Niederbayerisches Bäderdreieck
„Ernste Lage“: Kostenwelle schwappt auf Thermen über

10.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:43 Uhr
Um die Temperatur des Thermalwassers, wie hier im Außenbecken der Europa Therme in Bad Füssing, konstant zu halten, wird viel Erdgas benötigt, doch auch das Heizen des Innenbereichs kostet Energie – und die Kosten steigen weiter an. −Foto: Armin Weigel/dpa

Entspannen im 36 Grad warmen Heilwasser, schwitzen in der Sauna, auf einer Liege zur Ruhe kommen. Der Besuch in einer der Thermen im niederbayerischen Bäderdreieck ist eine Wohltat und hat einen positiven Einfluss auf die Gesundheit. Doch die explodierenden Gas- und Strompreise wirken sich auch auf den Betrieb der Heilbäder aus.



Eine Maßnahme hat die niederbayerische Thermengemeinschaft bereits umgesetzt. Seit Anfang August sind die Saunabereiche und Dampfbäder der Europa Therme in Bad Füssing, Wohlfühl-Therme in Bad Griesbach (beide Lkr. Passau), Rottal Terme in Bad Birnbach (Lkr. Rottal-Inn) sowie die der Limes- und Kaiser-Therme in Bad Gögging und Bad Abbach (beide Lkr. Kelheim) geschlossen. Die Intention: Ihrer Kernaufgabe –Therapie in Heilwasser − nachzukommen.

Bei Gasengpass werdenThermen nicht beliefert

Bis zuletzt hatten die Verantwortlichen gehofft, dass Thermen in den „lebenswichtigen Bedarf“ aufgenommen werden. Diese Hoffnung ist, wie berichtet, zerplatzt. Laut Pressemitteilung des Bezirks Niederbayern hat die Bundesnetzagentur Heil- und Thermalbäder erneut als Freizeiteinrichtungen eingestuft. Das heißt: Wenn es zu einer Gasmangellage kommt, könnten die Thermen nicht mehr mit Gas versorgt, die Technik müsste heruntergefahren werden.

Dies könne gravierende Folgen haben und zur existenziellen Frage für die Einrichtungen werden, warnte Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich am Donnerstag. Franz Altmannsperger, Geschäftsführer der niederbayerischen Thermengemeinschaft, erklärt warum: „Im Winter 2020/21 haben wir gemerkt, dass wir circa 25 Prozent des normalen Energieverbrauchs benötigen, um die Technik vor massiven Schäden zu sichern.“ Ansonsten könnten Wasserfilter, die nicht trocken laufen dürfen, kaputtgehen und an Leitungen und Fliesen Risse entstehen. Doch man habe vorgesorgt: „Wir sind dabei, eine Notfallversorgung mit Flüssiggas aufzubauen, um Schäden zu verhindern“, sagt Franz Altmannsperger.

Die Schließung der Heilbäder wäre – nicht nur aus technischer Sicht – „fatal“, besonders vor dem Hintergrund, dass man sich gerade von Corona erhole. Zudem wäre nicht nur die Branche selbst – einschließlich der rund 550 Mitarbeiter in den fünf Thermen – betroffen, sondern auch Hoteliers, Zulieferer und andere Wirtschaftsunternehmen. Das Problem des Arbeitskräftemangels infolge der Abwanderung würde verstärkt. „Wenn die Gesundheitsbranche noch einmal gestoppt werden würde, wäre das brutal und ein Rückschlag“, so Altmannsperger.



„Wir sind extremvom Gas abhängig“

„Die Lage ist ernst“, sagt der strategische Geschäftsführer, „wir sind extrem vom Gas abhängig.“ Denn auch wenn das Thermalwasser – je nach Quelle – eine Auslauftemperatur zwischen mehr als 20 und 70 Grad Celsius hat und somit nicht erwärmt werden muss, wird Energie benötigt: Für die fünf Heilbäder der Gemeinschaft sind es zwischen 50 und 60 Millionen Kilowattstunden pro Jahr.

Ein Großteil des benötigten Erdgases wird verwendet, „um die Temperatur des Thermalwassers konstant zu halten“, sagt Franz Altmannsperger. Denn besonders in den Wintermonaten entweiche Wärme aus dem Wasser in den Außenbecken, auch wenn sie über Nacht abgedeckt werden. Aber auch für warmes Duschwasser, um das Wasser in den Innenbecken warm zu halten und die Badehallen auf angenehme 25 bis 30 Grad Celsius zu temperieren, bedarf es großer Mengen teuren Gasgemisches. „Die Leute wollen entspannen, wenn sie aus dem warmen Wasser kommen, und sollen auch nicht frieren“, so der Geschäftsführer. Zur zusätzlichen Energiegewinnung gibt es in fast allen Thermen sogenannte Blockheizkraftwerke. „Das kann man sich vorstellen wie einen Dieselmotor, der durch einen Generator Strom und Abwärme erzeugt.“

Die Saunen wurden zur Energieeinsparung bereits geschlossen – und das wird auch so bleiben, „solange die Gasversorgung instabil ist“, stellt Altmannsperger klar. Die niederbayerischen Bezirks- und zugleich Verbandsräte kamen diesbezüglich jüngst zu dem Schluss: „Nur wenn in den zweckverbandsgetragenen niederbayerischen Heilbädern die Saunen vorerst geschlossen bleiben, sichert dies die Zukunft der Heilbäder.“ Die Ausschussgemeinschaft der FDP/Bayernpartei hätten auch umliegende Saunabetreiber zum geschlossenen Handeln aufgerufen. Die gesellschaftlichen Energieeinsparungen könnten am besten durch eine einheitliche Vorgehensweise erreicht werden.

Die Thermengemeinschaft arbeite bereits mit Hochdruck an kurz- und langfristigen Maßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung, sagt Katrin Landes, Bezirksreferatsleiterin „Heil- und Thermalbäder“. So habe man für die Bäder auch Flüssiggas angeschafft. „Das ist im Moment die beste Lösung zur Sicherung der Bäder über den Winter.“ Langfristig sei das Ziel, „die Abhängigkeit vom Erdgas massiv abzubauen“, fügt Altmannsperger hinzu – zum Beispiel mithilfe von regenerativen Energiequellen wie Fernwärme und Photovoltaikanlagen.

Handlungsmöglichkeiten sieht Katrin Landes in der Herabsetzung der Beleuchtung, der Schließung einzelner Becken, kürzeren Öffnungszeiten sowie höheren Eintrittspreisen. Jedoch betont sie: „Wir wollen zuerst Maßnahmen umsetzen, die für den Gast wenig bis gar keine Auswirkungen haben.“

Die Gäste seien von den Maßnahmen zwar nicht begeistert, aber die meisten verstünden es, sagt Franz Altmannsperger. Die allgemeine Teuerungssituation wirke sich auf ihr Verhalten aus: „Die Leute haben weniger im Geldbeutel und Kriegsangst, das löst Verunsicherung aus.“ Viele überlegten spontan, ob sie sich den Thermen-Eintritt leisten wollen und können.

Thermalwasserals Heilmittel

Andere Besucher kommen, um ihre gesundheitlichen Beschwerden zu lindern. Dass Thermalwasser ein Heilmittel ist, sei wissenschaftlich belegt, sagt Franz Altmannsperger. Zudem habe man während der Pandemie gesehen, dass viele Patienten auf das Wasser angewiesen seien und sie nach den Schließungen abgebaut hätten. „Deshalb sind Thermen ganz klar Gesundheitseinrichtungen“, sagt Altmannsperger. Auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht, die für die Thermenmitarbeiter gilt, sei ein „starkes Indiz“. Dennoch hat die Bundesnetzagentur die niederbayerischen Heilbäder erneut als „Freizeiteinrichtungen“ eingestuft. Momentan habe die Thermengemeinschaft noch Glück, weil „gute Gaslieferverträge“ liefen, so Altmannsperger, jedoch müsse man schauen, ob man diese verlängern könne, wenn die Notfallstufe des „Notfallplan Gas“ ausgerufen werden würde.

Im Falle einer Schließung sei es „dringend erforderlich“, dass es für Thermen und andere wirtschaftliche Unternehmen finanzielle Maßnahmen gibt, sagt Franz Altmannsberger. Welche Hilfen angebracht wären, darüber möchte er nicht sprechen. „Am liebsten wäre es mir, wenn wir keine Unterstützung bekommen und die Thermen offen lassen dürfen.“