Austausch
Die Grenzregionen stärken

Beim Auftakt der „Chamer Europagespräche“ wurde vom Ukraine-Krieg bis zur Corona-Krise ein breites Spektrum an aktuellen Themen beleuchtet.

19.05.2022 | Stand 15.09.2023, 5:01 Uhr
Waren sich einig, an den grenzüberschreitenden Beziehungen weiterzuarbeiten (v. li.): Publizist Jan Šícha, IHK-Geschäftsführer Richard Brunner, CeBB-Leiterin Veronika Hofinger, MdL Gerhard Hopp, MdB Martina Englhardt-Kopf, Markus Ehm und Theo Abenstein. −Foto: Dr. Gerhard Hopp

Bei den erstmals veranstalteten „Chamer Europagesprächen“ stand in diesen Tagen der intensive Austausch zur Stärkung und Weiterentwicklung der Grenzregionen vor dem Hintergrund der aktuellen europäischen Entwicklungen im Mittelpunkt. Die beiden Veranstalter – ADK-Vorsitzender Theo Abenstein sowie MdL Dr. Gerhard Hopp als Vorsitzender der Europa Union im Landkreis Cham – konnten ein überaus positives Fazit zur Veranstaltung ziehen, an der sich als Kooperationspartnerin auch Karin Stelzer mit dem Europe-Direct-Büro Furth im Wald beteiligte.

„Gerade in diesen bewegten Zeiten, mit einem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der Bewältigung der Corona-Krise oder auch der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft ab Juli 2022 durch Tschechien, gab es ein breites Spektrum an Themen, das intensiv beleuchtet wurde“, berichtet Hopp.

Hopp nutzte gemeinsam mit dem ADK-Vorsitzenden Abenstein zum Einstieg die Gelegenheit, um auf den Ansatz der Veranstaltung hinzuweisen. „Gerade der Landkreis Cham und die ostbayerische Region sind unmittelbar von europäischen politischen Weichenstellungen betroffen. Daher wollen wir uns in regelmäßigen Abständen intensiv mit den Auswirkungen vor Ort auseinandersetzen“, betonte der Abgeordnete.

So referierte Dr. Markus Ehm, Leiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Prag, zu Beginn der Veranstaltung über die aktuelle politische Situation in Tschechien sowie über die bayerisch-tschechischen Beziehungen. „Besonders seit den tschechischen Parlamentswahlen Ende des Jahres 2021 hat sich das Verhältnis zu Deutschland sehr positiv entwickelt. Die neue Regierung ist europafreundlich und wünscht eine gute Zusammenarbeit mit Deutschland und den übrigen europäischen Staaten,“ betonte Ehm. Auch seien sich Deutschland und Tschechien einig, dass die Ukraine weiter nach Kräften unterstützt werden müsse. Gleichzeitig sei es wichtig, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen so schnell wie möglich zu reduzieren.

Kultur verbindet Nachbarn

Dr. Veronika Hofinger, Leiterin des Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) in Schönsee, unterstrich die große Bedeutung, die der kulturellen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern zukomme. „Kultur und gesellschaftlicher Austausch verbinden die Menschen dies- und jenseits der Grenze, befördern den Austausch und tragen zur Völkerverständigung bei“, so Hofinger. Dabei plädierte sie für eine Kulturarbeit, die auf Grundlage europäischer Werte zur guten Nachbarschaft und zur Entwicklung in der Grenzregion führe. Die Lage des Centrum Bavaria Bohemia im ländlichen Raum, in unmittelbarer Grenznähe, wird laut Hofinger als Auftrag verstanden, eine Kulturarbeit zu leisten, die eine Entwicklung und Aktivierung der Region beiderseits der Grenz begünstigt.

Mit der Uminterpretation der Grenzregion als „Europäisches Grünes Band“ möchten laut Hofinger das CeBB in Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren auf bayerischer und tschechischer Seite das Natur- und Kulturerbe, die historischen Spuren der Grenze in der Landschaft, zur Dokumentation und Vermittlung europäischer Werte nutzen. „Ziel unserer Kulturarbeit ist die Stärkung der deutsch-tschechischen Grenzregion“, betonte die CeBB-Leiterin.

Nach diesen Impulsreferaten diskutierten Hofinger und Ehm gemeinsam mit MdB Martina Englhardt-Kopf, IHK-Geschäftsführer Richard Brunner und Jan Šícha, Publizist und ehemaliger Regierungsberater in Tschechien, über die Perspektiven für ein wirtschaftlich und sicherheitspolitisch starkes Europa. Die Moderation der Podiumsdiskussion übernahm Hopp. So bezeichnete IHK-Geschäftsführer Brunner die Grenzöffnung als „Glücksfall“ für den Landkreis Cham. Viele tschechische Arbeitnehmer seien heute in Unternehmen im Landkreis Cham beschäftigt und trügen maßgeblich zu Prosperität und Aufschwung in der Region bei.

Englhardt-Kopf unterstrich, dass sie sich in Berlin besonders für die Themen Wirtschaftsförderung und Infrastrukturausbau einsetze. Weiter habe sie den stellvertretenden Vorsitz der Parlamentariergruppe für Tschechien, Slowakei und Ungarn übernommen. Europapolitiker Hopp führte als Beispiel den 12-Punkte-Plan zur Stärkung der bayerisch-tschechischen Beziehungen an, den er mit MdEP Christian Doleschal erarbeitet hatte und aus diesem mittlerweile Anträge im Bayerischen Landtag mündeten.

Weitere Anstrengungen nötig

Alle Diskutanten waren sich einig, dass weitere Anstrengungen für die Weiterentwicklung des deutsch-tschechischen Verhältnisses unternommen werden müssten, wie z. B. die Einführung von Sprachkursen in Schulen, der Ausbau von zwischenstaatlichen Kontakten und Informationsplattformen oder auch die Stärkung der Sicherheit nach innen und außen. „Die Schließung der tschechischen Grenze zur Hochphase der Corona-Pandemie hat uns deutlich vor Augen geführt, dass gute nachbarschaftliche Beziehungen kein Selbstläufer sind, sondern der stetigen Bemühung und Anstrengung bedürfen“, betonte Hopp.

ADK-Vorsitzender Theo Abenstein zog zum Abschluss der ganztägigen Seminarveranstaltung ein positives Fazit: „Der Auftakt ist geglückt“, so Aben-stein. Auf die ersten „Chamer Europagespräche“ würden daher sicherlich weitere Ausgaben und Folgeseminare mit Europa-Union und ADK folgen.