Kultur
Der Wegbereiter eines Genies

Michael Wolgemut war nicht nur der Lehrer von Albrecht Dürer. In einer XXL-Ausstellung wird er jetzt in Nürnberg gewürdigt.

26.12.2019 | Stand 16.09.2023, 5:12 Uhr

Michael Wolgemuts 500. Todesjahr stand im Schatten seines übermächtigen Schülers Albrecht Dürer. Nun sind Ingrid Bierer, Benno Baumbauer, Manuel Teget-Welz und Daniel Hess (v.l.) daran gegangen, ihn als einen der produktivsten Malerunternehmer der Spätgotik ins rechte Licht zu rücken. Foto: Nikolas Pelke

Mehr als Dürers Lehrer: Der ehrgeizige Untertitel der aktuellen großen Schau über Michael Wolgemut ist Programm. „Nürnberg ist keine Dürer-Stadt. Nürnberg ist eine einzigartige Stadt des Spätmittelalters“, ist sich Daniel Hess, Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums, sicher.

Kurz: Ohne Wolgemut, kein Dürer. Oder anders ausgedrückt: Michael Wolgemut hat Dürer erst den Weg geebnet. Ingrid Bierer haut in die gleiche kunsthistorische Kerbe. „Allein die Lorenzkirche beherbergt drei monumentale Glasfenster sowie acht Flügelaltäre und Epitaphien aus der Wolgemut-Werkstatt“, hat die Direktorin der städtischen Museen zur Eröffnung der umfassenden Ausstellung erklärt, die gleich in drei Museen und sechs Kirchen gezeigt wird. Diese grandiose Kunstvielfalt in Nürnberg müsste laut Daniel Hess eigentlich schon längst zum Weltkulturerbe gehören.

In der Frankenmetropole selbst werde dieser Schatz der Vor-Dürer-Zeit leider noch immer nicht angemessen wahrgenommen, ärgert sich Hess über die falsche Bescheidenheit der einst so stolzen Nürnberger.

Wenn nicht tragisch, dann zumindest kurios, finden sowohl Ingrid Bierer als auch Daniel Hess die Tatsache, dass erst ein halbes Jahrtausend nach seinem Tod und pünktlich zum 500. Todestag die erste Einzelausstellung über Leben und Schaffen des Dürer-Lehrers in Nürnberg zu sehen sei. Mit seiner florierenden Werkstatt im Schatten der Kaiserburg gehörte Wolgemut laut Daniel Hess zu den „führenden Malerunternehmern“.

Geschäftstüchtiger Künstler

Die wenig romantische Beschreibung als profitorientierter Geschäftsmann kommt nicht von ungefähr. Wolgemut habe auf vielen Hochzeiten des Kunstmarktes gleichzeitig getanzt. Motto: Je mehr, desto besser. Beispielsweise soll sich Wolgemut die lukrative Produktion der großen Flügelaltäre für die Kirchen unter den Nagel gerissen haben. Für den Erfolg sei laut Daniel Hess die enge Zusammenarbeit mit anderen Künstler-Unternehmern wie beispielsweise Holzschnitzern notwendig gewesen. Um diesen Kunstmarkt dominieren zu können, habe Wolgemut über den Tellerrand blicken und an den Export seiner imposanten Bildermaschinen nach Böhmen oder Sachsen denken müssen.

Hier kommt wieder Nürnberg ins Spiel. Die blühende Stadt habe die Kunst erst zum Blühen gebracht. Als „innovativer Unternehmer“ habe Wolgemut laut Hess geschickt das weit gespannte Nürnberger Handels- und Kommunikationsnetz für seine Zwecke genutzt. Mit der Zeit ist Wolgemut auch bei der Wahl des Bildmediums gegangen. Für das „ehrgeizigste Buchprojekt des Mittelalters“ habe Wolgemut laut Hess die Vorlagen gezeichnet.

Vater der Weltchronik

Der Bilderkosmos der Schedel’schen Weltchronik – die auch Nürnberger Weltchronik genannt wird – prägt laut Daniel Hess „bis heute die Vorstellung vom spätmittelalterlichen Europa“.

Und dann klopft auch noch Dürer an. Nicht von ungefähr geht der junge Albrecht beim führenden Malerfürsten in die Lehre. Während Wolgemut nach wirtschaftlichem Erfolg strebt, wird Dürer später den neuen Weg der künstlerischen Selbstverwirklichung begründen. Wie sehr Dürer trotz aller Unterschiede seinen alten Meister geschätzt haben dürfte, geht allein daraus hervor, dass Dürer ein Bildnis von Michael Wolgemut angefertigt hat.

Eine Ehre, die laut Manuel Teget-Welz vom Erlanger Institut für Kunstgeschichte sonst nur der engsten Familie zuteil geworden sei.