Bühne
Der Faust übertraf alle Erwartungen

Die Aufführung von Goethes Meisterwerk durch das Anna Funk Ensemble in Abensberg zog die Zuschauer komplett in seinen Bann.

11.11.2021 | Stand 15.09.2023, 23:26 Uhr
Peter Hübl
Mephistophele bringt Faust in eine berauschende Situation. −Foto: Peter Hübl

Eine Sternstunde des Theaters: Die Aufführung von Goethes Faust durch das Anna Funk Ensemble im Theater am Bahnhof übertraf alle Erwartungen. Der Vorsitzende der Theatergruppe Lampenfieber, Robert Raith, freute sich, dass nach fast zwei Jahren Stillstand wieder Leben auf die Bühne und in den Zuschauerraum eingezogen war und dass man nun auch mit einer neuen Eigenproduktion beginnen konnte. Mit dem Gastspiel des Anna Funk Ensembles könne man einen hochwertigen Auftakt setzen. Goethes Faust ist zeitlos. Vor über 200 Jahren geschrieben, hat das Drama nichts von seiner Aktualität verloren. Bis heute gilt es als das literarische Werk deutscher Sprache schlechthin. 25 Jahre hatte der Geheimrat am Faust gearbeitet, auf seiner italienischen Reise ergänzt und im Briefwechsel mit Schiller bearbeitet, bis er ihn 1806 als „Urfaust“ veröffentlichte. In seinem letzten Lebensjahrzehnt nahm Goethe die Arbeit am Faust wieder auf und vollendete ihn mit dem zweiten Teil als Krönung seines Lebenswerks wenige Monate vor seinem Tod 1832.

Ein alter Mann, gespielt von Amadeus Bodis, hochgebildet, aber depressiv, wünscht sich die Jugend zurück und damit ein ausschweifendes Leben. Da erscheint Mephistophele, gespielt von Anna Funk, ein unheilvoller Geist, der genau weiß, wonach sich Faust sehnt. Goethes Mephisto verkörpert das Prinzip der Negation, zynisch, ohne Seelenheil: „Ich bin der Geist, der stets verneint!“ Mephistophele bietet Faust an, ihm ein neues junges Leben mit vielen Abenteuern zu ermöglichen. Als Gegenleistung verlangt sie seine Seele.

Faust willigt ein, in einer Metamorphose verändert sich Faust und fühlt sich als attraktiver, junger Mann, gespielt von Oliver Exner, wie neu geboren und voller Lebenslust. Er trifft auf Gretchen, gespielt von Katharina Mayer, ein junges Mädchen voller Herzenswärme, und die beiden verlieben sich.

Um mit Gretchen in ihrem Zimmer ungestört zu sein, gibt ihm Mephistophele ein angebliches Schlafmittel für Gretchens Mutter, an dem sie aber stirbt. Zudem wird Gretchen schwanger und Faust verliert sein Interesse an ihr.

Valentin, gespielt von Benedikt Frank, Gretchens Bruder, leidet sehr unter dieser Situation und es kommt zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit Faust, nach der Valentin an seinen Verletzungen stirbt. Gretchen ist nach dem Tod der Mutter und des Bruders verzweifelt und tötet schließlich ihr Kind nach der Geburt. Es kommt zum tragischen Höhepunkt.

Eine großartige Gesamtleistung, eine mitreißende Inszenierung in der Regie von Anna Funk. Der Faust in die Gegenwart versetzt, eine Tragödie, nach über 200 Jahren zeitlos wie nie. Ein Spiegel, vor die heutige Gesellschaft gehalten. Das spartanische, schwarz gehaltene Bühnenbild ließ die Darsteller eindrucksvoll zur Geltung kommen. Die Zuschauer wurden geradezu in den Bann des Geschehens gezogen, und manchmal konnte man ein leises Mitsprechen bekannter Zitate vernehmen, wie am Schluss „Heinrich, mir graut vor dir“. (dph)