Regensburg
Fünf nach zwölf strömen die Menschen in die Kirche

10.10.2022 | Stand 15.09.2023, 3:24 Uhr
Andreas Meixner
Opulente Besetzung: Zum fünften Geburtstag erklang in Niedermünster die Krönungsmesse von Mozart. Zum Zehnjährigen gratuliert am 15. Oktober Antonio Vivaldi. −Foto: Juan Martin Koch

Zum samstäglichen Mittagsgeläut füllt sich die ehrwürdige Niedermünsterkirche in Regensburg. Ein bunt gemischtes Publikum strömt in die Kirchenbänke. Wer weit vorne sitzen möchte, sollte nicht zu spät kommen.

Für viele Menschen ist die Mittagsmusik ein Fixpunkt im Wochenlauf, ein geliebtes Ritual für Freunde und Familien. Der Eintritt ist frei, am Ausgang steht ein Spendenkörberl. Immer fünf nach zwölf wird man für eine halbe Stunde raus aus dem Trubel geholt – und hinein geführt in die Ruhe und Kontemplation eines Kurzkonzerts. Jeden Samstag gibt es ein völlig anderes Programm zu hören, immer treten andere Künstler auf. Viel bunter könnte das Gebotene nicht sein.

Alle Genres der Musik sind zu erleben: Kirchen- oder Kammermusik, Weltmusik, Experimentelles oder Avantgardistisches. Profis, Nachwuchskünstler und Laienensembles teilen sich das Format, alle schätzen die Möglichkeit eines kompakten, 30-minütigen Auftritt vor einem stets offenen und dankbaren Publikum.

Die Idee entstand vor gut 20 Jahren. Der damalige Kirchenmusiker Thomas Götz und Dompfarrer Hermann Hierold riefen die Reihe ins Leben, um einen regelmäßigen meditativen Impuls zu setzen und junge Musiker an die Innenstadt-Pfarrei zu binden. Das Konzept bewährte sich schnell und die Reihe avancierte über die Jahre zu einem Eckpfeiler im städtischen Kulturleben.

In Frühjahr 2012 drohte jedoch das Aus. Die Kirchengemeinde sah sich nicht mehr in der Lage, die Position der Kirchenmusikerin, die zuletzt auch für die Organisation der Mittagsmusik verantwortlich war, im gewohnten Umfang weiter zu finanzieren – und kürzte drastisch.

Die Rettung kam mit der Gründung des heutigen Trägervereins „Mittagsmusik in Niedermünster e. V.“ durch eine Gruppe von engagierten Musikern, Gemeindemitgliedern und Freunden der Reihe. Der Verein entwickelte innerhalb kurzer Zeit, auf viele Schultern verteilt, eine straffe Struktur, schuf einen informationsreichen Internetauftritt und sorgte für klare Kommunikationswege. Dies war schnell der fruchtbare Nährboden, die Mittagsmusik nicht nur am Leben zu halten, sondern in eine neue Blüte zu führen.

Aus der Reihe ist ein einzigartiger gesellschaftsumfassender Kultur-Treffpunkt geworden. Die Menschen verabreden sich vor, zur oder nach der Mittagsmusik, und wer allein kommt, wird schnell bekannte Gesichter treffen oder neue kennenlernen. Und die Künstler fragen früh an, die Termine sind begehrt und über Monate hinaus bereits vergeben.

Während der Pandemie kam die Reihe – wie das gesamte kulturelle Leben – zum Erliegen oder musste in Zwischenphasen mit strengen Hygiene- und Abstandsregeln kämpfen. Erst seit diesem Sommer ist wieder ein halbwegs normaler Konzertbetrieb möglich. Und die Menschen kommen! Noch zögerlich und nicht ganz in der Zahl wie vor zwei Jahren, aber sie werden wöchentlich mehr.

Am 15. Oktober feiern der Verein und die drei Vorsitzenden Rolf Stemmle, Stadtpfarrer Roman Gerl und Juan Martin Koch das zehnjährige Bestehen mit einer festlichen Mittagsmusik. Antonio Vivaldis „Gloria“ für Chor, Soli und Orchester steht auf dem Programm. Es musizieren Vereinsmitglieder, Künstler aus der Region und Sänger aus den Reihen der Konzertbesucher. Mehr Gemeinschaftssinn geht nicht!