Helferkreis in Lappersdorf
Ein starkes Netz für Ukraine-Flüchtlinge

28.06.2022 | Stand 15.09.2023, 4:35 Uhr
Martina Groh-Schad
In Lappersdorf hilft man sich: Im Markt hat sich ein großes Netzwerk entwickelt. Die Ehrenamtlichen unterstützen die Geflüchteten aus der Ukraine, wo sie können. −Foto: Fotos: Groh-Schad

Kurz vor Ostern kam der neunjährigen Viola und ihrer Freundin Paulina eine Idee: Sie sammelten Steine, bemalten sie und boten sie vor ihrem Elternhaus in Lappersdorf in einem umgestalteten Kaufmannsladen zum Verkauf an. „Wir hatten vom Krieg in der Ukraine gehört“, sagt Paulina. „Da wollten wir helfen.“

Im Viertel sprach sich das neue Verkaufsangebot schnell herum. „Es kamen Leute zu uns, die bemalte Steine mit Wunschmotiven bestellt haben“, erklärt Viola stolz. Insgesamt 112 Euro haben die beiden Mädchen eingenommen.

Die Schülerinnen wollten etwas Besonderes mit dem Geld machen und entschieden sich für ein Grillfest für ukrainische Familien und ihre Helfer. Unterstützung fanden sie dabei bei Christina Renner-Lintl vom Familienstützpunkt, wo seit Monaten ehrenamtlich Eltern-Kind-Treffen und Sprachkurse organisiert werden. „Viele Helfer und Familien haben sich bei uns kennengelernt“, sagt sie. Daraus ist ein großes Helfer-Netzwerk entstanden.

Sozial engagiert

Mehr als 160 Menschen kamen seit Ausbruch des Krieges privat oder in Wohnungen in Lappersdorf unter. Zwei Helfer, die Familien aufgenommen haben, sind Anna Ammon und Ursula Kolbeck. Bei der Familie Ammon zog eine Mutter mit vier Kindern ein. Die Familie Kolbeck nahm eine Mutter mit einem Kind auf. „Meine Großeltern wurden von den Nazis verfolgt, so etwas prägt“, erklärt Ursula Kolbeck ihre Motivation. Die beiden Frauen sehen sich als sozial engagiert und finden es normal zu helfen, wenn man kann. Der Krieg habe bei vielen Ängste ausgelöst. So auch bei den Ammons. „Wenn eine ukrainische Familie einzieht, rückt der Krieg durch die Erzählungen, Fotos und Videos erst mal näher“, sagt Anna Ammon. „Aber wenn man etwas tun kann, dann kommt man damit leichter zurecht.“

Zusammen funktioniert das noch besser, findet sie und daher hat sie sich von Anfang an dafür eingesetzt, die Familien in Lappersdorf zu verbinden. In einer WhatsApp-Gruppe haben sich bis zu 35 deutsche Familien organisiert, die sich gegenseitig helfen. Aus diesem Netzwerk heraus ist auch eine Internetseite entstanden, in der Informationen für ukrainische Flüchtlinge im Landkreis Regensburg gebündelt aufbereitet werden. Einfachen Zugang zur Seite gewinnt man über die Homepage des Marktes Lappersdorf.

Die Not war von Anfang an groß. „Meine Familie aus der Ukraine hatte nur eine Plastiktüte mit ein paar Sachen dabei“, sagt Kolbeck. „Der bürokratische Aufwand ist enorm“, ergänzt Ammon und berichtet, dass sie ihre Familie zum Ausländeramt, zum Ankerzentrum, in die Gemeinde, zur Bank und zum Jobcenter begleitet hat. „Oft wussten wir gar nicht, wo wir uns mit Fragen hinwenden sollen“, erklärt Kolbeck. Unklar war anfangs, wo sich die Flüchtlinge melden müssen, ob sie finanzielle Ansprüche haben und ob beispielsweise Mietnebenkosten übernommen werden. Unterstützung fanden die Helfer auch beim Arbeitskreis Integration rund um Claudia Deml, die schon seit vielen Jahren Asylbewerber in Lappersdorf unterstützt und Erfahrung im Umgang mit Behörden und Hürden hat. Der Markt Lappersdorf hilft mit Räumen für Treffen aus und auch die Integrationsstelle des Landkreises steht beratend zur Seite.

Vieles kam durch den gegenseitigen Austausch in Gang. Es wurden sechs Deutschlehrerinnen gefunden, die Kurse anbieten. Der Bläserverein führte ein Willkommenskonzert durch.

Kleiderkammer gegründet

Weil viel Kleidung benötigt wurde, gründete Uschi Kolbeck kurzerhand eine eigene Kleiderkammer. Ab sofort ist die Kleiderkammer über der ehemaligen Metzgerei Kain in der Ortsmitte untergebracht. „Die Kleiderkammer steht allen Flüchtlingen und auch deutschen Bedürftigen offen“, betont Kolbeck. Weitere Helfer werden gesucht, um Öffnungszeiten abzudecken. Die Kontaktaufnahme erfolgt am besten über den Markt Lappersdorf.

Für die Familie Ammon ist gerade keine leichte Zeit. „Unsere ukrainische Familie hat vor ein paar Tagen eine eigene Wohnung bezogen“, erzählt Anna Ammon. Die Umgewöhnung ist schwer, vor allem für die Kinder, die sich an das Zusammenleben gewöhnt haben. Demnächst wollen die Ammons eine neue Familie aufnehmen und weiterhelfen.