Drogen
Pablo Escobar und sein langer Schatten

Der mächtige Chef des Medellín-Kartells starb vor 25 Jahren bei einem Polizeieinsatz. Seine Nachfolger arbeiten verborgen.

01.12.2018 | Stand 16.09.2023, 5:54 Uhr
Denis Düttmann

Medellin, Dezember 1993: Polizeibeamte und Journalisten umringen die am Boden liegende Leiche des kolumbianischen Drogenbosses Pablo Escobar. Er war einer der mächtigsten Drogenbarone aller Zeiten. Foto: epa/dpa

Pablo Emilio Escobar Gaviria war ein krimineller Großunternehmer mit einer mehrere Tausend Mann starken Privatarmee, einer eigenen Flugzeugflotte und prunkvollen Villen in Miami und Kolumbien. In seinen letzten Minuten aber war der mächtige Kartell-Boss ganz allein. Vor 25 Jahren trafen den Drogenhändler auf den Dächern über Medellín nach einer Verfolgungsjagd mehrere Kugeln in Rücken und Kopf. Mitglieder der Spezialeinheit der kolumbianischen Polizei posierten danach mit der Leiche.

In Kolumbien hat der Name des legendären Drogenhändlers noch immer einen Ruf wie Donnerhall. Die einen verehren den früheren Chef des mächtigen Medellín-Kartells als eine Art südamerikanischen Robin Hood, die anderen sehen in ihm das personifizierte Böse. „Die Geschichte wird noch zu oft aus der Sicht der Täter erzählt und wir haben es versäumt, die Opfer und Helden zu ehren“, sagt Medellíns Bürgermeister Federico Gutiérrez im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Touristentour auf den Spuren Escobars

In der Millionenmetropole im Zentrum des reichen Departamento de Antioquia bieten findige Tourismusunternehmen Touren auf den Spuren von Escobar an. Die Urlauber können das Grab des Kartell-Bosses besuchen sowie Escobars Privatzoo Hacienda Nápoles, sein Wohnhaus Mónaco und das extra für ihn eingerichtete Gefängnis Catedral. „Wir verherrlichen Escobar nicht, wir erzählen die Geschichte der Stadt“, sagt Manuel Garcés, Besitzer der Tourismusfirma Epic Tours.

Ein liebevoller Vater

Zu Hause war der Kokain-Magnat offenbar ganz anders. „In meiner Familie hat es nie an Liebe gemangelt“, sagte sein Sohn Juan Pablo Escobar einmal. „Er ist sehr liebevoll mit seinen Kindern und seiner Frau umgegangen. Aber mir ist bewusst, welchen Schmerz er in anderen Familien hinterlassen hat.“

Unter der armen Bevölkerung war Escobar teilweise sehr beliebt. Er baute Krankenhäuser, Schulen sowie Sozialwohnungen und verteilte Bargeld in den Slums. „Morgens war er gut und abends war er schlecht. An einem Tag hat er Autobomben gelegt und nachmittags hat er den Armen zu essen gegeben. Morgens hat er einen Minister ermorden lassen und dann hat er Medikamente an die Alten verteilt“, sagt Uberney Zabala, Chef der Nachbarschaftsvereinigung in dem von dem Drogenboss gebauten Viertel „Pablo Escobar“ in Medellín.

1982 ließ sich Escobar für die Liberale Partei sogar in den Kongress wählen. Als die Sicherheitskräfte allerdings immer härter gegen sein Medellín-Kartell vorgingen, erklärte er dem Staat den Krieg. Er ließ den Justizminister Rodrigo Lara und den Präsidentschaftskandidaten Luis Carlos Galán töten sowie Bombenanschläge auf die Redaktion der Zeitung „El Espectador“ und den Sitz des Geheimdienstes DAS verüben. Bei einem Bombenanschlag auf eine Verkehrsmaschine der Fluglinie Avianca kamen 1989 mehr als 100 Menschen ums Leben.

Nach Escobars Tod verlor das Medellín-Kartell schnell an Einfluss, auch das konkurrierende Cali-Kartell wurde bald darauf zerschlagen. Die Wertschöpfungskette im Kokaingeschäft hat sich seitdem umgekehrt. Während früher die Kolumbianer das große Geld verdienten und sich die Mexikaner als Laufburschen mit den Resten zufriedengeben mussten, ist es heute genau umgekehrt. Zudem haben die kolumbianischen Drogenhändler dazugelernt. Escobar protzte mit luxuriösen Anwesen, schnellen Autos und schönen Frauen, die neue Generation versucht, möglichst unter dem Radar zu bleiben. „In vielen Fällen haben diese Leute gar keinen direkten Kontakt mit Drogen oder den kriminellen Netzwerken mehr“, heißt es in einem Lagebericht der Anti-Drogen-Abteilung der Polizei.

Der Kokain-Markt ist umkämpft

Seit dem Friedensvertrag mit der linken Farc-Guerilla vor zwei Jahren ist die kolumbianische Unterwelt heftig in Bewegung geraten. Verbrechersyndikate wie Los Rastrojos, Los Pelusos, Los Puntilleros, der Golf-Clan und Farc-Splittergruppen kämpfen um den lukrativen Kokain-Markt. Heute ist Dairo Usuga alias „Otoniel“ vom Golf-Clan der mächtigste Drogenhändler des Landes. Tausende Soldaten und Polizisten machen bei der Operation Agamenón Jagd auf den Verbrecherboss.

Die Jagd auf Escobar endete vor 25 Jahren auf einem Ziegeldach in Medellín. Sich zu stellen, kam für den stolzen Kolumbianer nie in Frage. Zu groß war seine Angst, in die Vereinigten Staaten ausgeliefert zu werden. „Lieber ein Grab in Kolumbien als eine Zelle in den USA“, sagte er einmal.

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