Gastronomie
Traumgespann bringt Lokal in Erfolgsspur

Dahoam bei Kerstin und Mama: Mutter und Tochter haben von der Adresse Regensburg, Ölberg 17, den Fluch genommen.

30.11.2017 | Stand 16.09.2023, 6:19 Uhr
Helmut Wanner

Spontan küsst Kerstin ihre Mama. Die zwei Wirtinnen sind ein Traumgespann, ihr Lokal ein Ort der Entschleunigung. Foto: Wanner

Es gibt Ecken in Regensburg, da geht das Glück achtlos vorbei. Da geht einfach nichts. Jeder Versuch ist zwecklos. Der Misserfolg scheint wie eine Seuche an diesen Steinen zu kleben. Die Adresse Ölbergstraße 17/Marstallstraße war so ein Eck. Lokale machten am Ende des Ölbergs auf und wieder zu. Das ging Jahrzehnte so. Am Ende hatte es ein französisches Gourmetlokal erwischt. Bäckerstochter Elisabeth Neburg, die älteste Bewohnerin des Ölbergs, hatte es förmlich kommen sehen.

Doch plötzlich ist alles anders. Wer jetzt vom Emmeramsplatz in Richtung Ägidienplatz geht, denkt: „Holla! Was ist da los? Da is ja was los!“ Keine Euros haben das Wunder gewirkt, kein toller Innenarchitekt, nur diese Zwei: Kerstin Wurmer und Christine Busin, Mutter und Tochter – sie haben den Misserfolgs-Teufel ausgetrieben. Die Vermieterin lobt die Pächterinnen in den höchsten Tönen: „Spitzenmäßig. Ich bin froh, dass das Lokal einen solchen Anklang findet. Für einen Tisch beim Brunch musste ich eineinhalb Wochen vorher reservieren.“

„Wir machen unser Ding“

Warum ist das so? Christine Busin berichtet von einem Gast, der den Mantel auszog und sagte, „jetzt krieg ich a Gänsehaut. Das ist ja wia dahoam.“ Kerstin Wurmer sagt, dass die Leute am Anfang vom Flair so ergriffen waren, dass sie sogar das Geschirr abräumen wollten – „wia dahoam“.

Das Lokal ist das eigene Wohnzimmer der Wirtinnen. Schon am Eingang steht ein Kanapee. Jeder Tisch ist anders und kein Stuhl ist gleich. Zusammengekauft und geschenkt ist das Mobiliar, aber gemütlich. Die Wärme strömt – von einem Kachelofen in der Mitte und von den liebevollen Details: Großer Spiegel über dem ausladenden Kanapee, auf dessen Lehne sitzt ein rosa Hausschwein aus Plüsch. Aus der Tiefe des Raums leuchten die Unterteile von zwei alten Küchen-Büffets, sie dienen als Bar und Theke. Von dort her kommt eine Stimme: „Griaß de!“

Es ist diese persönliche Ansprache, die einen gefangen nimmt. Man hat sofort Zeit, man lässt jedem Zeit. Das trifft offenbar auf eine Sehnsucht beim Menschen, der bei allem Wandel, der ihm auferlegt wird, das Bleibende, das Bodenständige sucht. „Wir sind Idealisten. Wir machen unser Ding. Das ist es. Hier wird gelebt und gelacht. Das macht was aus“, erklärt die Mutter das Konzept. Die 53-jährige gelernte Hauswirtschaftlerin hat drei Kinder großgezogen. Mit Kerstin (28), ihrer einzigen Tochter, teilt sie sich Küche und Service. So haben sie den Misserfolg ausgetrieben. „Da, wo wir sind, halten sich nur die ganz hartnäckigen Teufel.“

Dahoam bei Kerstin und Mama gibt es Sachen auf der Karte, die gibt es eigentlich gar nicht mehr. Das Kracherl zum Beispiel. Das sind selbstgemachte Limonaden, denen die Tochter Fantasienamen gegeben hat. Sie heißen „Breznsoiza“, „Dipferlscheissa“ und „Gniabisla“. Das große Frühstück für eine Person heißt „Alloa dahoam“ und das für zwei Personen nennt sich „zwoa dahoam“. Es gibt a „Singerlfuada“ (Porridge), den „strammen Papa“ und den „wuiden Opa“. Die Tees heißen „brüawarm“ und die Eier heißen „Gagerln“.

Familie ist für die Niederbayerin alles. Das hat einen tragischen Hintergrund. „Mein Papa ist früh gestorben.“ Die 53-Jährige stammt aus einem Bauernhof in Paring und hatte ursprünglich auf Hauswirtschafterin für den ländlichen Raum studiert. Als Landfrau kann man von Haus aus alles: Kuchen, Torten und Plätzchen backen und kochen sowieso. „Alles ohne Geschmacksverstärker. So, wie wir das selber gerne essen.“

Zwei Söhne hat Christine Busin, die Tochter ist in der Mitte der Kinderfolge. Mutter und Tochter verstehen sich von Geburt an blind. „Die Hebamme hat mir die Kerstin nach der Geburt schreiend in den Arm gelegt und gemeint, des is aber eine Plärrgoscherte. Ich hab zu ihr bloß gesagt: Ja, Mädl, was hast du denn. Und schon war sie still. So ist es bis heute geblieben.“

Ein Frauen-Traum wird wahr

Die beiden sind das berühmte Traumgespann. Mutter und Tochter arbeiten immer zu zweit. Im Biergarten Schwalbennest „schmissen“ sie ein Jahr lang die Küche. Im Catering sind sie heute noch unterwegs. Die beiden verköstigten bei Rock im Park und dem Chiemsee Reggae Summer die Fans mit ihren „Aafdrahten“, das sind Kartoffeln, die spiralförmig aufgeschnitten auf ein Holzstäbchen gesteckt und im Fett kross gebraten werden. Die gibt es seit sieben Jahren auch auf dem Christkindlmarkt im Spitalgarten.

Mit dem Wirtshaus „Dahoam bei Kerstin und Mama“ haben sich die beiden im Juni dieses Jahres einen Traum erfüllt. Zu zweit haben sie das Lokal renoviert. Selbst ist die Frau: Boden rein, Stuck an die Decke, Tapeten an die Wände. „Von Anfang an haben wir die Türe offen gelassen. Wir waren noch nicht fertig, da hat eine Sängerin das Lokal für ein Fotoshooting benutzt. Sie hat sich spontan ins Lokal verliebt.“

Die Mutter wollte endlich vom Land in die Stadt. Sie wohnt jetzt in der Bachgasse gegenüber dem Hemingway. Zu Beginn hatte sie dort nicht einmal eine Küche, denn daheim war sie ja schon im „Dahoam“. Nach einem halben Jahr fällt die Bilanz hervorragend aus: „Es gefällt mir super“, sagt Kerstin. „Weil wir sehen wie gut wir bei den Leuten ankommen. Die möchten gar nicht mehr gehen.“ Kerstin und Mama übrigens auch nicht. Sie feiern diesen Heiligabend mit der Familie und mit Freunden „dahoam bei Kerstin und Mama“ am Ölberg.

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