Rechtsserie
Wer hat Anspruch auf Schmerzensgeld? Chamer Experte erklärt

28.05.2023 | Stand 14.09.2023, 23:52 Uhr
Benedikt Kuchenreuter
Mit dem Hinterbliebenengeld wurde eine Lücke im deutschen Schadensersatzrecht geschlossen, da bisher der Schmerz eines Hinterbliebenen meistens „nichts wert war“. −Foto: Christin Klose/dpa

Wer bei einem Unfall verletzt wird, hat grundsätzlich gegen den Verursacher einen Schmerzensgeldanspruch. Nur unter engen Voraussetzungen konnten auch andere Personen Schmerzensgeld verlangen. Hinterbliebene – also enge Familienangehörige eines bei einem Unfall Getöteten – hatten keine Schmerzensgeldansprüche.

Eine Ausnahme gab es nur, wenn der Tod eines nahen Angehörigen schwerwiegende, behandlungsbedürftige psychische Folgen mit sich brachte, und zwar über eine „übliche Trauerreaktion“ hinaus. Der Hinterbliebene musste also nachweisen, dass er aufgrund des Todes seines Angehörigen ernsthaft erkrankt ist.

Lesen Sie hier:Neuerungen bei der Erbschaftsteuer

In anderen Staaten gibt es ein Schmerzensgeld für den Tod naher Angehöriger bereits seit langem. Nunmehr hat der Gesetzgeber auch im deutschen Recht einen solchen Anspruch verankert.

Im Fall einer fremdverursachten Tötung sollen Hinterbliebene, die zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen, zumindest ein symbolisches Zeichen der Anerkennung des zugefügten Leides erhalten. Dies gilt aber nur, wenn der Angehörige getötet wurde. Eine schwere Verletzung des Angehörigen – möglicherweise auch mit lebenslanger Behinderung und Pflegebedürftigkeit – löst keine Ansprüche aus.

Lesen Sie hier:Die Steuerhinterziehung und die Folgen

Voraussetzung ist vor allem ein besonderes persönliches Näheverhältnis. Dieses Näheverhältnis wird bei Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern, Eltern und Kindern des Getöteten vermutet.

Der Schädiger oder dessen Versicherung kann diese Vermutung allerdings widerlegen, wenn ein persönliches Näheverhältnis nicht (mehr) bestand – beispielsweise bei Angehörigen, die sich völlig entfremdet haben und seit langem keinen Kontakt mehr hatten. Grundsätzlich kann auch in anderen Fällen – also zum Beispiel bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft – ein Anspruch bestehen. In diesem Fall muss aber der Geschädigte das besondere persönliche Näheverhältnis nachweisen.

Die gesetzliche Regelung sagt nichts über die Höhe des Hinterbliebenengeldes. Wie hoch die Ansprüche des Hinterbliebenen sind, wird letztendlich –im Streitfall – durch die Gerichte entschieden werden, wie dies auch beim Schmerzensgeld für erlittene Verletzungen des Geschädigten der Fall ist.

Die folgenden Entscheidungen sprechen Beträge zwischen 5000 Euro bis 12000 Euro zu. So hat das Landgericht München II mit Urteil vom 17.05.2019 (Az.: 12 O4540/18) für den Sohn ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 5000 Euro für angemessen und ausreichend erachtet. Das Landgericht Tübingen hat mit Urteil vom 17. Mai 2019 (Az.: 3 O108/18) der Ehefrau des Getöteten ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 12000 Euro und den Kindern ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 7500 Euro zugesprochen. Dem Bruder des Getöteten hat das LG Tübingen einen Betrag in Höhe von 5000 Euro zugesprochen.

Mit dem Hinterbliebenengeld wurde eine Lücke im deutschen Schadensersatzrecht geschlossen, da bisher der Schmerz eines Hinterbliebenen meistens „nichts wert war“. Nach wie vor bleiben Ansprüche offen, wie zum Beispiel die Belastung von Angehörigen, die einen Schwerstverletzten und aufgrund eines Unfalls pflegebedürftigen Angehörigen über Jahre hinweg pflegen müssen. Deren psychische Belastung löst nach wie vor keine Ansprüche aus.