Prozesse
Der „Pate“ stolpert über Polizei-Spitzel

In einer Kneipe am Regensburger Auweg gab es Drogen aller Art. Eine siebenköpfige Bande steht seit Freitag vor Gericht.

02.11.2018 | Stand 16.09.2023, 5:54 Uhr
Wolfgang Ziegler

Gedränge im Gerichtssaal: Die sieben Angeklagten werden von 14 Rechtsanwälten verteidigt und von 14 Polizisten bewacht. Foto: Tino Lex

Die einstige Schmuddel-Kneipe „Sun Inn“ am Auweg neben dem Hotel „Hottentotten“ war über Monate hinweg tatsächlich der „Platz an der Sonne“ – für Dealer und Drogensüchtige. Ab Anfang 2017 gab es dort Marihuana, Kokain und Heroin zu Preisen zwischen 1,50 und 23 Euro, je nach Art des Betäubungsmittel und dessen Qualität. Die Spinne im Drogennetz war der Anklageschrift von Oberstaatsanwalt Dr. Markus Riedhammer zufolge der Betreiber des „Sun Inn“, der 55-jährige Gastwirt Fiqret D. Der gebürtige Albaner hatte eine Mafia-ähnliche Organisation aufgebaut. Die Geschäfte liefen gut – bis am 12. Dezember vergangenen Jahres die Polizei vor der Tür stand. Der Drogen-Pate war verdeckten Ermittlern auf den Leim gegangen.

Seit Freitag muss er sich nun wegen bandenmäßigen Drogenhandels vor der Jugendkammer des Landgerichts Regensburg verantworten – zusammen mit sechs seiner Helfer und Helfershelfer. Die sieben Angeklagten werden von 14 Rechtsanwälten vertreten, unter ihnen alles, was in Regensburg im Strafrecht Rang und Namen hat: Michael Haizmann, Jörg Meyer, Prof. Dr. Jan Bockemühl. Allein der Hauptangeklagte Fiqret D. beschäftigt drei von ihnen. Sie alle agieren als Pflichtverteidiger zu Tagessätzen von 263 Euro.

Durchstrukturierte Organisation

Die Anklageschrift liest sich wie eine Episode aus Mario Puzos „Der Pate“. Für die Drogen gab es Lagerhallen, Depots und Wohnungen – allesamt im Stadtosten von Regensburg –, in denen die jeweiligen Betäubungsmittel angeliefert, fein säuberlich registriert, nach Beschaffenheit und Lieferdatum gelagert, weitergeleitet oder dort an Direktabnehmer abverkauft wurden. Dafür soll Figret D.s rechte Hand und Nummer zwei der Bande, der 30-jährige albanische Koch Gridi B., verantwortlich gewesen sein. Seine Aufgabe war nach den Worten von Dr. Riedhammer unter anderem das Einsammeln der regelmäßig vierstelligen Tageseinnahmen aus den Drogengeschäften beim jeweiligen Depotverwalter und anderen Rauschgift-Dealern. Die Einnahmen habe Gridi B. täglich bei seinem Boss abgeliefert bzw. damit auf dessen Anweisung hin Helfer und Lieferanten bezahlt, sagte der Oberstaatsanwalt. Zudem soll er Buch über die einzelnen Rauschgiftlieferungen geführt und die Aufzeichnungen des jeweiligen Magazinverwalters auf Vollständigkeit geprüft haben.

Alle Hintergründe zur Verhandlung lesen Sie hier.

Unterhalb des Führungsduos hatte Regensburgs Drogen-Pate eine mittlere Management-Ebene installiert, die laut Anklagebehörde für den Transport, die Annahme, die Verwaltung und die Ausgabe der Drogen verantwortlich war. Sie setzte sich aus dem 33-jährigen Lkw-Fahrer Nikolin C., dem 20-jährigen Schüler Ergys X. und dem 23-jährigen Autolackierer Alesjo S. zusammen – auch sie alle Albaner. Als „kleinste Lichter“ der Drogen-Organisation waren auf der unteren Ebene unter anderem der 26-jährige Trockenbauer Elson J. und der 21-jährige berufslose Kejdi T. als sogenannte „Läufer“ aktiv. Sei mussten die Suchtmittel auf der Straße an den Mann bringen.

Ermittler bestellten Koks

Das Rauschgift hatten Fiqret D. und Gridi B. den Ermittlungen zufolge auf verschiedenen Wegen ins Land gebracht. Das Marihuana wurde in der Regel von Kurieren aus Serbien angeliefert. Vakuumverpackt soll es zumeist in den Seitenschwellern von Autos transportiert worden sein, in denen zudem Kaffeepulver verteilt war, um Rauschgiftspürhunde bei eventuellen Kontrollen abzulenken. Das Kokain kaufte das Kartell in den Niederlanden an und ließ es ebenfalls durch Kuriere nach Regensburg bringen. Das Heroin bezog die Gruppe laut Staatsanwaltschaft aus der Türkei.

Endgültig aufgeflogen war das Kartell am 12. Dezember 2017. Nachdem die Kripo das „Sun Inn“ schon viele Wochen davor unter „Manndeckung“ genommen hatte, betraten Anfang Oktober verdeckte Ermittler die Bühne. Sie bestellten in der Folgezeit unter anderem drei Kilogramm Kokain für 135 000 Euro – ein Bombengeschäft, für das der Drogen-Boss im Dezember seinen besten Mann nach Holland schickte, Gridi B. Der konnte in Rotterdam zwar alles entsprechend organisieren, im letzten Moment wurde allerdings der Kurierfahrer krank, weshalb Fiqret D. den Polizeispitzeln ein Ersatzgeschäft mit Marihuana und Heroin anbot – sein letzter Deal. Er wurde festgenommen, seine Organisation ausgehoben, die Mitglieder hinter Gitter verfrachtet.

Das „Küken“ der Drogen-Bande, der 20-jährige Ergys X., der sich bei seiner Verhaftung gerade erst 15 Tage in Deutschland befand, hat am Freitag bereits alles pauschal zugegeben. Der Stellvertreter des „Paten“ Gridi B. will hingegen nur als Manager des „Sun Inn“ fungiert haben und mit Drogen ghar nicht erst in Berührung gekommen sein. Und die übrigen Angeklagteh sagten erst einmal nichts. Sie wollen sich am nächsten Verhandlungstag am 7. November ab 9 Uhr äußern.

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