Experten-Meinung
„Nein zu Impfpflicht für Pflegekräfte“

Wir sollten auf Information und leichten Zugang zu Impfungen setzen, meint der Autor. Eine Pflicht unterstützt er nicht.

21.09.2021 | Stand 16.09.2023, 0:19 Uhr
Andreas Westerfellhaus
Andreas Westerfellhaus ist Pflege-Experte. −Foto: Bernd von Jutrczenka/picture alliance/dpa

Andreas Westerfellhaus ist der Pflegebeauftragte der Bundesregierung. Ihm zufolge sollte es keine Impfpflicht für Pflegekräfte geben. Im Interview erklärt er warum.

Die Corona-Pandemie war eine große Belastung für Pflegekräfte. Wie ist die Arbeitssituation?

Zurzeit ist die Situation beherrschbar, dennoch schauen Pflegekräfte mit Sorge auf den Herbst. Die meisten Pflegenden haben wenig Verständnis dafür, dass Deutschland keine ausreichende Durchimpfung in der Bevölkerung hat. Ich appelliere daher an alle, sich zeitnah impfen zu lassen.

Die Impfquote stagniert, Impfpflichten werden immer wieder diskutiert. Wie stehen Sie zu einer Impfpflicht für Pflegekräfte?

Aus dem Berufsethos der Pflegekräfte heraus erwarte ich, dass die Menschen mit Pflegebedarf geschützt werden. Dazu gehört auch die Impfung. Eine Diskussion über eine Impfpflicht halte ich zum jetzigen Zeitpunkt aber weder für sinnvoll noch für nötig. Wir sollten weiter auf Information und leichten Zugang zu Impfungen setzen. Ich halte es aber für richtig, dass Arbeitgeber fragen dürfen, wie wir es gerade auch für die Pflege durchgesetzt haben, ob jemand geimpft ist, damit ungeimpftes Personal nicht mehr den direkten Kontakt zu den Pflegebedürftigen hat.

Wäre eine Impfpflicht zu einem späteren Zeitpunkt die richtige Option, wenn die Impfquote nicht hochgetrieben werden kann?

Wir erleben, dass zum Beispiel in Frankreich so eine Impfpflicht gegen erheblichen Widerstand durchgesetzt wird. In einer Pandemie sind Aussagen für einen späteren Zeitpunkt immer schwierig. Aus der Perspektive von heute setze ich weiterhin auf eine gut informierte freiwillige Entscheidung für die Impfung.

Seit Corona hat der Arbeitsstress für Pflegekräfte zugenommen. Fürchten Sie, dass noch mehr Pflegekräfte ihren Job verlassen?

Die Arbeitsbelastung hat sich in der Corona-Krise verschärft. Wenn Pflegekräfte den Beruf verlassen oder in Teilzeit wechseln, weil sie nicht mehr können, verschärft es das Problem des Fachkräftemangels. Mehr Personal ist dringend nötig. Von Seiten der Bundesregierung haben wir viel getan, damit dies vor Ort, ob im Krankenhaus oder in der Langzeitpflege, gelingen kann. Wir haben für die Bezahlung zusätzlicher Stellen ohne wenn und aber im Krankenhaus gesorgt, fördern familienfreundliche Arbeitsbedingungen im der Pflegeeinrichtung, haben die Ausbildung modernisiert und dafür gesorgt, dass sie gut bezahlt wird. Jetzt müssen vor Ort die vorhandenen Instrumente genutzt werden.

Was muss in der nächsten Legislaturperiode passieren?

Die Ausbildung der Pflegeassistenten sollte vereinheitlicht werden - das muss im Zusammenspiel mit den Ländern erfolgen. Wir haben in 16 Bundesländern unterschiedliche Ausbildungszeiten. Einheitliche Verfahren sind also notwendig. Geklärt werden sollte auch, was Assistenten, Pflegefachpersonen und akademisch ausgebildete Pflegekräfte überhaupt dürfen. Es würde alle in der Pflege Tätigen berufszufriedener machen, wenn sie entsprechend ihrer erlernten Kompetenzen eingesetzt werden würden. (rnd)

Experteninformation: Andreas Westerfellhaus (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa) ist der Pflegebeauftragte der Bundesregierung.