonband vor. „Mit dem Geständnis war für uns der Fall gelöst“.

Der Metzgerlehrling gestand, nach Geld gesucht zu haben. Zwei Geldkassetten hatte er aus dem Haus mitgenommen. Ihr Verschwinden war nach der Bluttat überhaupt nicht aufgefallen. Man fand sie in der elterlichen Wohnung. Inhalt: ein Pfennig.

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