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Corona in der Schule aufarbeiten

Erstklässlern fehlt das letzte Kindergartenjahr. Sozialpädagogin Martina Hoch arbeitet verstärkt mit ihnen.

18.10.2021 | Stand 15.09.2023, 23:41 Uhr
Gabi Hueber-Lutz
Sozialpädagogin Martina Hoch geht mit den Erstklässlern auf U-Boot-Reise zu den eigenen Gefühlen. −Foto: Gabi Hueber-Lutz

Während mehrerer Lockdowns sind nicht nur die Schulkinder zuhause gesessen und mussten unter erschwerten Bedingungen arbeitet. Dass Corona auch den zuhause gebliebenen Vorschulkindern einiges genommen hat, wird allmählich deutlich. Martina Hoch ist Sozialpädagogin und an der Bad Abbacher Grundschule für die Sozialarbeit zuständig. Sie arbeitet nun gezielt mit den Erstklässlern, denn diesen Kindern geht die Vorbereitung auf die Schule durch den Kindergarten ab.

Die Zeit der Isolation zeigt sich besonders im sozialen Bereich, hat die Sozialpädagogin beobachtet. „Kinder müssen zum Teil das Gespür für andere wieder erlernen“, sagt sie. Gerade dann, wenn die Abschottung sehr dicht war. Ihnen fehlt etwa das „Handwerkszeug“, mit anderen Kindern Kontakt aufzunehmen. Gleichzeitig waren sie während der Pandemie zuhause sehr im Mittelpunkt gestanden. Die Eltern haben sie sehr unterstützt. Nun sitzen sie in einer Klasse mit vielen anderen und sind plötzlich wieder Teil einer Gruppe. Eine Rolle, an die man sich erst einmal wieder gewöhnen muss. Gerade in diesem Bereich zeige sich, dass die Schere weiter aufgegangen ist, dass also die Unterschiede zwischen den Kindern größer geworden sind.

Auch Schulamtsdirektorin Nicola Moritz-Holzapfel bestätigt, dass es die soziale Komponente ist, die während Corona am meisten gelitten hat: „Erkennbar sind soziale Defizite, da die regelmäßigen Kontakte zu anderen Kindern über einen längeren Zeitraum stark eingeschränkt waren.“ Eher weniger Einfluss habe die Pandemie auf die sogenannten kognitiven Fähigkeiten gehabt, so die Schulamtsdirektorin. Was also die Denkfähigkeit, die bewusste Wahrnehmung, die Fähigkeit Probleme zu lösen und kreativ zu sein betrifft, seien die Unterschiede zwischen den Kindern nicht größer geworden, als sie es vor Corona bereits waren.

In Absprache mit der Bad Abbacher Rektorin Margit Lermer und den Lehrkräften der Erstklässler bietet Martina Hoch nun vier Wochen lang in jeder ersten Klasse wöchentlich zwei Module eines Trainingsprogramms an, das auf die Einübung angemessenen Sozialverhaltens zielt. Bis zu den Herbstferien wird also jede Klasse insgesamt acht Module spielerisch durcharbeiten und soziales Verhalten einüben.

Die Themen Gefühle, Umgang miteinander und Problemlösungen stehen im Mittelpunkt. Die Kinder gehen dabei mit einem fiktiven U-Boot auf Abenteuerfahrt. Auch Kinder, die eigentlich sozial auffällig sind, fühlen sich mit diesem Programm angesprochen und sind erreichbar, ist die Erfahrung der Sozialpädagogin. Steuert das U-Boot zum Beispiel die Insel der Gefühle an, ist es zum Einstieg deutlich einfach, über Situationen zu sprechen, die auf der Insel passieren, als über die eigenen Gefühle.

Solche und ähnliche Angebote sieht auch Nicola Moritz-Holzapfel als sehr wichtig an. Die Schulen richten ihr Augenmerk auf soziale Lernangebote, betont sie. Und zwar nicht nur im Unterricht, sondern auch im Rahmen der Betreuungsangebote sowie im Offenen und im Gebundenen Ganztag. Dazu gehört zum Beispiel auch das Programm „gemeinsam.Brücken.bauen“ des Ministeriums. Es soll pandemiebedingte Nachteile ausgleichen.

Auch wenn viel zu tun ist und die Bedingungen sicher nicht ganz einfach sind, so blickt die Kelheimer Schulamtsdirektorin bei der gesamten Thematik doch positiv in die Zukunft. Die Folgen der Pandemie könnten „definitiv ausgeglichen werden“, wenn alle Beteiligten zum Wohle des Kindes zusammenarbeiten. Kinder hätten weniger Schwierigkeiten pandemiebedingte „Probleme“ aufzuarbeiten und nähmen in der Regel die veränderten Umstände gut an. Auch einen unerwarteten Nebeneffekt gibt es: Weil die Eltern das Schulhaus in der Regel weder zum Bringen noch zum Holen der Kinder betreten durften, gibt es teilweise weniger „Abnabelungsprobleme“ für die Kinder, so die Erfahrung der Schulamtsdirektorin.