Satire
Für die „Bieraten“ zählt nur das Bier

Die Regensburger „Bieraten“ haben sich ehrgeizige Ziele gesteckt: Sie machen sich für Bier statt Salat und Universitäts-Klausuren via Twitter stark.

27.01.2014 | Stand 16.09.2023, 7:13 Uhr
Philipp Seitz

Die Köpfe hinter den Regensburger Bieraten: Martin Oswald (links), der für die Hochschulgruppe im Konvent sitzt, und Katja Ertl. Foto: Seitz

Ihr Motto ist Programm: „Das Bier entscheidet“, ist auf derFacebook-Seite der Regensburger „Bieraten“zu lesen. Auf Gesichter hat die politische Hochschulgruppe auf ihren Plakaten bewusst verzichtet: „Überall hängen in der Uni während der Wahlkampfzeit irgendwelche Gefrieser, das wollten wir nicht“, sagt Martin Oswald. Die Gruppierung entschied sich deshalb dafür, die Kandidaten durch Bierflaschen zu ersetzen. „Wer am liebsten ein Helles trinkt, der wählt halt dann den Martin Oswald“, erzählt der 29-jährige Student.

„Wir sind keine Spaßpartei!“

Ein bisschen geflunkert haben die Bieraten auf ihren Wahlplakat aber schon: So wirbt Oswald auf seinem Wahlplakat damit, „Zechwissenschaften“ zu studieren. In Wirklichkeit studiert Oswald aber Philosophie, was er als „das Zuhause der Biertrinker“ bezeichnet. Für ihn und seine Gruppe zählen nur Inhalte, berichtet Oswald überzeugt: „Wir sind doch keine Spaßpartei, wie etwa der Ring Christlich-Demokratischer Studenten!“

Auch ein Wahlprogramm hat die satirische Gruppe deshalb sorgfältig erarbeitet. So wird gefordert, Klausuren auch via Twitter abzuhalten. „In vielen Fächern studiert man sowieso nur stupiden und auswendig zu lernenden Mist, der auch in 140 Zeichen darstellbar sein muss“, heißt es im Bieraten-Programm. Oder: „Um die bedarfsgerechte Versorgung mit Bier sicherzustellen, ist die Salatbar der Mensa durch eine Bierbar zu ersetzen.“ Für Oswald ein stimmiges, durchdachtes aber auch populistisches Wahlprogramm.

Und das zahlte sich offenbar aus: Während die Liberale Hochschulgruppe leer ausging,zog Martin Oswald überraschend für die Bieraten in den studentischen Konvent ein. Für Oswald war es dennoch ein schwarzer Tag: „Wir haben bei den vergangenen Hochschulwahlen eine herbe Niederlage eingefahren. Daran gibt es nichts herumzudeuten und schönzureden.“ Das Wahlziel, den Konvent zu kentern, sei nicht erreicht worden. Knapp 70 Stimmen waren dafür einfach zu wenig.

Für die Bieraten liegen die Gründe für das Scheitern jedoch auf der Hand: Trotz eines „herausragendem Wahlkampfes“ sei es den Bieraten offensichtlich nicht gelungen, sich als „einzige wahre Alternative gegenüber den etablierten Spaßlisten“ aufzudrängen. „Der Anteil der Biertrinker in der PT-Cafeteria ist immer überwältigend. Die meisten schnallen es halt nur noch nicht, dass sie uns wählen müssen“, meint Oswald.

Doch daran will er noch arbeiten.Drei Anträgehat Oswald kürzlich eingereicht, um weiterhin bis zum Semesterende präsent zu sein. Wann sie behandelt werden, weiß er aber noch nicht. „Vielleicht werden sie ja am Donnerstag besprochen, wenn es der Vorsitzende auf der Tagesordnung zulässt“, sagt Oswald. Im Detail geht es um die Umnutzung des Evangelischen Krankenhauses. Die Bieraten möchten, dass das ab 2017 leer stehende Gebäude zu einer Brauerei umgebaut wird. „Im Mittelpunkt einer Stadt sollte eigentlich eine Brauerei stehen“, ist Oswald überzeugt.

Institut für Bierheilkunde gefordert

Ein weiterer Antrag fordert, dasInstitut für Psychologie abzuschaffenund stattdessen ein Institut für Bierheilkunde einzuführen. „Manche Krankheiten sind mit Bier einfach besser zu heilen als mit Psychologie“, lautet der Standpunkt der Bieraten. Ein Herzensanliegen ist der Hochschulgruppe zudem, dass an allen Getränkeautomaten der Universität eine mindestens 90-prozentige Bierquote eingeführt wird. „Immer ist in den Automaten nur das Bier leer, und nicht etwa der Eistee“, beklagt Oswald. Doch das möchten die Bieraten nun schleunigst ändern.

Ob auch die anderen Hochschulgruppen die Meinung der Bieraten teilen, ist freilich ungewiss. „Bisher stehen die Mehrheiten gegen uns“, bedauert Oswald. Und das, obwohl die Bieraten seiner Meinung nach eine der aktivsten Hochschulgruppen im Konvent beim Stellen von Anträgen seien. „Wir haben wichtige Themen und greifen die Anliegen der Studenten auf, auch wenn uns immer etwas anderes unterstellt wird. Das was die anderen Gruppen machen ist bloß immer Spaß.“

Bunte Liste „entmachtet“

Ein Ziel haben die Bieraten, wenn auch mit fremder Hilfe, schon erreicht: Die Entmachtung derBunten Liste, wie es Oswald nennt. „Immer wenn es gegen die Bunte Liste geht, finden wir es gut und stimmen mit den anderen Hochschulgruppen.“ Die Bunte Liste hätte während ihrer Regierungszeit die Uni „komplett niedergewirtschaftet“, meint Oswald. „Wir wollten nach der Entmachtung auch einen Feiertag an der Universität einführen: Den Bunte-Liste-Auszugstag. Doch die fadenscheinige Begründung der Spaßparteien lautete, dass dies nicht umsetzbar sei“, bedauert der Bierat.

Doch was sagt die Bunte Liste über die Bieraten? „Hinter den Bieraten steckt eine Person: Martin Oswald. Oswald bemüht sich wohl, das oft trockene Feld der Hochschulpolitik durch Satire zu befeuchten und stellt dabei die Bunte Liste stark in den Vordergrund“, teilt die Hochschulgruppe mit. Davon profitiere die Bunte Liste: „ Immer wieder werden Studierende durch die Bieraten auf uns aufmerksam, kommen zu unseren Treffen und interessieren sich für unsere Arbeit.“

„Lassen uns nicht beirren!“

Die Bunte Liste sei bereits die zweite Legislaturperiode in Folge stärkste Fraktion im studentischen Konvent. „Wir haben Erfahrung uns lassen uns nicht beirren“, betonen sie und bemängeln, dass die Bieraten bei den letzten Konventssitzungen nicht vertreten gewesen seien.

Einer Gruppierung oder Partei gehören die Bieraten allerdings nicht an – auch wenn dies ihr Logo vielleicht andeuten könnte. „Wir wollten uns irgendwo ein Logo klauen. Die Piraten sind gegen Urheberrecht und wir Bieraten waren einfallslos. Deshalb haben wir uns einfach das Logo der Piratenpartei geholt und noch einen Bierkrug in das Logo eingefügt“, erzählt Oswald. In der Hochschulpolitik hatte er übrigens auch schon früher Erfahrungen gesammelt: „Ich gehörte zur Nihiliste, die keine Ziele hatte. Doch die Nihiliste hat sich irgendwann in nichts aufgelöst.“

Nun will Oswald aber mit den Bieraten erfolgreich die Hochschule mitgestalten. Mit den anderen Parteien will er dabei möglichst wenig zusammenarbeiten: „Die Abwahl der Bunten Liste war ein reines Zweckbündnis. Ansonsten wollen wir mit den anderen Gruppen nichts zu tun haben. Wenn in einer Kneipe sonst nirgends ein Platz frei ist, dann muss man sich halt zu ihnen setzen. Ansonsten aber nicht.“

In der Regensburger Kommunalpolitik wollen die Bieraten jedoch nicht aktiv werden. Eine Nachfolgerpartei für die legendäre Liste Alz wird es somit vorerst nicht geben: „Nachdem, was die anderen Hochschulgruppen immer versprechen, muss der Konvent das mächtigste Gremium der Stadt sein. Und wir wollen nur in den mächtigen Parlamenten mitmischen.“ Bislang konnten die Bieraten ihre Standpunkte im Konvent der Universität Regensburg noch nicht ganz vertreten, räumt Oswald ein. „Wir wollten eigentlich noch mehr erreichen. Doch in der Politik ist es wie bei einem guten Bier: Das muss man auch erst ein wenig im Keller gären, bis es zur vollen Entfaltung kommt.“