MZ-Serie
Rammertshof ist nur noch Wüstung

Verlassene Orte: Ein militärisches Sperrgebiet bewahrte die Spuren einer uralten Siedlung bei Amberg. 1966 wurde der Ortsname aufgehoben.

16.11.2014 | Stand 16.09.2023, 7:11 Uhr
Fritz Wallner
Von der Burg Rammertshof sind die mächtigen Dolomit-Buckelquader des Turmes noch erhalten. Kreisheimatpfleger Mathias Conrad hat die Ortsgeschichte erforscht. −Foto: Fotos: Fritz Winter (3), Archiv

Bis zum Ende des kalten Krieges wurden auf dem Standortübungsplatz Fuchsstein bei Amberg Rekruten aus der Kaiser-Wilhelm- und der Leopoldkaserne infanteristisch ausgebildet. Sie robbten durch das Gelände entlang des Ammerbaches, übten den Handgranatenweitwurf und richteten die Kanonen ihres Kampfpanzers Leopard auf imaginäre Ziele. Die mächtigen Buckelquader verfallener Häuser, überwuchert von Erlen, Birken und Hollerstauden, beachteten sie kaum. Dem für die Öffentlichkeit nicht zugänglichem Exerzierplatz, der von 1935/36 bis 1945 der Wehrmacht und ab 1956 wieder der Bundeswehr als Übungsgebiet diente, ist es zu verdanken, dass sie hier noch heute Relikte der verlassenen Ortschaft Rammertshof finden, deren Wurzeln wohl auf das 10. Jahrhundert zurückgehen.

Entstehung an einer Altstraße

Der Amberger Kreisheimatpfleger Mathias Conrad hat sich eingehend mit der Geschichte von Rammertshof beschäftigt. Er geht davon aus, dass der Ort seine Entstehung einer vermutlich aus vorgeschichtlicher Zeit stammenden Altstraße verdankt, die von der Donau aus dem Raum Manching-Ingolstadt kam, bei Rammertshof an einer Furt den Ammerbach querte und weiter über Wernberg nach Böhmen führte.

Bereits 1941 schrieb der Heimatforscher Anton Dollacker, dass nach Erzählungen noch lebender Rammertshofer das Haus Nummer 1, der sogenannte Rubenbauernhof, früher eine Burg gewesen ist. Dollacker nahm an, dass spätestens im 10. Jahrhundert ein bayerischer oder fränkischer Einwanderer Namens Reimar oder Reimbold sich hier mit landesherrlicher Genehmigung ansiedelte, das Land urbar machte und so die Ortschaft Rammertshof gründete, die 1334 erstmals als „Ramoltshof“ in den Urkunden erwähnt wird. Bei der Gründung des Fuchssteiner Exerzierplatzes bestand Rammertshof, das zu Gailoh gehörte, aus drei Höfen: Dem Rubenbauernhof (Nummer 1), dem Nicklbauernhof (Nummer 2), dem Fruthenhof (Nummer 3), der Mühle im Tal (Nummer 4) und einem Hüthaus (Nummer 5). Von allen Gebäuden sind heute noch Relikte zu sehen.

Landschaft wie vor 100 Jahren

Urkundliche Nachweise über den Landadel auf Burg Rammertshof finden sich nicht. Erst 1385 taucht ein Ulrich von Reymboltzhoff auf, der in Amberg das Bürgerrecht erworben hatte. 1404 taucht ein Ulrich der Remeltzhofer auf, der ein Gut zu Wolfertsfeld besaß. Offenbar hatten die niedrigen Adeligen die Burg da schon verlassen, worauf sie in bäuerliche Hände gekommen sein dürfte. Das vermutet auch Heimatforscher Mathias Conrad.

Weil der Truppenübungsplatz Fuchsstein in den vergangenen 60 Jahren nur extensiv landwirtschaftlich genutzt wurde, lässt sich dort noch der ursprüngliche Landschaftscharakter ablesen, wie ihn wohl auch die ersten Bauern auf Rammeltshof vorgefunden haben. Ausgedehnte Magerrasenflächen wechseln sich mit Feldgehölzen und Waldinseln ab, in weiten Mäandern durchzieht der Ammerbach den Talgrund. Er ist neben dem Spitzerbach das einzig nennenswerte Fließgewässer der wasserarmen Alb und wegen seiner geringen Wasserführung musste ein oberschlächtiges Wasserrad die Mühle antreiben. Die frühen Bauern mussten den Böden mühsam die karge Ernte abringen.

Das harte Los der Bauern

Immer wieder gab es massive wirtschaftliche Rückschläge. Im Frühjahr 1648 wurde im Dreißigjährigen Krieg das ganze Dorf Rammertshof von den Kaiserlichen Truppen eingeäschert. Die Bewohner litten auch unter den Auswirkungen des spanischen Erbfolgekrieges und 1796 unter dem Einfall der Franzosen. Am 17. Juli 1880 schlug bei einem schweren Gewitter der Blitz in den mit Stroh gedeckten Stadel des Anwesens Nummer 1 ein. Das Feuer griff auf den Roßstall und das Wohnhaus über und äscherte auch den benachbarten Hof Hausnummer 2 ein.

Die größte Zäsur aber brachte das Jahr 1936, als die Wehrmacht den Truppenübungsplatz Fuchsstein anlegte und alle Bewohner abgesiedelt wurden. Während andere Ortschaften bei der gleichzeitigen Erweiterung der Truppenübungsplätze Grafenwöhr und Hohenfels dem verfall überlassen wurden, erwähnt Geschichtsschreiber Anton Dollacker einen Major Wenner, Kommandeur des 1940 in Amberg aufgestellten Infanterie-Ersatzbataillons 41. Dieser machte aus dem Rubenbauernhof eine Art Offiziers- und Unteroffiziersheim, wo kräftig gefeiert wurde. Im Haus Nummer 3 richtete er einen Viehstall ein, wo eigens kommandierte Soldaten mit Küchenabfällen aus der Kaserne Schweine- und Kaninchenzucht betrieben.

Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg waren beide Anwesen und die Mühle wieder bewohnt. Auch die Felder wurden bewirtschaftet. Doch dies sollte nicht lange dauern: Mit der Gründung der Bundeswehr und der Wiederinbetriebnahme des Standortübungsplatzes wurden die Bewohner erneut abgesiedelt. Einzelne Gebäude sollten als Übungsobjekte für den Häuserkampf genutzt werden, aber Diebe klauten, was nicht niet- und negelfest war. Wegen akuter Einsturzgefahr verkaufte die Standortverwaltung im Jahr 1961 die Gebäude auf Abbruch, schreibt Heimatforscher Mathias Conrad. Da keine Aussicht auf Wiederbesiedelung bestand, wurde der Ortsname Rammertshof 1966 durch die Regierung der Oberpfalz aufgehoben. Was bleibt, ist eine Wüstung.