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Waldbrandexperte befürchtet nach Feuern Felsstürze in sächsischer Schweiz

28.07.2022 | Stand 15.09.2023, 4:13 Uhr
Prof. Dr. Michael Mueller, Technische Universität Dresden. −Foto: Technische Universitaet Dresden

Michael Müller, Professor für Waldbau und Waldschutz an der Technischen Universität Dresden, befürchtet nach den Bränden in der sächsischen Schweiz, starke Erosion und Felsstürze.



Muss der Wald von Zeit zu Zeit brennen, damit er gesund bleibt?

Michael Müller:Klares Nein. Waldbrände gehören in Deutschland nicht zur natürlichen Ökosystementwicklung. Das zeigt sich schon an der Seltenheit natürlicher Waldbrände durch Blitzschlag und dadurch, dass es keine Tier-, Pilz- und Pflanzenarten gibt, die auf häufige und große Brände eingestellt sind.

Und wo gehören Brände dazu?

Müller:In Nordamerika in den Red Woods oder Gelbkiefernwäldern, in Skandinavien mit seinen Kiefern und Birken, in Australien in den Eukalyptus-Wäldern. In diesen naturnahen Wäldern reichern sich Nadeln, Rinde, Äste auf dem Boden in großen Mengen an. Das muss regelmäßig abbrennen. Wird das verhindert, riskiert man umso größere Feuer. Deutsche Wälder sehen aber im Naturzustand anders aus. Bei uns sind aktuell viele Kiefernwälder betroffen, die auf Standorten stehen, wo Eichen oder Rotbuchen heimisch wären. Auf diesen Flächen produzieren die Kiefern viel Nadelmasse und lassen viel Bodenvegetation zu, die unnatürlich gut brennen.

Müssen wir Brände also verhindern, weil sie unnatürlich sind?

Müller:Ja, und weil sie Unmassen an Feinstaub, Treibhausgasen und Giften in die Luft abgeben. In einem deutschen Nationalpark bremst jedes Feuer die natürliche Entwicklung um Jahrzehnte aus. Ich fürchte, dass die Brände im Elbsandsteingebirge zu dramatischer Bodenerosion und Felsstürzen führen. Da ist ja kaum Humus, die Bäume stehen auf Fels. Anders sehe ich die Lage in den Kiefernwäldern etwa in Brandenburg. Dort gibt es Flächen mit hoher Munitionsbelastung. Hier muss man sich entscheiden, ob man Brände löschen oder aufgeben und laufen lassen sollte. Man muss aber auf jeden Fall die Menschen drumherum schützen.

Ist der Klimawandel schuld?

Müller:Damit macht man es sich vor allem leicht. Mehrere Wärmejahre in Folge gab es auch in der Vergangenheit. Der Verweis auf den Klimawandel lässt uns machtlos erscheinen. Aber wir sind in der Lage, die Wälder zu verändern, anzupassen. Der schon seit über 30 Jahre laufende Waldumbau wird weniger brandempfängliche Wälder hervorbringen. Wäre nicht der Mensch als Brandverursacher, gäbe es hierzulande fast nur seltene und kleine Blitzschlagbrände.

Falls die Trockenheit zunimmt, welche Bäume bleiben übrig?

Müller:Die Fichte wird es waldbildend nur noch dort geben, wo sie natürlicherweise vorkommt, in den hohen Lagen der Gebirge. Was mir viel mehr Sorgen macht, sind die Veränderungen bei den Rotbuchen. Sie stirbt auch vielerorts ab. Das ist lebensgefährlich. Denn die toten Buchen fallen einfach unter der eigenen Last in sich zusammen. Dazu braucht es nicht mal einen Windhauch.

Also Pinienwälder in Bayern?

Müller:Wir werden keine Pinienwälder haben. Wer so was sagt, verkennt, dass vielleicht die Temperaturen steigen, aber der Sonnenstand sich nicht ändert, das Verhältnis von Tag- zu Nachtstunden gleich bleibt und es weiter eiskalte Wintertage geben wird. Wir denken bei den Extremen zu sehr nur an Trockenheit und Hitze. Wir müssen aber auch an Wind, Erosion, Tiefsttemperaturen denken. Ohne andere Arten auszuschließen, sollten wir vorrangig die heimischen an den richtigen Standorten kultivieren.

Brauchen wir Löschflugzeuge bei der Brandbekämpfung?

Müller:Man kann mit Löschflugzeugen keinen Waldbrand löschen. Wir werfen das Wasser vorwiegend auf Baumkronen und sprechen da von ein bis zwei Liter Wasser pro Quadratmeter. Mit Löschflugzeugen kann man aber einem starken Feuer kurzzeitig die Energie rauben. Die Hitze und der Geräuschpegel des Feuers gehen dann schlagartig zurück. Dann können die Feuerwehren das entscheidende Bodenfeuer angreifen. Diese Effekte sind zudem eine moralische Unterstützung für die Feuerwehrleute.

Inwiefern muss man den Tierbestand in der Strategie mitdenken?

Müller:Das Schalenwild in den Wäldern ist der potenziell bedeutsamste biotische Schadfaktor, den wir haben, bedeutsamer als Borkenkäfer, Mäuse, Blatt- und Nadelfresser zusammengenommen. Das wollen viele nicht hören. Aber der Wildeinfluss ist vielerorts so groß, dass die natürliche Waldentwicklung verhindert wird. Wer Wald besitzt , muss sich stets entscheiden, was er oder sie unter den gegebenen Umständen will und wie man das erreicht. Deshalb plädiere ich dafür, die Waldbesitzer nicht nur für Holz zu entlohnen. Es braucht ein System das sie dafür bezahlt, die gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald zu erfüllen. Vom Holz über die Freizeiteinrichtung bis zum Lebensraum für Biber, je nachdem was in welchem Maße gewünscht wird. Wälder sind doch mehr als reine Holzlieferanten. Das muss uns etwas wert sein.