Szenario
Endlich Gillamoos, aber ich bin nicht da

Was treibt Menschen um, die Hunderte Kilometer entfernt sind und den Gillamoos nicht besuchen können – ein Querschnitt.

02.09.2015 | Stand 16.09.2023, 7:00 Uhr
Auf den Gillamoos wird hingefiebert - was aber tun, wenn man Huderte oder Tausende Kilometer entfernt ist? −Foto: Archiv

Viele Abensberger und Menschen aus der Umgebung fiebern den fünf speziellen Abensberger Tagen entgegen – was aber tun, wenn man Hunderte oder Tausende Kilometer entfernt ist und den Gillamoos nicht erleben kann? Mancher kommt extra deswegen nach Hause.

Anna Chmelicek: Obazda und Oktoberfest in Chile statt Gillamoos in Abensberg

Vergangenes Jahr hatte Anna Chmelicek aus Abensberg das erste Mal in ihrem Leben am Gillamoos gefehlt – kurz zuvor war sie nach ihrem Studienabschluss zu einer Rundreise durch Südamerika aufgebrochen. Aus dem geplanten Reisen nach dem Studium wurde ein fester Aufenthalt mit Job als Eventmanagerin in einem Fünf-Sterne-Hotel. Auch deshalb fehlt die 27-Jährige 2015 wieder am Gillamoos.

„Ich habe lediglich 15 Tage Urlaub pro Jahr – die gingen im August bei einem Heimatbesuch drauf. Hätte ich wählen können, hätte ich den Urlaub auf den Gillamoos gelegt, aber da eine Freundin im August geheiratet hat, muste ich eben da heimfliegen – da konnte ich nicht aus“, sagt Chmelicek.

Eigentlich sei sie ja „weit genug weg, um nicht automatisch vom Gillamoos-Fieber gepackt zu werden, aber über Facebook oder Whats-App werde ich von meinen Freunden ja quasi mit dem Gillamoos bombardiert“. Schon vergangenes Jahr hätten sie bereits eine Woche vorher zahlreiche Posts und Mails erreicht – alle mit einem Thema: Gillamoos. Besonders wenn es um den Donnerstag ging, habe ihr das Herz geblutet: „Denn d haben meine Mädels und ich ein Ritual. Wir treffen uns schon ein paar Stunden, bevor es auf der Gillamooswiese losgeht bei irgendwem zu Hause, machen uns gemeinsam fertig, machen uns die Haare, trinken Sekt oder Erdbeer-Limes, essen Chips und gehen dann schon ein kleines bisschen angetüdelt pünktlich um 17 Uhr auf den Gillamoos.“

Bezüglich dieses „Pflichttermins“ beginne die heiße Phase auf Whats-App schon am Montag vor dem Gillamoosdonnerstag. „Aber das war ja noch nicht alles – denn dann fange ich an, nachzudenken“, sagt die Abensbergerin.

Weitere Rituale spuken ihr durch den Kopf: So wie etwa der Gillamoosmontag, an dem es nach dem Politischen Gillamoos immer mit der Familie – Mama, Papa und Bruder – in einen der Festzeltbiergärten zum Mittagessen ging. Oder auch die Schnapsrunde – Anna Chmelicek und ihre Mädels drehen, kaum an der Festwiese angekommen, als erstes immer eine Schnapsrunde. „Keine harten Sachen, sondern Eierlikör bei der Tierhilfe oder einen Limes beim Cherry – sonst würden wir den Abend ja nicht durchhalten“, sagt sie.

Und so wird ihr am spätestens am heutigen Donnerstag wieder das Herz bluten. Aber die 27-Jährige weiß sich zu helfen – oder zumindest ein bisschen abzulenken. „Ich kaufe mir bayerisches Bier, das gibt es hier im Supermarkt – auch wenn es kein Abensberger Bier ist – , hole mir dazu Brezen – auch wenn die mit den Gillamoos-Brezen nicht vergleichbar sind – und mache mir einen Obazden. Dann setze ich mich auf den Balkon meiner Wohnung, schaue mir im Internet Videos und Fotos an, die meine Freunde gepostet haben und bin zumindest in Gedanken in Abensberg. Das macht es nicht viel besser, aber etwas erträglicher.“

Zudem habe sie kürzlich von einem Oktoberfest in Chile erfahren, das von deutschen Auswanderern veranstaltet werde. „Im Internet habe ich mir Fotos und Flyer angeschaut – es gibt Bratwürstl, Sauerkraut, Brezen, bayerisches Bier – und vielleicht mich im Dirndl. Das wäre zwar nicht wirklich ein Ersatz, weil die besondere Stimmung am Gillamoos gerade für mich als Abensbergerin grandios ist, aber zumindest einen Versuch wert.“

Eines steht für Anna Chmelicek aber so sicher fest, wie dass der Gillamoos auf das erste Septemberwochenende fällt: „2016 bin ich wieder live am Gillamoos in meiner Heimatstadt – egal in welche Ecke der Welt es mich verschlagen hat: Weil drei Jahre hintereinander nicht auf unserem Jahrmarkt zu sein, das könnte ich mir als Abensbergerin dann wirklich nicht verzeihen.“

Martin Münzberg: Statt Gillamoos beim Bruder in Down Under: Geteiltes Leid ist halbes Leid

Mancher bucht seinen Urlaub willentlich während der Gillamoos-Zeit – um dem Treiben auf der Festwiese, dem er nichts abgewinnen kann, zu entgehen. Bei Martin Münzberg ist das anders. Der Biburger ist fleißiger Gillamoos-Gänger – und dennoch bleibt seine Lederhose rund um das erste Septemberwochenende im Schrank und er verpasst die fünfte Abensberger Jahreszeit in diesem Jahr urlaubsbedingt.

Der Abensberger Fußballer besucht seinen Bruder, der schon seit längerer Zeit an der Ostküste Australiens weilt, und ist deswegen nicht gerade erfreut: „Ich freue mich darauf, meinen Bruder mal wieder zu sehen und auch Australien als Land interessiert mich, aber wenn es möglich gewesen wäre, dann hätte ich den Urlaub vor oder nach dem Gillamoos gebucht.“

Doch Student Münzberg sind „größere Reisen nur in den Semesterferien möglich und wegen Studienarbeiten war ein anderer Termin einfach nicht möglich. Den Gillamoos zu verpassen, ist für Martin Münzberg aber nichts gänzlich Neues. „Ich habe den Gillamoos schon einmal durch einen Auslandsaufenthalt verpasst, war damals wegen des Studiums in Hongkong. Ich muss ehrlich sagen, damals hab ich unsere fünfte Jahreszeit und alles Drumherum schon sehr vermisst.“

Was Münzberg damit genau meint? „Fehlen wird mir das spezielle Feeling des Gillamoos, das deftige Essen, der Geruch der Süßigkeitenstände. Aber auch fünf Tage nacheinander eine Lederhose zu tragen, mit Freunden nachmittags gemütlich beisammen zu sein, samstagsnachmittags mit den Fußballern des TSV Abensberg und montagnachmittags mit den Mallorca Cowboys Gillamoosrunden zu drehen und natürlich die Parties in den Abend beziehungsweise Nachtstunden werden mir fehlen. Und das Weinzelt – weil dort abends die beste Stimmung herrscht.“

Eine Alternative gäbe es zwar in Australien – dort steigen ab Mitte September zahlreiche Ableger des Oktoberfestes, das größte davon Mitte Oktober in Brisbane. Da ist Münzbergs Aufenthalt in Down Under aber schon wieder beendet „und auch wenn ich auf eines der Oktoberfeste gehen könnte, ist das kein wirklicher Ersatz für den Gillamoos“.

Eine Sache sorgt beim 25-jährigen Biburger aber dann doch für ein bisschen Erleichterung: „Mein Bruder geht auch sehr gerne auf den Gillamoos – wir werden also zu zweit nicht hingehen können. Geteiltes Leid ist ja bekanntlich halbes Leid. Außerdem werde ich über verschiedene WhatsApp-Gruppen von Freunden immer etwas mitbekommen. Dann bin ich zumindest ein bisschen mit dabei.“

Rebecca Jahn: Bauchschmerzen ohne Eierlikör

Rebecca Jahn wollte nach dem Abitur ins Ausland, andere Kulturen kennenlernen – nun ist sie als Au-Pair in Perth in Australien „und ich bin mit meiner Entscheidung glücklich – fast“. Denn die Offenstettenerin ist während der Gillamooszeit nicht da. „Im Internet habe ich nach Familien gesucht und als frühestes Anfangsdatum die zweite September Woche angegeben. Schließlich geht der Gillamoos vor. Leider haben aber alle Familien ab Juli oder August ein Au-Pair-Mädchen gesucht – so musste ich schweren Herzens ab Mitte Juli zusagen.“

Die 19-Jährige war „bis jetzt immer zum Gillamoos da und ich weiß, dass das schreckliche fünf Tage werden in denen ich lauter Posts in Facebook sehe, aber leider nicht dabei sein kann. Ich werde vermissen, mit meinen Freunden im Weinzelt zu feiern. Montags gehe ich normalerweise mit meiner Familie auf den Politischen Frühschoppen und wenn ich daran denke, dass ich den Eierlikör der Tierhilfe nicht trinken kann, bekomm ich schon Bauchschmerzen.“

In Perth steigt zwar ein „Oktoberfest“, es kostet aber Eintritt und es dauert nur einen Tag. Außerdem gibt es das Restaurant „Brotzeit“– dort serviert man bayerische Schmankerl wie Weißwürste. „Etwas Ablenkung habe ich also schon – aber den Gillamoos ersetzen, das geht nicht.“

Katharina Gammel: Nach neun Monaten Asien direkt in die Kuchlbauer-Bar

Ein Auslandsaufenthalt ist für Katharina Gammel nichts Ungewöhnliches: „Ich bin bereits seit sechs Jahren im Ausland unterwegs. Mit 19 zog es mich zum Studieren nach England, wo ich dann vier Jahre lang war – natürlich bin ich regelmäßig zum Gillamoos nach Hause gekommen. Die vergangenen beiden Jahre habe ich in Spanien und Hongkong verbracht und war jetzt drei Monate auf Rucksackreise in Asien unterwegs und habe Thailand, Indonesien, Malaysia, Myanmar und Sri Lanka bereist.“ In Sri Lanka traf Gammel im „Haus Abensberg“ von der Sri Lanka Hilfe Abensberg, auf die ehemalige Dirndlkönigin Maja Kelly – die im Gegensatz zu Gammel den Gillamoos verpasst, denn: „Ich habe meinen Flug nach Bayern vergangenes Jahr schon so gebucht, dass ich pünktlich zum Gillamoos wieder in Abensberg bin. Nach neun Monaten Asien freue ich mich jetzt sehr auf Abensberg und der Gillamoos ist die perfekte Möglichkeit, alte Freunde wiederzutreffen und ein paar Geschichten der letzten Monate auszutauschen.“

Denn die Abensbergerin ist ein Gillamoos-Fan durch und durch: „Die meisten Jahre habe ich so geplant, dass ich am Gillamoos zu Hause bin. 2014 habe ich mir sogar während meines Praktikums einen Tag Urlaub genommen, nur damit ich den Gillamoos in Abensberg und bei meiner Zweitbeschäftigung hinter der Kuchlbauer-Bar verbringen kann.“

Natürlich sei es für sie denkbar, den Gillamoos nicht mitzuerleben und es gab auch Jahre, wo sie es nicht geschafft hat, nach Hause zu kommen – wegen Arbeit oder Prüfungen. Doch das hat an ihr genagt: „Es ist natürlich nicht so schön, Bilder von Freunden online zu sehen, wenn man selber nicht dabei sein kann – aber es geht halt manchmal nicht anders. Umso schöner ist es dann, die Jahre drauf wieder dort zu sein. Was mir am meisten gefehlt hat, ist die Stimmung am Gillamoos: Mir gefällt es, dass sich alle Mädels ihre Dirndl und die Jungs ihre Lederhosn anziehen. Auch den „Oidn Gillamoos“ finde ich eine super Idee und mir macht es richtig Spaß, dort ein paar Stunden am Nachmittag zu verbringen, der Blasmusik zuzuhören, und mich bei den verschiedensten Spielen zu versuchen.“ Nur das Bier habe ihr nie gefehlt, „da ich gar nicht so gerne Bier trinke. Für mich gibt’s dann Radler – oder Schnaps.“

Und da die 25-Jährige jedes Jahr an der Schnapsbar im Kuchlbauer-Zelt arbeitet, ist der Weg nicht weit. „Das ist für mich echt das Highlight des Gillamoos und macht mir wahnsinnig viel Spaß. Auch wenn es immer recht stressig zugeht, ist es einfach toll, so viele Abensberger und bekannte Gesichter zu treffen, miteinander anzustoßen und zu ratschen. Das Team hinter der Bar ist spitze und wir haben immer eine fetzn Gaudi miteinander. So komisch es auch klingen mag, aber mir würde das Arbeiten wirklich am meisten fehlen, wenn ich am Gillamoos nicht da wäre.“

Aber nicht nur die Bar verzaubert Katharina Gammel, auch das Essen am Gillamoos sei einmalig. „Vor allem nach so langer Zeit im Ausland freue ich mich jetzt richtig auf Obatzdn, Brezn, Weißwürste, Hendl, Fleckerl und gebrannte Mandeln.“

Und auch wenn der Gillamoos ein triftiger Grund ist, nach Hause zu kommen, ist es für die Abensbergerin nicht der Einzige: „Nach sechs Jahren im Ausland gibt es für mich viele Gründe, wieder nach Hause zu kommen. Ich hab das Gefühl, je mehr ich unterwegs bin, desto mehr lerne ich meine Heimat zu schätzen. Ich freue mich riesig auf meine Familie und meine Freunde und darauf, mit ihnen wieder mehr Zeit zu verbringen. Sonst waren während meines Auslandsaufenthaltes meist nur wichtige Feiertage so wie Weihnachten oder runde Geburtstage ein Grund, heimzufliegen.“

Nun ist es also der Gillamoos - und der wird voll ausgekostet: „Bei mir ist es Ritual, einen Nachmittag am Gillamoos mit meinen Mädels zu verbringen. Wir ziehen dann von Stand zu Stand, losen, fahren Fahrgeschäfte, lassen uns Wäscheklupperl machen – alles was halt dazu gehört. Das ist einer der schönsten Gillamoostage. Außerdem gehört ein Mittagessen mit meinem Opa dazu – da teilen wir beide uns dann sogar eine Maß Bier. Und was ich auch mindestens einmal mache ist so lange zu feiern, dass ich mir auf dem Heimweg frische Brezn und Weißwürste holen kann.

Maja Kelly: Ex-Dirndlkönigin über den Gillamoos in Sri Lanka

Maja Kelly, gebürtige Abensbergerin, wohnhaft Luftlinie 200 Meter von der Gillamooswiese, Ex-Vize-Dirndlkönigin: Also eine Gillamoos-Liebhaberin par excellence – und doch fehlt sie heuer in der fünften Abensberger Jahreszeit.

Statt im Bierzelt, sitzt sie am ersten Septemberwochenende bei ihrem Patenkind in Sri Lanka – und ist mehr oder weniger glücklich damit: „Ich habe seit einigen Jahren ein Patenkind in Sri Lanka. Das läuft über die Sri Lanka Hilfe Abensberg. Und ich wollte schon immer mal mein Patenkind besuchen. Zudem hatte ich schon lange den Wunsch, für längere Zeit ins Ausland zu gehen. Natürlich war ich aber erst einmal sehr traurig darüber, da der Gillamoos ja eines der schönsten Ereignisse im Jahr für mich ist. Aber ich hab mich damit abgefunden und nächstes Jahr sind ja wieder die fünf Tage Ausnahmezustand – und dann bin ich wieder dabei.“

Dass sie den Termin der Reise nicht verschieben konnte, war „mir von Anfang an bewusst, da ich mit einer Freundin unterwegs bin und die nur in den Semesterferien wegfahren kann“.

Nun ist statt Bierzeltstimmung Entwicklungshilfe angesagt. „Wir leben in einem Dorf, das nach dem Tsunami vor elf Jahren aufgebaut wurde. Dort gibt es eine Schule, einen Kindergarten und vieles mehr um Familien und vor allem Kinder in Sri Lanka zu unterstützen“.

Das sorgt für Abwechslung –aber dennoch: „Es fällt mir natürlich als Abensbergerin sehr sehr schwer, das erste Mal nicht am Gillamoos dabei zu sein. Und vor allem wenn ich von Freunden Fotos bekomme, die im Dirndl und in der Lederhose sind, werde ich es bestimmt vermissen.“

Und auch was alle Gillamoos-Besucher immer wieder betonen, wird ihr fehlen: „Am Gillamoos trifft man immer Freunde, die man unterm Jahr nie trifft. Das denke ich wird mir am meisten fehlen. Auch die ganzen Freundschaften die man jedes Jahr am Gillamoos schließt, sind einmalig. Und was natürlich nicht fehlen darf ist das wahnsinnig leckere Bier und das tolle Essen.“

Abhilfe vom Verzicht soll zumindest in Ansätzen das Internet schaffen: „Durch Freunde werde ich schon was vom Gillamoos mitbekommen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das ein oder andere Foto auf meinem Handy oder bei facebook landen wird. Und ein paar lustige Geschichten werde ich von ihnen auch erfahren. Es ist ja auch interessant, was dieses Jahr so alles geboten ist.“

Doch Fotos am Handy oder auf sozialen Netzwerken können Rituale nicht ersetzen: „Jedes Jahr gehe ich einmal mit meiner Mutti durch die Gassen und wir bummeln ein wenig durch die Geschäfte. Die Dirndlköniginnen-Wahl ist natürlich auch jedes Jahr Pflicht und auch der politische Gillamoosmontag steht jedes Jahr auf dem Programm. Mein Lieblingsritual ist das Schießen. Mein Freund und ich gehen jedes Jahr an den selben Stand und schießen ein paar Rosen, wenn ich daran denke, würde ich am liebsten wieder heimfliegen.“

An einen Gillamoos-Ersatz ist in Sri Lanka nicht zu denken: „Also ein Dirndl hab ich hier nicht dabei. Das wäre rein aus Temperaturgründen unerträglich. Ein Bierchen gönne ich mir natürlich schon ab und an aber das ist ein geringer Trost.“