Grandioser Konzertreigen
Regensburger Musikverein feierte Jubiläum

07.05.2024 | Stand 10.05.2024, 13:18 Uhr
Gerhard Dietel Dr.Dr.

Die Vorstandschaft stößt an: Bernhard Mayer (Beirat), Ursula Hüfner (stellvertretende Vorsitzende) Franziska Rothfritz-Deutsch (Beirätin), Richard Kattan (Schatzmeister) und der Vorsitzende Dietrich Scheible (von links). Foto: Tino Lex

Fünf Glanzlichter zum 175. Geburtstag: Auch Herausforderndes war beim Jubiläum zu hören, genau wie es dem Profil des Vereins entspricht.

Wenn man auf das Zeitgeschehen der letzten 175 Jahre blicke, könne einem grauen. Da brauche es die Kunst und speziell die Musik als Gegenentwurf. So äußert sich Dietrich Scheible, Vorsitzender des Regensburger „Musikvereins“, welcher heuer eben diese Zeitspanne lang existiert. Ein ganzes Wochenende lang feierte der Verein dieses erstaunliche Jubiläum mit fünf hochkarätigen Konzerten. Wer meinte, die Veranstalter würden zum Festanlass auf ein reines Wohlfühl-Programm setzen, sah sich getäuscht. Zum Profil des Musikvereins gehört es schon immer, auch Herausforderndes zu präsentieren. Und so war beim Festival im Lappersdorfer Aurelium einmal kein Haydn zu hören, dafür waren mit Alban Berg und Anton Webern Komponisten der „Zweiten Wiener Schule“ jeweils doppelt vertreten.

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Den fulminanten Auftakt gestaltete das Schumann-Quartett, ein Fast-Familien-Ensemble aus drei Brüdern nebst dem Bratscher Veit Hertenstein. Mit Beethovens Spätwerk op. 127 präsentierten sie wohl Klassisches, doch volle Konzentration Beanspruchendes. Noch fordernder, für Spieler wie Zuhörende: Alban Bergs op. 3 mit seinen subtilen Klanggespinsten und permanenten Gestaltwechseln: eine Musik des Aufbruchs in Neuland noch gut hundert Jahre nach ihrer Entstehung.

Den Meister-Musikern von heute folgten beim Auftritt diverser Kammermusikensembles des Bayerischen Landesjugendorchesters jene von morgen. Dietrich Scheible und die zweite Vorsitzende Ursula Hüfner waren sich nicht zu schade, selbst Stühle und Pulte auf der Bühne zu arrangieren, um den jungen Musikern zwischen 15 und 21 Jahren optimale Bedingungen zu schaffen. Die lohnten es mit erstaunlich abgeklärten Auftritten auf vielfach bereits professionellem Niveau und wagten sich – in Auszügen – an Schwergewichtiges wie Ravels klangsinnlich gestaltetes Streichquartett oder das von Waldromantik erfüllte Horntrio von Brahms, an Schuberts dynamisch und agogisch wunderbar ausgefeiltes C-Dur-Streichquintett und das halb von Lamento-Ton erfüllte, halb manisch kreisende c-Moll-Streichquartett von Schostakowitsch. Aufhorchen ließ auch der butterweich intonierte Klarinettenpart in Mozarts Quintett KV 581. Vielen der Ausführenden leuchtete die Freude am Musizieren und am Auftreten vor Publikum aus dem Gesicht. Wenn man sieht, wie viele gute junge Kammermusiker nachwachsen, braucht man wenigstens von dieser Seite her keine Bedenken haben, dass der Musikverein gelassen auf das 200. Jubiläum vorausblicken kann.

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Geistsprühend und formulierungsgewandt fragte in seinem Festvortrag der Kulturjournalist Michael Thumser, frei nach Schiller, „Was heißt und zu welchem Ende spielt man Kammermusik?“. Sind Kammermusikwerke gelegentlich auch „intime Briefe“? So überlegte er unter anderem, passend zu Janáceks so betiteltem zweiten Streichquartett, das zuvor erklungen war, vom Signum Quartett hochexpressiv interpretiert, mehr an Wahrheit als an Schönheit orientiert, und mit schonungslosem Körper- und Instrumenteneinsatz, bei dem glücklicherweise nur ein Bogenhaar auf der Strecke blieb. Für anschließende Entspannung war gesorgt, als das Quartett zusammen mit Alexander Lonquich am Flügel Dvoráks ausladendes A-Dur-Klavierquintett op. 81 schwelgerisch in Szene setzte.

Weiteres Glanzlicht: die sonntägliche Matinee mit der Ausnahme-Klarinettistin Sharon Kam, die zusammen mit Julian Steckel (Violoncello) und Aris A. Blettenberg (Klavier) Ludwig van Beethovens oft gering geschätztes „Gassenhauer-Trio“ zum funkelnden Edelstein polierte. Neben dem Ernst – in Gestalt von Brahms’ spätem a-Moll-Trio - ließen die drei auch den Humor nicht zu kurz kommen: im burlesken Finale von Nino Rotas „Allegro giusto“. Weitere prominente Gäste dann zum Schluss: die acht Musiker des aus Mitgliedern der Berliner Philharmoniker bestehenden „Scharoun Ensembles“, die auf höchstem Niveau Oktette von Hindemith und Schubert musizierten. Bei allem Grauen, welches das heutige Zeitgeschehen erregt: Schuberts traumhaft schön gestaltetes Oktett ließ wenigstens für eine Stunde den Himmel auf Erden entstehen.