Engagement
Helfer hadern mit Corona

Das Virus bringt die Integrationsarbeit zum Erliegen. Der Asylhelferkreis Abensberg warnt vor den Folgen.

09.04.2021 | Stand 16.09.2023, 3:38 Uhr
Viele Flüchtlinge sind derzeit auf sich allein gestellt, denn die Ehrenamtlichen des Asylhelferkreises Abensberg können sie wegen Corona nicht so unterstützen, wie sie es gerne möchten. −Foto: Monika Skolimowska/picture alliance / Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

Integration lebt von persönlichen Kontakten. Doch die Corona-Pandemie macht das seit mehr als einem Jahr nahezu unmöglich. Die Ehrenamtlichen vom Asylhelferkreis Abensberg beobachten das mit Sorge. „Man müsste viel mehr tun“, sagt Sprecherin Christina Kranz-Kohl und Astrid Habel warnt: „Das fällt uns hinterher auf die Füße.“

Wegen Corona seien in der Gesellschaft viele Probleme „verschwunden“. „Aber die Flüchtlingsproblematik ist nach wie vor da“, sagt Habel, die sich mit Christina Kranz-Kohl und Bärbel Handschuh seit Anfang an beim Asylhelferkreis Abensberg engagiert.

Noch gut erinnern sich die drei an das erste Treffen im Herbst 2014, als es hieß, dass wahrscheinlich Flüchtlinge nach Abensberg kommen. Als im Januar 2015 20 junge Syrer nach Gaden kamen, waren es dreimal so viele Helfer. „Heute sind wir ein überschaubarer Kreis“, sagt Kranz-Kohl. Viele andere Helferkreise hätten sich zwischenzeitlich aufgelöst. Doch in Abensberg sind es zehn Engagierte, die sich regelmäßig treffen. Der erweiterte Kreis umfasst 20 Helfer.

In den vergangenen Jahren wurden viele Integrationsprojekte auf die Beine gestellt. Es gab eine Frauengruppe, ein Begegnungsfest, das mit dem Integrationspreis ausgezeichnete Projekt „Kultiger“ oder dasMusical „Schaschara“,bei dem sich viele Freundschaften gebildeten haben. „Aber das können wir alles nicht weiterführen. Corona hat uns total ausgebremst“, sagt Kranz-Kohl. Dabei seien diese Projekte so wichtig, denn bei Treffen komme man ins Gespräch. „Jetzt ruft nur jemand bei uns an, wenn höchste Not ist.“

Probleme beim Kontakt zu Ämtern

Dabei sind die Probleme, mit denen Flüchtlinge zu kämpfen haben, vielfältig. „Die größten Schwierigkeiten bereitet der Kontakt zu Ämtern“, sagt Habel. „Man spürt richtig die Angst, mit der die Leute hineingehen.“ Hier unterstützen die Ehrenamtlichen und helfen beim Ausfüllen von Anträgen oder bei Passangelegenheiten. „Die Flüchtlinge brauchen einen Pass, aber sie wissen genau, mit einem Pass können sie abgeschoben werden“, sagt Habel. Abschiebungen rufen bei den Menschen regelrechte Panik hervor. „Es werden auch Leute abgeschoben, die gut integriert sind. Das ist für die psychische Situation sehr schwierig“, weiß Kranz-Kohl.

Die Ehrenamtlichen begleiten die Menschen nicht nur zu Ämtern, sondern auch zum Psychiater, sind dabei, wenn sie ihre tiefgreifenden Probleme oder schlimmen Erlebnisse schildern. „Oft tut es ihnen gut, wenn sie einfach nur reden können“, sagt Bärbel Handschuh.

Niemand verlasse seine Heimat aus Spaß. „Die haben Schlimmstes erlebt“, sagt Kranz-Kohl. Darum ist es den drei Frauen auch so wichtig, den Flüchtlingen zu helfen. „Wenn man an der Hand genommen wird, dann ist es leichter“, sagt Handschuh. Die Helferinnen sind froh, dass sie bei ihrer Arbeit große Unterstützung von Ines Geltl von der Stadt Abensberg bekommen. Doch Vorurteile gegenüber den Menschen, die in der Gemeinschaftsunterkunft leben, erschweren ihr Engagement.

Helfer haben mit Rückschlägen zu kämpfen

Dennoch können sie von vielen Beispielen gelungener Integration berichten. Wie von dem jungen Mann, der 2014 aus Afghanistan nach Abensberg kam, kaum die deutsche Sprache beherrschte und heute der stellvertretende Leiter einer Sozialstation ist. Von Flüchtlingen, die darum kämpfen, eine Ausbildung machen zu dürfen und am Ende Erfolg haben. Oder die kurdische Familie, die Eltern Analphabeten, die Mutter zudem schwer krank, die alles getan hat, um sich zu integrieren. „Die Familie will bleiben und ist zufrieden. Auch das ist gelungene Integration“, sagt Kranz-Kohl.

Es gibt auch Rückschläge, wie zum Beispiel wenn Flüchtlinge mit dem System nicht zurechtkommen, gewalttätig sind oder der Drogenkonsum in der Gemeinschaftsunterkunft. „Da kommen wir an unsere Grenzen. Das dulden wir in keinster Weise“, stellt Kranz-Kohl klar. Gerade erst endete am Landgericht Regensburg ein Prozess um Geiselnahme, Entführung, erpresserischem Menschenraub und Handel mit Betäubungsmitteln in Abensberg. „Dazu kommt, dass gut Integrierte immer wieder mit den Taten anderer konfrontiert werden und sich dann für die anderen rechtfertigen müssen“, sagt Habel.

Wie es nach Corona weitergehen soll, wissen die drei nicht. Das Projekt „Kultiger“ soll auf jeden Fall fortgesetzt werden. Auch ein Begegnungsfest wäre laut Habel schön, wenn es irgendwie möglich sei. Bärbel Handschuh ist sich sicher, dass nach der Pandemie viele Probleme aufkommen werden. Als Beispiel nennt sie das Homeschooling. „Wir wissen nicht, wie viel die Kinder dann verpasst haben.“ Im Moment dürften sie nicht so viel Kontakt zu den Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft haben, wie sie eigentlich bräuchten. Kranz-Kohl: „Ich habe da ein ganz schlechtes Gefühl dabei.“