Kultur
Wer singt, ist weniger allein – Filmpremiere bei Cinema Paradiso

31.08.2022 | Stand 15.09.2023, 3:54 Uhr
Michael Scheiner
Wer den berühmten Chorleiter Simon Halsey in einer Probe erlebt, möchte sofort mitsingen. −Foto: uhek/Neue Visionen Filmverleih

Die Kulturdatenbank Regensburg listet 16 Chöre; samt Singkreisen, Schul- und Kirchenchören dürften es mehr als 30 Chöre sein, die in der Welterbestadt aktiv sind – genug, um Kinosäle zu füllen. Zur Regensburger Premiere des Musikfilms „Unsere Herzen – ein Klang“ allerdings kamen nur wenige musikbegeisterte Kinogänger an den Unteren Wöhrd; die aber gerieten sichtlich in den Bann der Doku.

Die Regisseure Simone Dobmeier und Torsten Striegnitz machten auf der Preview-Tour bei Cinema Paradiso Station, zum Finale der Reihe. Der Film stellt die durchaus unterhaltsame Arbeit des Stardirigenten Simon Halsey und zweier Chorleiterinnen in den Mittelpunkt und fängt die Magie des Singens ein. Gesungen wird im Film viel, aber immer nur kurz. „Our Passion“ klingt es zu Beginn mit Nachdruck aus dem Off. Das Bekenntnis zur Leidenschaft gibt auch schon die Richtung der Doku vor.

Auf der chor.com, dem jährlichen Get-together der deutschen Chorszene, treffen die angehende Dirigentin Hyunju Kwon und die Sängerin und Pädagogin Judith Kamphues in einer Masterclass für Chordirigenten auf Simon Halsey. „Es gibt keine Master“, behauptet der britische Star nonchalant und lässt mit lässigem Gestus seinen Chor allein singen, ohne Leitung. Eine hohe Messlatte einerseits, andererseits der Beweis für das Vertrauen in die musikalischen und emotionalen Fähigkeiten der Singenden.

Die Kamera begleitet die drei Hauptakteure in Proben, bei der Vorbereitung großer Projekte, zuhause im privaten Rahmen und – was einen besonders intensiven Einblick schenkt – während der Pandemie-Jahre. Das Singen, von dem eine stärkende und heilende Kraft ausgeht, wurde plötzlich zur potenziell tödlichen Bedrohung. „Ich hasse Technik und will euch endlich wieder richtig treffen“, seufzt eine Sängerin während einer Online-Probe. Man kann sie verstehen. Später, als sich die Sängerinnen bei einem Workshop endlich wieder in den Armen liegen und voller Hingabe ihrer Leiterin in die stillen Ecken der Musik und zum Crescendo bis zum laut jubelnden vollen Klang der Stimmen folgen, leuchten die Gesichter.

Auch im Gesicht der koreanischen Chorleiterin lässt sich viel ablesen – glückliche Momente, Erschöpfung, volle Konzentration. In Kommentaren zeigt sie auch, wie einsam ein Chorleiter sein kann, der zwar die volle Verantwortung trägt und Sänger zu Höchstleistungen führen soll, aber am Ende einer Probe, eines Auftritts, nicht am Gemeinschaftsgefühl teilhaben kann. Im Fall von Hyunju Kwon hat die Einsamkeit auch mit ihrer Herkunft und der koreanischen Kultur zu tun. „Wenn du in der Klasse nicht die Beste bist, hast du verloren“, beschreibt sie den ungeheuren Konkurrenzdruck, der alle Lebensphasen prägt.

Die Regisseure Simone Dobmeier und Torsten Striegnitz rücken in ihrer Dokumentation das Zusammenspiel zwischen Chorleiterinnen und -leitern und Chören ins Zentrum. Sie spüren den Interaktionen nach und zeigen die unglaubliche Leistung, die die Dirigenten erbringen, um die Fähigkeiten aus den Menschen herauszuholen, die in ihnen stecken.

Ab 22. September, wenn „Unsere Herzen – Ein Klang“ offiziell in die Kinos kommt, laden der Deutsche Chorverband und der Filmverleih Chöre in ganz Deutschland dazu ein, die Freude am gemeinsamen Singen mit dem Kinopublikum zu teilen. Interessierte Ensembles können sich beim Filmverleih melden und werden mit einem lokalen Kino verknüpft. Ist ein Termin gefunden, schauen sich Chor und Kinopublikum gemeinsam den Film an – und singen.