Energiekonzept
Hohe Preise: Neukirchen b. Hl. Blut will so autark wie möglich werden

18.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:38 Uhr
Neukirchen b. Hl. Blut stellt die Weichen, nachhaltige Energie zu gewinnen und zu vermarkten. −Foto: Helga Brandl

Breiten Raum nahm bei der Marktratssitzung die Präsentation „Erstellung eines Energiekonzeptes für den Markt Neukirchen b. Hl. Blut“ durch Bürgermeister Markus Müller ein. Nicht zuletzt aufgrund der Energiekriese wird der Wandel hin zu erneuerbaren Energien beschleunigt, zumal die 10-H-Regel bei Windrädern gefallen ist und der Bau von Freiflächenanlagen für Photovoltaik einfacher werden soll.

Mit Bezug auf den von Professor Brautsch von der OTH Amberg-Weiden erstellten digitalen Energienutzungsplan für den Landkreis informierte Müller über regionale Projekte sowie Planungsideen zu Freiflächen-PV, Windkraft, Blockheizkraftwerk, PV auf kommunalen Gebäuden und Fernwärmeversorgung.

Mit Marktrat Ziele ausloten

Mit dem Marktrat soll ausgelotet werden, welche Entwicklungsziele weiterverfolgt werden, wozu man die Bevölkerung mit einbeziehen will. Vor 20 Jahren hat man sich in Neukirchen mit dem Thema „Energie“ auseinandergesetzt, vor drei Jahren hat ein Absolvent der Staatlichen Fachschule für Umweltschutztechnik und regenerative Energien in Waldmünchen den Bedarf für Neukirchen festgestellt. Es zeichnete sich Interesse an Nahwärmeversorgung ab.

Der Gesetzgeber kündigt ab 2024 eine weitere Verschärfung für neue Heizungen an, die dann mindestens zu 65 Prozent erneuerbare Energie haben müssen. „Noch ein Grund mehr, uns umzustellen und von den fossilen Brennstoffen wegzukommen“, betonte Müller. Die Energiebilanz des Landkreises weist einen dreimal so hohen Wärmeverbrauch in kWh an Heizöl aus wie an Holz oder Erdgas.

In Summe ist ein Energiebedarf (Strom, Wärme) von 3900 Millionen kWh zu verzeichnen, wobei der Anteil für die Mobilität ausschließlich fossil ist. Energieeinsparung und Effizienzsteigerung spielen eine erhebliche Rolle mit dem Ziel der Prüfung einer Möglichkeit zur Deckung aus 100 Porzent erneuerbaren Energien bis 2040.

Ausgelotet wurde ein Szenario nach Gesprächen mit Experten für die Energiebilanz 2040, wenn es wenig bis keine fossilen Brennstoffe geben soll. Demnach müsste die Deckungslücke von 413 Millionen kWh ausgeglichen werden.

Für Neukirchen wurde ein „kommunaler Energie-Steckbrief für das Jahr 2019“ erarbeitet, in dem viel Potenzial für erneuerbare Energien steckt, so Müller. Der Sektor Wirtschaft benötigt zwei Drittel des Strombedarfs, der Anteil an Elektroenergie liegt bei 55 Prozent, großes Ausbaupotential bei Photovoltaik, der Anteil fossiler Energieträger liegt bei 80 Prozent. Müller: „Man sollte die Energiewende als Chance für einen zukunftsfähigen Markt Neukirchen verstehen.“

Die Ziele seien unstrittig: Dekarbonisierung und Klimaneutralität. Dies ermöglicht für das Gewerbe eine Standortsicherung. „Wie weit schaffen wir eine Unabhängigkeit im Energiebereich?“, fragte Müller. Erforderlich sei eine ganzheitliche Strategie mit dem Ziel, möglichst viel mit Elektromobilität zu erledigen. „Es liegt noch viel vor uns“, resümierte er und verwies auf die Erstellung eines kommunalen Energiekonzeptes: Deckung des Gesamtenergiebedarfs durch erneuerbare Energien, Freiflächen-PV, Parkplatz-PV, Windkraft, Biomasse, Biogas, Wasserstoff sowie Wärmeverbundlösungen.

Müller zeigte auf, was energietechnisch bereits geschehen ist, zum Beispiel auf Schuldächern und am Bauhof großflächig PV oder das autarke Feuerwehrhaus. Es gibt zwei Anfragen für Freiflächen-PV, eine für ein Windkraftprojekt in Neurittsteig/Taubenbrunn.

Zusammen mit dem Landratsamt ließ Müller zehn Suchkreise mit je 40 Hektar für FPV (Freiflächenphotovoltaik) bewerten, in denen zwischen 20 und 30 Hektar zu je zwei bis fünf Hektar übrigbleiben sollten. Da die Prüfung der geplanten Standorte eine riesige Aufgabe in sensiblen Bereichen darstelle, soll ein Arbeitskreis mit Experten, Fraktionssprechern und Bürgern gegründet werden.

Der Diskussion des Marktrats war zu entnehmen, dass eine Umsetzung der Thematik behutsam angegangen und die Interessen der Grundstücksbesitzer berücksichtigt werden müssten. Müller plädierte dafür, laut Bauleitplanung nur Vorhaben zu genehmigen, bei denen sich die Bevölkerung sowie gegebenenfalls auch Gemeinde und Landkreis beteiligen können: „Ideal wäre eine Gesellschaft, die das zusammenfasst, die lokale Akteure bündelt und Strom nicht nur erzeugt, sondern auch vermarktet.“

Stimmen aus dem Marktrat

Weitere Marktrat-Stimmen: „Wir müssen und wollen reicht nicht – wir brauchen professionelle Unterstützung; der Tourismus büßt nichts ein, wo ein Windrad steht“. „Wir können keinen billigen Strom haben und nur auf Ästhetik schauen“. „Für FPV sollte auch der Naturschutz zu Abstrichen bereit sein“. „Bezüglich FPV-Anlagen sollte man auch Rücksicht nehmen auf die Landwirtschaft; es gibt viele geeignete Plätze an denen die Solarmodule nicht stören.“ Die derzeitigen Energiepreise schmerzten jeden, daher könne mit Blick auf nachhaltige Energiegewinnung auch über ein Pumpspeicherkraftwerk nachgedacht werden. Diesem Vorschlag stand auch Müller aufgeschlossen gegenüber mit der Prämisse, Fachleute mit ins Boot zu holen: „Jedes Kilowatt, das wir erneuerbar erzeugen, ist ein gutes Kilowatt.“

− kbr