Festival
Ein Film, der Schönheit definiert

Die diesjährige Kurzfilmwoche geht auf ungewöhnliche Weise zu Ende: Wegen Corona gab es eine virtuelle Preisverleihung.

18.03.2020 | Stand 16.09.2023, 5:10 Uhr

Schönheit liegt im Auge des Betrachters, das ist die Botschaft des gleichnamigen Preisträgerfilms von Daniel Alvarenga. Foto: Daniel Alvarenga

Kurz waren bei der diesjährigen Kurzfilmwoche nicht nur die Filme, sondern das gesamte Festival: Es war gerade erst zwei Tage gelaufen, da musste Festivalchefin Insa Wiese wegen der Coronakrise alle geplanten Veranstaltungen absagen. Für die Preisverleihung, die das Festival feierlich beschließt, hat Wiese eine unkonventionelle Lösung gefunden: Sie ging am Mittwochabend virtuell statt real über die Bühne: Auf Facebook war die Zeremonie, die Insa Wiese und Michael Fleig vom Organisationsteam der Kurzfilmwoche moderierten, vollständig virenfrei. Zwischen ihren Moderationen schalteten sie Preisträger und Jurys zu und spielten die Preisträgerfilme ein. Auf die Art der virtuellen Preisverleihung habe schon das Sonderthema der 27. Internationalen Kurzfilmwoche verwiesen, wie Insa Wiese anmerkte: „Living in a digital Age“.

„Das Coronavirus hat uns einen Strich durch das Festival gemacht, aber wir wollten unbedingt noch einen schönen Abschluss haben“, sagte Wiese. Die Jurys hatten per Skype-Sitzung ihre Favoriten diskutiert und gewählt. Insa Wiese sagte, durch das vorzeitige Ende gingen dem Festival rund 21000 Euro an Eintrittsgeldern verloren. Zudem orientierten sich Zuschüsse am Gesamtkapital des Festivals, das nun geringer ausfalle. Wiese hofft nun auf Solidaritätsspenden.

Die Mittelbayerische stiftet seit vielen Jahren bei der Kurzfilmwoche zwei gleichwertige Preise, die an Filmemacher aus Ostbayern gehen. Sie sind mit jeweils 500 Euro dotiert. Im Regionalfenster der Kurzfilmwoche hatten diesmal Niederbayern die Nase vorn: Daniel Alvarenga hat „Schönheit“ gedreht. Er stammt aus Beratzhausen, wohnt aber im Landkreis Passau. Alvarenga, der auch lange in Regensburg gelebt hat, arbeitet bislang nur hobbymäßig an seinen Filmen, was man dem inhaltlich ausgefeilten und technisch versierten Streifen nicht ansieht: Die Regionalfenster-Jury aus Annette Ebmeier, Raphaela Herzog und Clemens Rudolph feierte Alvarengas elfminütigen Film „als Genuss von künstlerischer und technischer Qualität“.

„Ist denn in Sodom Schönheit?“, heißt es bei Dostojewski

„Schönheit“ ist eine Kurzfilm-Collage: Sieben Frauen schminken sich, posieren vor der Kamera oder reparieren ihr Fahrrad. Dabei zitieren sie Texte von der Antike bis zur Gegenwart: Von Thukydides, Dostojewski, Goethe, Marylin Monroe, Ada Christen oder Michel Houellebecq, die alle etwas zum Thema „Schönheit zu sagen hatten. In der Zusammenschau von Texten und Bildern tischt der Regisseur dem Betrachter auch Klischees auf – um diese gleich zu durchbrechen: Am Ende des Films legen die Frauen zu einem Schlagzeug-Solo von Alvarenga eine Art Kriegsbemalung auf. Die Botschaft: Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters. Um die Ambivalenz von Schönheit geht es nicht nur in den Bildern, sondern in den Texten: In Dostojewskis „Brüder Karamasoff“ heißt es: Was dem Verstande als Schmach erscheint, erscheint dem Herzen gewöhnlich als Schönheit. Ist denn in Sodom Schönheit? Glaube mir, für die übergroße Zahl der Menschen sitzt sie gerade in Sodom. Wusstest Du um dieses Geheimnis?“

Alvarenga sagt am Telefon: „Ich wollte wissen: Wer fühlt sich bemüßigt, zu definieren, was schön ist und was nicht?“ Er sei davon abgekommen, seinen Schauspielerinnen eigene Texte in den Mund zu legen, sonst hätte der Film nur seine eigene Meinung wiedergegeben: „Ich wollte aber ein breites Spektrum.“

Die Freiheit des Zuschauers

Der andere Regionalfensterpreis ging an ein Team von der Technischen Hochschule Deggendorf: Jonathan Schell, Tim Miller, Moritz Ströer-Karuga und Matthias Barth haben ihren Kurzfilm „Das Fenster“ im Rahmen eines Seminars im Fachbereich Medientechnik erarbeitet. In ruhigen Szenen und Schwarz-Weiß-Bildern zeigt er Maria im Haushalt arbeiten. Sie hört Geschrei aus der Wohnung über ihr. Dass es um häusliche Gewalt geht, wird am Veilchen der Nachbarin sichtbar, aber auch an Maria, die weiter werkelt, aber zunehmend nervös wirkt.

Die Jury lobte den großen Raum an Freiheit des Zuschauers, die eigenen Gedanken zu dem Drama der Protagonistin als auch zu dem hörbaren und nicht sichtbaren Drama der Nachbarn zu entwickeln – und das vollkommen ohne Dialoge. In der Mutter eines Kommilitonen hatten die Filmstudenten eine großartige Laiendarstellerin gefunden, erzählt Jonathan Schell, der aktuell an seiner Masterarbeit schreibt. Das Team habe sich bewusst für die Schwarz-weiß-Optik entschieden, um die Aufmerksamkeit des Zuschauers noch stärker auf das Innenleben der Hauptfigur Maria zu richten, erklärte er.

Der Hauptpreis im Internationalen Wettbewerb, der BR-Kurzfilmpreis, ging an den Film „Bab Sebta“ der marokkanischen Filmemacherin Randa Maroufi. Die internationale Jury urteilte: „Dieser Film ist ein starkes Statement in einer Zeit, in der Grenzen und Mauern wieder in Mode sind.“

Der Preis der Stadt Regensburg ging an „Acadiana“ von Guillaume Fournier, Samuel Matteau und Yannick Nolin aus Kanada. Der Candis-Preis der Firma Schmack im Deutschen Wettbewerb wurde an „Brand“ von Jan Koester und Alexander Lahl verliehen. Darin geht es um Rassismus. Die deutsche Jury aus Sarah Adam, Sascha Keilholz und Isabell Spengler hob die aktuelle Brisanz hervor.

Ein Preis für Nachhaltigkeit

Den Max-Bresele-Gedächtnispreis wurde erstmals von Schmidl & Rotaplan Druck gestiftet. Er ging an Andreas Gruetzner für „Land der Gegenden“.

Rewag und das Stadtwerk Regensburg vergaben erstmals einen Nachhaltigkeitspreis. Die Jury teilte ihn auf unter „Where we use to Swim“ von Daniel Asadi Faezi und „Oro Blanco“ von Gisela Carbajal Rodriguez. Die Begründung: „Die Preisträger sind zwei sehr gute und überzeugende Arbeiten die sich inhaltlich ergänzen und sich mit industriell bedingten Landschaftsveränderungen und Umweltschäden auseinandersetzen.“

Die Architekturjury aus Alla Churikova, Andreas Eckl und Adnan Softic befand ebenfalls „Bab Sebta“ für preiswürdig. Den FFF-Förderpreis erhielt „Taiwaste“ von Patrik Thomas.