Respektloses Graffiti
Regensburg: Jahn-Fans beschmieren Denkmal für Nazi-Opfer

01.12.2022 | Stand 15.09.2023, 2:39 Uhr
„1889“: Seit kurzem prangt das Gründungsjahr des SSV Jahn Regensburg an der Gedenkstele für Zeugen Jehovas, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. −Foto: Philip Hell

Ein Graffiti prangt auf dem Denkmal für von den Nazis ermordete Zeugen Jehovas am Regensburger Georgenplatz. Muss die Tafel nun entfernt werden?



In der ganzen Stadt sind sie zu sehen: Graffitis mit Bezug zum Fußball-Zweitligisten SSV Jahn Regensburg. Nun ist ein Schriftzug an der Gedenkstele für im Holocaust ermordete Zeugen Jehovas am St. Georgenplatz aufgetaucht. Die Tafel wurde im Januar aufgestellt. Seit kurzem prangt dort „1889“, das Gründungsjahr des Fußballklubs. Stadt, Verein und Glaubensgemeinschaft verurteilen den Vorfall.

„Es ist ein Zeichen von Respektlosigkeit“, sagt Christian Schüssel, Regionalsprecher der Zeugen Jehovas in Bayern. „Wir wurden während des Nationalsozialismus verfolgt und umgebracht.“ Umso schlimmer sei es, dass die Diskriminierung nun weitergehe. Die Schmiererei sei insbesondere auch deshalb kritisch zu sehen, weil 1889 nicht nur das Gründungsjahr des SSV Jahn Regensburg ist, sondern auch das Geburtsjahr von Adolf Hitler. Im Endeffekt sei es aber egal, ob das Graffiti einen politischen Hintergrund oder einen Fußball-Bezug hat. Die Schmiererei sei schlicht und einfach intolerant.

Der Jahn verurteilt jede Form von Vandalismus, heißt es in einer Stellungnahme des Vereins zum Vorfall. „Das Beschmieren der Gedenkstele am Regensburger St. Georgenplatz, die dem mutigen Widerstand von Personen gegen das Nazi-Regime und dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus gewidmet ist, verurteilen wir ausdrücklich und nachdrücklich.“ Man befinde sich „im regelmäßigen und konstruktiven Austausch“ mit den eigenen Fans. „Bei derartigen Gelegenheiten thematisieren und sensibilisieren wir über Vandalismus und über deren rechtliche und öffentlichkeitswirksame Konsequenzen.“

Die Stadt hat inzwischen die Polizei eingeschaltet. Bilder des Graffitis wurden an die Beamten weitergeleitet.

Die Kriminalpolizei Regensburg hat die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Sachbeschädigung aufgenommen, sagt Präsidiumssprecher Florian Beck auf Anfrage. Die genaue Schadenshöhe sei derzeit noch unklar. Die Beamten bitten um Hinweise unter der Nummer 0941-5062888.

Die Stadt kritisiert den Vorfall scharf: „Es ist indiskutabel und auf das Schärfste zu verurteilen, die Gedenktafel so zu beschmieren“, sagt Sprecherin Juliane von Roenne-Styra. Nun werde versucht, die Tafel zu säubern.

Wie Zeugen-Jehovas-Regionalsprecher Schüssel sagt, habe auch ein Regensburger Mitglied der Zeugen Jehovas bereits versucht, den Schriftzug von der Gedenkstele zu entfernen. Das lässt sich auch vor Ort beobachten. Die hinteren Ziffern des Graffitis sind bereits etwas verblasst. Sollte es nicht gelingen, den Schriftzug von der Stele zu bekommen, wird die Gedenktafel abgebaut, sagt Stadt-Sprecherin von Roenne-Styra. Das Denkmal sei ohnehin als Provisorium gedacht gewesen. Bis Ende Januar 2023 sollte es ursprünglich stehen bleiben. Danach soll an gleicher Stelle eine feste Stele aufgestellt werden.

Der St. Georgenplatz hat eine besondere Bedeutung für die Regensburger Zeugen Jehovas. Von hier aus organisierten sie bereits ab 1933 Widerstand gegen das Regime der Nationalsozialisten aus christlicher Überzeugung heraus. In Regensburg wurden 21 Zeugen Jehovas von den Nazis verfolgt. Drei verloren dabei ihr Leben.

Die Stele erinnert insbesondere an Heinrich Lutterbach, der am St. Georgenplatz wohnte. Er wurde 1936 in das Konzentrationslager Gusen (Oberösterreich) deportiert. Dort war er neun Jahre inhaftiert. Er überlebte. Die Zeugen Jehovas begrüßen den Plan der Stadt, am St. Georgenplatz eine feste Stele aufzubauen, sagt Regionalsprecher Schüssel: „Es sollte in Erinnerung bleiben, wie wir gelitten haben.“