Szene
Abstieg in das „Berghain von Regensburg“

Dunkel, karg, geheimnisvoll: Um die Techno-Kathedrale Schimmerlos ranken sich Mythen. Die MZ war zu Besuch im Untergrund.

12.10.2015 | Stand 16.09.2023, 6:57 Uhr
Rauer Putz, offen liegende Luftschächte, kein „Make-Up“: Der „Bunker“-Eingang führt in den aktuell geheimnisvollsten Club von Regensburg. −Foto: MZ

Ein heftiges Gewitter erschüttert den Untergrund des Parkhauses am St.-Peters-Weg. Nebel steht in den dunklen Kellergewölbe-Gängen. Blaue und rote Lichtblitze zucken über rudimentäre Wandmalereien und unverputzte Steinmauern. Ein druckvolles Donnergrollen schwillt in den Boxentürmen an, das Besuchermeer – in den aktuell wohl geheimnisumwittertsten Räumen der Regensburger Partyszene – beginnt zu wogen.

Gerade einmal vier Wochen ist das Schimmerlos alt, da ranken sich schon viele der typischen Mythen um den neuen Club im Herzen von Regensburg: Tief im Untergrund des Parkhauses versteckt lägen die Räume. Die Anlage sei so laut, dass man einen Gehörschutz brauche. Ohne Gästelistenplatz gehe nichts: Ein rigoroser Türsteher, der nur ein ausgewähltes Publikum einlässt, wird dem Schimmerlos angedichtet. Die rund 20 Meter unter der Erde liegende Techno-Kathedrale genießt sogar den Ruf das „Berghain“ von Regensburg zu sein.

Es gibt so gut wie keine Fotos

Von dieser sagenumwobenen Atmosphäre lebt das Schimmerlos. Fakt ist: Viele Regensburger haben tatsächlich noch keinen Schimmer von der so gut gehüteten Techno-Parallelwelt. Es gibt so gut wie keine Fotos aus dem Inneren.Wer sich auf der Facebook-Seiteinformieren will, muss sich mit minimalistischen Zeichnungen, fremdartigen Ornamenten und kargen Informationen abfinden.

Natürlich hinkt der Vergleich zu dem Berliner Kult-Club Berghain an vielen Stellen, aber das Schimmerlos ist aktuell der wichtigste Treffpunkt der Regensburger Techno-Szene. Der Laden gehört zwar zu dem wohl bekanntesten Regensburger Club Suite15 – wer rein will, zahlt aber extra. An der Grenze zwischen der breiten Party-Szene und dem Subkultur-Untergrund wacht eine Türsteherin. Würde sie den Kopf schütteln, wäre stundenlanges Styling und minutenlanges Schlangestehen tatsächlich umsonst. Der Eintritt in das Allerheiligste der Regensburger Technoszene – das Abtauchen in Tanz und Rausch – bliebe verwehrt. Verzweifelte Partygäste, die wie vor dem Berliner Berghain um Einlass betteln, sucht man am St.-Peters-Weg aber vergeblich. „Eigentlich kommt letztlich fast jeder rein“, verrät die Türsteherin hinter vorgehaltener Hand. „Ein besonderer Stil sei nicht Grundvoraussetzung.“

Die Männer tragen T-Shirts statt Hemden, die Frauen auffällig oft Turnschuhe. Eine Gruppe von Jungs betritt den Club sogar in Jogging-Hosen. Wenn es einen Dresscode gibt, lautet er: leger, aber stylisch. Das Gesehenwerden tritt – in dem ohnehin sehr dunkel gehaltenen Club – in den Hintergrund, wichtiger ist es den Leuten, sich beim Tanzen möglichst frei bewegen zu können.

Ist der überraschend zahme Zerberus am Eingang passiert, geht es in die Tiefe. Rund zehn Meter liegt schon die Suite15 unter dem Parkhaus, für das Schimmerlos geht es noch eine weitere Etage hinab. Ein düster gestyltes Zimmermädchen nimmt dort die Jacken an der Garderobe entgegen: Der Kragen ihres Kleids ist weiß, alles andere tiefschwarz. Neben der Garderobe steht ein Käfig voller Kuscheltiere und Stoff-Schmetterlinge in einem beleuchteten Schaufenster. Ein Elchkopf hängt vis-à-vis an der kalkigen Betonwand, über der ersten Bar ein lebensgroßer Haifisch: Exoten willkommen, das will das Interieur vermitteln.

Wenn man dann durch den schmalen „Bunker“-Eingang schreitet, breitet sich tatsächlich das Gefühl aus, etwas Unkonventionelles – ein Abenteuer – zu erleben. Das Schimmerlos-Gewölbe ist dunkel, karg und geheimnisvoll. Gleichzeitig zeigt die Schwester der Suite15 mehr Ecken und Kanten. Rauer Putz, offen liegende Luftschächte, kein „Make-up“:Bei der Neueröffnung der Suite15im Juli betonte Geschäftsführer Sascha Al-Mahmoud, wie sehr ihm die Authentizität der Location am Herzen läge. Mit seiner minimalistischen Dekoration und den komplett unverputzten Backsteinwänden verkörpert das Schimmerlos diese Authentizität noch kompromissloser.

Moonbootica muss draußen bleiben

Unaufdringlich und gleichzeitig doch auch markant bleibt die Lichtanlage. Die LED-Stäbe an der Decke des Hauptraums wirken wie verästelte Adern. Nur rotes und blaues Licht pulsiert zum Herzschlag der Boxen. Immer wieder schickt der DJ ein tiefes dunkles Grollen durch das Gewölbe. Dann setzen wieder die einfachen aber treibenden minimalistischen Rhythmen ein. Das Partyvolk zuckt und tanzt: Im Zentrum sind die Technofreaks voll in ihrem Element, am Rand saugen Neugierige die Energie auf.

„Beim Betreten der Diskothek ist mit erhöhter Lautstärke zu rechnen. Für Schäden wird nicht gehaftet“, warnt schon ein Schild im Eingangsbereich. Laut Al-Mahmoud ist in den Raum eine dem Club Berghain vergleichbare Musikanlage eingebaut. Letztlich martert aber kein reines Störfeuer aus Bässen die Ohren der Tanzwütigen. Ganz im Gegenteil: Die Boxentürme überraschen mit einem außergewöhnlich klaren und für die Lautstärke auch noch angenehmen Klang. Das Schimmerlos mag bei der Auswahl der Gäste vielleicht nicht radikal sein, in Bezug auf die Musik gibt es aber keine Kompromisse. Wer hier Robin Schulz oder Calvin Harris erwartet, ist an der falschen Adresse.Kommerzielle Elektro-Formationen wie Moonbootica müssen auf die Suite15 ausweichen.

Bilder aus der Suite15 gibt es in unserer Fotostrecke:

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