Regensburg
Psychiatrie-Erfahrene helfen Betroffenen

Im Juni startet zum vierten Mal die Ausbildung zum Genesungsbegleiter. Klaus Nuißl hat dafür ein Buch geschrieben.

19.01.2022 | Stand 15.09.2023, 21:46 Uhr
Martina Groh-Schad
Klaus Nuißl (rechts) arbeitet als Genesungsbegleiter und hat ein Buch über diese Tätigkeit herausgegeben. Das Sozialteam unter Geschäftsführer Peter Weiß (links) bietet zum vierten Mal die Ausbildung an. −Foto: Martina Groh-Schad

Wenn es um psychische Erkrankungen und den Aufenthalt in einer Psychiatrie geht, weiß Klaus Nuißl gut, was in Betroffenen vorgeht. Der 42-Jährige war früher selbst mehrmals Patient in Kliniken und hat einen längeren Weg hinter sich, um sich gesundheitlich zu stabilisieren. Seit mehr als acht Jahren arbeitet Nuißl als Ex-In-Genesungsbegleiter, zuerst für das Regensburger Sozialteam, seit 2016 in der Institutsambulanz am Bezirksklinikum.

EX-IN steht hier für den englischen Begriff „Experienced Involvement“ und bedeutet übersetzt die Beteiligung Erfahrener. Gemeinsam mit Susanne Ackers hat Nuißl ein Buch herausgegeben, in dem die Arbeit anhand von Beispielen vorgestellt wird. Das Buch ergänzt die Qualifizierung zum EX-IN Genesungsbegleiter, die es seit 2015 auch in Regensburg gibt. Nuißl ist Diplom-Psychologe und als Trainer in der Ausbildung im Einsatz.

Aktuell läuft das Bewerbungsverfahren für den vierten Kurs. Insgesamt sind es zwölf Module, die innerhalb eines Jahres absolviert werden müssen. Ein Modul dauert drei Tage. Die Teilnehmer setzen sich mit verschiedenen Aspekten rund um das Thema Gesundheit auseinander und sprechen über ihre eigenen Erfahrungen mit der Erkrankung.

„Aus Erfahrung soll Erfahrungswissen werden“, erklärt Nuißl. Die Themen sollen zunächst für sich geklärt werden, dann wird zu zweit darüber gesprochen und im Anschluss alles in einer Gruppe oder sogar im Plenum thematisiert. Am Ende des Kurses können die Teilnehmer ein Zertifikat erlangen und damit dann als EX-IN-Genesungsbegleiter arbeiten.

Ausbildung von 15 bis 20 Personen möglich

In Regensburg gibt es aktuell vier ausgebildete Kräfte, die als Ansprechpartner für Menschen zur Verfügung stehen, die in der Psychiatrie waren. In der Oberpfalz sind es zwölf angestellte Personen. 15 bis 20 Interessierte können derzeit an der Ausbildung teilnehmen. Nicht alle wollen später als Genesungsbegleiter arbeiten. „Manche machen es für die eigene Entwicklung“, sagt Nuißl. Die Ausbildung muss selbst bezahlt werden, kann aber gefördert werden. Langfristig soll versucht werden, mehr Begleiter zu gewinnen.

„Die Chancen auf eine berufliche Tätigkeit stehen gut“, erklärt Nuißl. Die Akzeptanz, Psychiatrie-Erfahrene einzubeziehen, steige an. Von den Patienten werde das Angebot gut angenommen. Es gebe viele, die mit jemanden reden wollen, der selbst erlebt hat, wie sich eine psychische Erkrankung anfühlt. „Du weißt, wie die Semmel schmeckt“, habe ein Patient kürzlich zu ihm gesagt, erzählt Nuißl.

Kurs:Informationen:Ablauf:
In Regensburg soll im Juni zum vierten Mal vom Sozialteam die Ausbildung zum Ex-In-Genesungsbegleiter angeboten werden. Bewerbungsschluss ist Ende März.Das Bewerbungsformular findet man unter www.ex-in-by.de. Am 8. Februar findet um 19 Uhr online eine Informationsveranstaltung statt, zu der man sich unter ex-in@sozialteam.de anmelden kann.Die Ausbildung dauert ein Jahr und es müssen zwölf Module absolviert werden. Pro Monat wird ein Modul an drei Tagen bearbeitet. Am Ende können die Teilnehmer ein Zertifikat erhalten und danach als EX-IN Genesungsbegleiter arbeiten.

Volle Unterstützung erfährt der Diplom-Psychologe hier von seinem früheren Arbeitgeber, dem Sozialteam. „Die Beteiligung von Psychiatrie-Erfahrenen als Profis bietet eine Qualitätssteigerung bei der Versorgung psychisch erkrankter Menschen“, erklärt Geschäftsführer Peter Weiß. Beim Sozialteam sind an verschiedenen Standorten mehrere EX-IN-Genesungsbegleiter beschäftigt. Ihre Arbeit sei sowohl für die betroffenen Menschen wie auch für die anderen Beteiligten wie Ärzte und Therapeuten anderer Berufsgruppen wertvoll. „Alle profitieren von dem Erfahrungsschatz aus der Praxis“, erklärt er.