Kultur
Im Andreasstadel: Mensch und Natur im Wechselspiel

23.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:33 Uhr
Michael Scheiner
„The artist ist still present“: Michaela Schmid (l.) und Lilly Peithner im Andreasstadel. Die Ausstellung ist am Galerienabend bis 23 Uhr zu sehen. −Foto: Scheiner

Weil sie aus den Bildern von Michaela Schmid verschwunden, vielleicht sogar verbannt sind, haben sie sich über Lilly Peithner Zugang zur Ausstellung im Andreasstadel verschafft: Menschen!

Vier Figuren haben auf Sockeln Platz genommen, liegend, sitzend oder kauernd, in Beton und Bronze gegossen. Nackt, dabei nicht entblößt, nehmen sie interessiert am Geschehen um sie herum teil, ohne sich damit gemein zu machen. Lilly Peithners Plastiken strahlen ihre eigene Würde aus. Ihre Figuren tragen ihre Nacktheit so selbstverständlich wie wir unsere Kleidung.

Wenn die Figuren entspannt auf einem felsigen Untergrund liegen, verschmilzt der Körper stellenweise nahezu mit dem Boden, bei „Homo Panthera“ etwa, einem Werk, das auf eine antike Legende zur jungfräulichen Geburt Jesu anspielt. Schrammen, Risse und Schraffuren, die beim Bearbeiten mit einem groben Hammer entstanden sind, weisen auf die kreatürliche Natur des Menschen hin, die Botschaft: Der Mensch ist eigenständig, aber keineswegs losgelöst von der natürlichen Umwelt.

Michaela Schmid, Stipendiatin mit Atelier im Andreasstadel, hatte Peithner eingeladen, mit ihr in der Reihe „The artist is still present“ in der Stadelgalerie auszustellen. Im Werk von Schmid taucht der Mensch, das widersprüchliche Wesen, erst gar nicht auf. Zumindest nicht in als Wanderer oder Holzarbeiter in Wäldern und Auen. In den vorwiegend kleinformatigen Gemälden drängt er sich nur mit typischen Artefakten – Schaukel, Camping-Zelt, einer Hausmauer oder einem Topf gepflanzter Tomaten – ins Bild. Auf leisen Sohlen betritt er die Welt von Michaela Schmid, die sich in natürlicher Erhabenheit und in kraftvoll-expressiven Farben entfaltet, und versetzt sie in latent vibrierende Spannung. Sein Einwirken scheint eher störend, nicht als Teil der Natur. Im Hintergrund droht bereits das menschengemachte Desaster: in abgestorbenen oder zerstörten Wäldern. Noch aber dominieren Ruhe und Aufgehobensein.

Starke Farbkontraste, das lebhafte Spiel von Licht und Schatten und leicht abstrahierte Formen prägen die Bilder. „Natur hat mich schon immer mehr interessiert als Menschen“, erläutert die Künstlerin, die aus Dachau stammt und vor Studium und Masterabschluss Bankkauffrau lernte.

Drei Tage stellen Michaela Schmid und Lilly Peithner in der Stadelgalerie aus. Die Kurz-Schau gleicht einem Speed-Dating der Kunst: Die Ausstellung wird mit weiteren Atelierkünstlerinnen und Gästen wochenendweise bis zum Dezember fortgesetzt. Am Galerienabend sind die eindrucksvollen Arbeiten von Schmid und Peithner unbedingt einen Stopover wert: Das Atelier ist am 24. September bis 23 Uhr geöffnet.