Projektwoche
Sucht hat viele Gesichter

Die mobile Schultheatergruppe des ueTheaters war mit dem Stück „Schüttelfrost“ an der Schule am Regenbogen zu Gast.

15.03.2022 | Stand 15.09.2023, 6:43 Uhr
Ein Kräutergemisch brachte den Steinzeitmenschen völlig unbekannte Erkenntnisse. Die Sucht startete ihren Siegeszug. −Foto: Holder Hierl

Das Belohnungssystem sei das Entscheidende für den Erfolg von Drogen, verdeutlichten Jessica Schilling und Ole Bosse vom Regensburger ue- Theater kürzlich den Schülern der Oberstufe der Schule am Regenbogen, Cham. Denn durch die Glücksgefühle, die diese Betäubungs- oder Suchtmittel auslösen, werden deren Konsumenten auf längere Sicht abhängig von diesen Stoffen oder auch Handlungen, können oder wollen ohne sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen.

Das Stück „Schüttelfrost“ der Regensburger Theatergruppe war Höhepunkt einer Projektwoche an der Förderschule, in der es um „Sucht und Drogen“ ging. In den Stunden zuvor war untersucht worden, was Drogen sind, wie man an sie herankommt, wie sie wirken, was sie bewirken können, mit einem selbst wie mit der Familie, der Freundesgruppe, der Gesellschaft. Die beiden Schauspieler des ueTheaters fassten dies im ersten Teil ihres Stückes zusammen und zeigten im zweiten Teil anhand von zwei jungen Leuten die ganz individuellen Beweggründe, warum Menschen zu Drogen greifen, wie sie darauf reagieren oder wie sie in Abhängigkeit davon geraten.

Da war der Partydrogen-Konsument, der das Zeug mal probieren wollte und dabei den Wahnsinn des scheinbar unerschöpflichen Kicks mit einer irren Kondition, bisher nie gehörten oder gesehenen Sinneseindrücken oder Glücksgefühlen verspürt, jedoch dann eigentlich nur noch schlafen will. Sein Freund kommt mit Verdacht auf einen Herzinfarkt ins Krankenhaus, aber es waren nur Folgen von Schlafmangel und Panikattacken. Und doch greift er immer wieder zu den Ecstacy-Pillen.

Ganz anders das Mädchen: Es will mit den Beruhigungs- oder Aufputschmitteln nur seinen Alltag halbwegs geregelt über die Bühne bringen. Es fühlt sich immer von der Umwelt nicht akzeptiert, missachtet, gemobbt. So greift es zu Pillen, um Ruhe zu finden. „Ich kann nicht aufhören. Es ist immer so viel zu erledigen. Ich schaff’s einfach nicht“, sagt Jessica. „Ich wünsch euch ein sonniges Leben“, schloss sie die Vorstellung der Gedanken von Süchtigen.

Alkohol und Nikotin vorne

Mit Schlagzeilen aus Zeitungen wiesen die beiden Schauspieler auf die Suchtmittel eins und zwei in Deutschland hin: Alkohol und Nikotin. Dass diese Drogen bei uns legal sind, während andere verboten sind, sei eine historisch-kulturelle Entwicklung, verdeutlichten sie anhand der Gepflogenheiten in anderen Ländern. Dabei sprächen die Todeszahlen der Drogenkonsumenten eigentlich gegen eine Verharmlosung von Alkohol und Tabak. Denn während an den illegalen Drogen knapp 1000 Menschen im Jahr in Deutschland sterben, seien es über 100 000 Tote infolge Tabak- und rund 75 000 durch Alkoholkonsum.

Fakt sei, dass die Menschen seit jeher Drogen konsumieren. Zum Teil seien Gennussmittel daraus entstanden, aber auch Heilmittel etwa gegen Schmerzen oder Krankheiten. Die oft entspannenden oder beruhigenden Wirkungen nutzten die Menschen jedoch auch, um ihre Probleme scheinbar aus der Welt zu schaffen – ohne zu merken, dass sie mit dem Drogenkonsum neue schaffen. Ja sogar Kriege seinen wegen Drogen geführt worden.

Und warum nehmen wir Drogen, obwohl wir wissen, dass sie uns und unsere Beziehungen zu den Mitmenschen kaputt machen? „Drogen sind was für Weicheier“, so die These der beiden vom ueTheater. Süchtige ließen sich vom Belohnungssystem, nach dem jede Droge funktioniert, täuschen. Wenn man mal die Endorphine gespürt hat, wolle man dieses Gefühl wieder haben. Und dann noch mehr und noch mehr. Bis zum Kollaps. Doch dann ist der Körper oder Geist schon so auf die Droge fixiert, dass man nicht mehr wegkommt.

Eine Sucht verliert man nicht, machte Ole im abschließenden Gespräch deutlich, man könne sie nur im Zaum halten. Und der junge Mann weiß das, kämpft immer noch gegen seine Tabakanhänglichkeit und hat früher auch Joints geraucht. Jessica war lange magersüchtig und hat auch dem Alkohol gern zugesprochen. Überhaupt seien Drogen gerade bei Schauspielern in der Ausbildung geläufig, da diese Zeit sehr anstrengend sei. Andererseits könne man auch süchtig nach Applaus werden, könne sich ein Leben nach der Schauspielerei nur schwer vorstellen.

Sich professionelle Hilfe suchen

Dies zeigte, dass der Begriff Sucht ein ganz weites Feld an Dingen, Gedanken, Handlungen umfasst, die man mit Drogen kaum in Verbindung bringen würde. Heutzutage etwa die Handysucht. Jessica erzählte von ihrer Loslösung davon, die sehr schmerzhaft gewesen sei und Monate gebraucht habe. Die beiden rieten den Jugendlichen, bei Suchtproblemen auf jeden Fall professionelle Hilfe zu suchen, denn allein komme man schlecht von einer Sucht weg und auch Familie oder Freunde könnten kaum helfen.

„Ihr müsst euch immer die Frage stellen: Wer bin ich? Was will ich überhaupt sein? Wie geht’s mir? Sucht euch Sachen, die euch stark machen, die euch Mut machen. Ned solche, die euch runterziehen. Schaut auf euch!“, appellierten Jessica und Ole an die Jugendlichen. (chi)