Corona
Impf-Nebenwirkungen: Ministerium twittert falsche Zahlen - Post geht viral

23.07.2022 | Stand 15.09.2023, 4:17 Uhr
Das Bundesgesundheitsministerium wollte mit einem Tweet Impf-Nebenwirkungen so transparent wie möglich machen - und hat sich dabei einen Bärendienst erwiesen. −Foto: Marijan Murat/dpa

Ein Tweet des Gesundheitsministerium hat diese Woche hohe Wellen geschlagen. Impfgegner teilten ihn zuhauf. Doch die veröffentlichten Zahlen waren falsch. Mittlerweile wurde der Beitrag gelöscht.



„Eine von 5000 Personen ist von einer schweren Nebenwirkung nach einer COVID19-#Impfung betroffen.“ Diese Nachricht schickte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am Mittwochabend ohne weitere Einordnung bei Twitter in die Welt. Binnen Stunden wurde der Beitrag - insbesondere von Impfgegnern - zehntausendfach geteilt, kommentiert und teils heftig debattiert. Mehrere Medien berichteten. Die veröffentlichten Zahlen waren in mehrerlei Hinsicht falsch.

Am Donnerstag korrigierte sich das BMG erst in mehreren Tweets - und löschte später auch die ursprüngliche Meldung. Dem ZDF erklärte Karl Lauterbachs Ministerium auf Nachfrage: „Es gab einen redaktionellen Fehler. Dieser wurde korrigiert.“ Die richtigen Zahlen sind seit Donnerstag auf dem BMG-Twitter-Account zu lesen: „0,2 Verdachtsmeldungen pro 1000 Impfdosen beträgt die Melderate ans @PEI_Germany für schwerwiegende Reaktionen.“

0,2 Verdachtsmeldungen pro 1000 Impfdosen

Der Unterschied zum ersten Tweet: Rechnet man die 0,2 Verdachtsmeldungen, die beim zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) pro 1000 Impfdosen eingehen, mal fünf, kommt man tatsächlich auf eine Meldung schwerwiegender Impf-Nebenwirkungen - allerdings pro 5000 Impfdosen, nicht pro geimpfter Personen. Zudem handelt es sich lediglich um Verdachtsfälle, nicht um tatsächlich Erkrankte: „Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung ist mit der Verdachtsmeldung noch nicht bestätigt“, erklärte das BMG in seinem Korrektur-Tweet vom Donnerstag.



Im aktuellen Sicherheitsbericht des PEI, aus dem die Zahlen des BMG stammten, heißt es, dass unerwünschte Reaktionen „oftmals im zeitlichen, nicht aber unbedingt im ursächlichen Zusammenhang“ mit einer Impfung gemeldet würden. Auch von „sehr stark fluktuierenden Meldefallzahlen, die mit neuen Berichten in den Sozialen Medien und auch anderen Berichterstattungen in Verbindung gebracht werden können“, ist die Rede.

Wie viele Impfnebenwirkungen gibt es wirklich?

Wie viele Menschen tatsächlich unter Nebenwirkungen leiden, ist also aus den vorläufigen PEI-Zahlen schwer ablesbar. Was feststeht: Bis Ende März 2022 wurden insgesamt 172 Millionen Corona-Impfdosen in Deutschland verabreicht. Von den im selben Zeitraum gemeldeten 296.233 Verdachtsfällen von Nebenwirkungen kam es in einem Prozent zu tödlichen Impfkomplikationen. In vier Prozent der bisher ausgewerteten Fälle manifestierte sich eine dauerhafte Schädigung.Fälle gibt es auch in der Region.



Für Impfgegner und Regierungsskeptiker war der Zahlen-Fauxpas des Gesundheitsministeriums gefundenes Fressen. Unter den korrigierenden Tweets des BMG kommentieren zahlreiche Twitter-Nutzer abstrus falsche Rechnungen und Verschwörungstheorien. Ein User meint deshalb: „Tolle Leistung. Genau das was die Querdenker jetzt brauchen. Das nächste Mal bitte vorher nachdenken.“

Kommunikationswissenschaftlerin kritisiert Tweets

Auch die Kommunikationswissenschaftlerin Veronika Karnowski kritisiert das BMG: „Die Kommunikation des Gesundheitsministeriums war in der Pandemie nicht immer die beste und klarste“, sagt sie dem ZDF. Für eine Behörde müsse es im Gegensatz zur Durchschnittsbevölkerung selbstverständlich sein, dass eine Meldung nicht mit einer konkreten Impf-Nebenwirkung gleichzusetzen sei.

„Das Problem war weniger der erste Tweet, denn Fehler passieren allen einmal“, sagt Karnowski. Schlimmer sei, dass der Fehler in der Korrektur erst nicht wirklich klargestellt wurde - „vor allem nicht in verständlichen Worten“. Das habe Tür und Tor offengelassen für die wildesten Spekulationen unter dem Tweet.