Kultur
Ein Regensburger erklärt Polen – mit viel Witz

22.02.2023 | Stand 15.09.2023, 1:31 Uhr
„Darüber lacht Polen“: Matthias Kneip erklärt, wie unsere Nachbarn ticken – mit kurzen Texten zu 72 Karikaturen seines Freundes Andrzej Mleczko. −Foto: altrofoto.de.

Man kann viel lachen und noch mehr lernen: Matthias Kneips neue Publikation über unsere Nachbarn. Am 23. März stellt er sich in Regensburg vor.

Was wissen wir über Polen? Drei Namen fallen den meisten Menschen wahrscheinlich schnell ein: Karol Jozef Wojtyla, der als Papst Johannes Paul II. hieß. Lech Walesa, der als Politiker und Solidarnosc-Führer den Friedensnobelpreis erhielt. Jaroslaw Kaczynski, der mächtige Vorsitzende der nationalkonservativen Regierungspartei PiS. Außerdem schießen vielleicht noch ein paar, überwiegend negativ besetzte Stereotype durch den Kopf. Aber sonst?

Unser Nachbar, das unbekannte Wesen: Matthias Kneip füllt viel Wissensdefizit nun mit einem Buch. „Darüber lacht Polen“ spaziert in 72 Karikaturen und Kurztexten durch Alltag und Gesellschaft, Kirche und Politik. Unterwegs zerbröselt Kneip – kundig, charmant und ausgefeilt formuliert – verkrustete Anschauungen.

Stimme des Vertrauens

Das dicke Plus: Der Regensburger Schriftsteller und Publizist, seit 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Polen-Institut in Darmstadt, kennt das Land nicht nur bestens. Er ist einer der bekanntesten Mittler polnischer Kultur in Deutschland, der lieber lernt als behauptet, der lieber Fragen stellt als Urteile fällt. Damit ist er in diesen aufgeregten Zeiten, in denen schwer zu sagen ist, wer mit welchen Aussagen welche Ziele verfolgt, eine Stimme, der man vertraut. Das wird in beiden Ländern geschätzt, wie seine Auszeichnungen – in Deutschland und in Polen – zeigen.

Korruption und Integration, Justiz, Kommerz und Kirche: Die Themen im Buch wiegen schwer, aber verhandelt werden sie mit Leichtigkeit und Humor. Matthias Kneip hat sich mit Andrzej Mleczko zusammengetan, einer lebenden Legende. „Den kennt in Polen jedes Kind“, sagt Kneip über den Zeichner und Krakauer Ehrenbürger. Der Regensburger nannte ihn in einem anderen seiner zahlreichen Polen-Bücher einen der „111 Gründe, Polen zu lieben“. Als er und Mleczko die Bilder für den Band aussuchten, lachten sie viel. Humor, ist Kneips Überzeugung, verbindet. Und worüber lacht Polen nun? Zum Beispiel über Gott, der sich in der Karikatur auf dem Buch-Cover weigert, einen Anruf aus Polen anzunehmen. „Irgendwie kann man den Herrgott ja verstehen“, schreibt Kneip im Text zum Bild, und gibt dann, auf einer knappen Seite und so kompakt wie kenntnisreich, Einblick in eine Gesellschaft, in der sich das Wertekarussell gerade selbst überholt und viele gesellschaftliche Gruppen viele konträre Wünsche haben.

Der Kampf ums Rechthaben

„Guten Tag, Herr Richter!“: Ein Mann lupft seine Schiebermütze und grüßt einen Herrn, der Maulkorb trägt, ausgeliehen von seinem Hund, der vor ihm hertrottet. Mleczko spießt in der Karikatur den „Maulkorberlass“ von 2020 auf. Denn in Polen tobt der Kampf ums Rechthaben und Rechtsprechen und um die Meinungsfreiheit von Richtern, wie die PiS sie versteht.

„Unser oft negatives Bild von Polen“, sagt Kneip im Gespräch mit der Mediengruppe Bayern, „ist geprägt von Dingen wie dem Streit in der EU, der Forderung nach Reparationszahlungen, der Kritik an der PiS-Politik. Dabei hat die PiS, auch das muss man sehen, viele Reformen durchgesetzt und das Leben für viele Menschen im Land erleichtert.“ Ihm ist die Meinung über Polen „oft zu schnell da“, sagt Kneip. „Und man kann ja nicht alle Polen für verrückt halten, weil sie diese Regierung gewählt haben.“

Die eine Seite sehen und die andere nicht ignorieren: Diese Haltung ist typisch für den Kulturvermittler, der regelmäßig Polen-Reisen leitet. „Wenn wir nur in Länder in Urlaub fahren wollten, in denen uns die Politik gefällt, wird’s schwierig – auch mit dem Heimaturlaub.“

Mit Tricks gegen Gesetze

Die Lust, Gesetze, egal wie akribisch formuliert und wie drakonisch sanktioniert, trickreich zu umgehen, ist mehrfach ein Thema im Buch. Auf einem Blatt tanzt eine Frau, bis zu den Knöcheln verhüllt, in einem Club an der Stange. Ein Mann im Vordergrund sagt: „Wir verbieten Go-go-Tanzen nicht. Wir führen nur eine kleine Einschränkung ein.“

Polnisch ist eine schwere Sprache: Das ist noch so ein Stereotyp, das Kneip abklopft. Wer ein Zischen und Spucken wahrnimmt, hat sein Urteil schon gefällt. Die Menschen in Polen machen sich über das Vorurteil auf ihre Art lustig. Sie lassen Fremde gern einen Zungenbrecher nachsprechen und amüsieren sich köstlich über den missglückten Versuch.

Eine Lesung und eine Reise

Das Buch:„Darüber lacht Polen. Eine Landeskunde in 72 Karikaturen und Texten“ ist im Regensburger Verlag Friedrich Pustet erschienen, hat 152 Seiten und kostet 20 Euro. Den Karikaturen von Andrzej Mleczko stellt Matthias Kneip prägnante Kurztexte gegenüber.

Die Lesung:Der Schriftsteller und Polen-Kenner Matthias Kneip stellt den Band am 23. März (19.30 Uhr)vor, in der Buchhandlung Pustet (Gesandtenstraße in Regensburg). Die Veranstaltung wird musikalisch umrahmt von Robert Seitz. Der Eintritt ist frei.

Die Reise:Unter dem Titel „Polens Klassiker“ führt Matthias Kneip von 15. bis 21. Juli zu Polens Kulturmetropolen Krakau und Breslau, mit Stopps unter anderem in Görlitz und Tschenstochau. Alle Details: bei www.m-tours.de, Telefon (09 41 ) 29 70 80.