Gesundheit
Apothekensterben: Der Mohr muss gehen

Ein Jahr vor der 500-Jahr-Feier kam das endgültige Aus am Kornmarkt: Die schöne Symbolfigur aus Ebenholz wandert ins Museum.

14.01.2016 | Stand 16.09.2023, 6:53 Uhr
Helmut Wanner
Die Symbolfigur der Mohren-Apotheke kniet auf dem Apothekerschrank neben uralten reichstädtischen Fayencen. −Foto: Wanner

Zeitenwende am Alten Kornmarkt. Lange Jahre hatte der Apotheker Gerhard Brunn den Echten Regensburger Karmelitergeist betreut, bis man ihm dann, wie berichtet, im Rahmen neuer EU-Verordnungen die Zulassung als Arzneimittel aberkannte. Jetzt hängen an der Tür der Mohren-Apotheke diese ominösen Zettel und an der Pforte des Karmeliterklosters hängen noch schlimmere. Die Klosterpforte sei wegen der schweren Erkrankung des Pförtners nur noch eingeschränkt besetzt. In der Mohren-Apotheke bedankt sich Sabine Brunn für die lange Treue der Kunden.

„Die Struktur hat sich verändert.“Josef Kammermeier

Pfortenbruder Frater Meinrad liegt bei den Barmherzigen. Und der schöne aus Ebenholz geschnitzte Mohr auf dem Apothekerschrank? Der hat seine Schuldigkeit getan und wandert mit ausgewählten alten Apotheker-Gerätschaften an den Donaumarkt, ins Haus der Bayerischen Geschichte. Die Mohren-Apotheke steht auf Fundamenten aus der Karolingerzeit, als der Kornmarkt noch Residenz war – wie die Karmelitenkirche St. Joseph auch. Die Keller von Kloster und Apotheke sind durch einen Gang verbunden.

Die Apotheke an der Ecke Pfluggasse/Alter Kornmarkt war eine angesehene Apotheke, einer der letzten sechs Apotheken aus reichsstädtischer Zeit. Übrig geblieben sind die Adler-Apotheke am Watmarkt und die Engel-Apotheke am Neupfarrplatz. Die Emmerams-Apotheke Ecke Pfauengasse/Schwarze Bären Straße hat im März 2014 geschlossen.

Tragisch ist das: 2017 hätte die Mohren-Apotheke ihr 500-jähriges Bestehen gefeiert. Nachdem Apotheker Gerhard Brunn vergangenen Sommer gestorben war, hatte die Nachfolgerin aus der Familie die Reißleine ziehen müssen. Für Ulrike Büchner, die Frau des Domkapellmeisters, kam die Schließung ihrer schönen alten Apotheke beim Dom aus heiterem Himmel. Sie war eine der Angestellten.

Den Sprecher der Regensburger Apotheker, Josef Kammermeier, indes überrascht das Sterben der alten Apotheken in der Innenstadt nicht. Er nennt als Gründe die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Druck der Krankenkassen, sinkender Ertrag und steigender Bürokratismus). Aber die gelten ja für alle. Dazu komme, dass Ärzte sich in sogenannten Facharztzentren oder Einkaufszentren ansiedeln und die Innenstädte verlassen. „Die Struktur hat sich verändert.“

Drei Generationen in Familienhand

Das mächtige Haus in der Pfluggasse gehört der Witwe Gerhard Brunns. Aber heute sind nur noch zwei Ärzte Mieter. Auch die Laufkundschaft wurde an dem Ecke weniger. „Die fehlende Verkehrsanbindung hat uns im letzten Jahr das Leben schon erschwert“, betont Bärbel Brunn, die Witwe.

So endet eine Apotheker-Dynastie. Drei Generationen lang war die Mohren-Apotheke in der Hand der Familie. Ludwig Fischer hatte das Haus 1903 erworben. Nach Auskunft von Sabine Brunn hat es Apotheker Fischer 1920 in Art déco umgebaut und dabei viele Bauhaus-Elemente integriert. Auffallend schön ist der in Regensburger Geschäften einzigartige Mosaik-Fußboden. Die goldenen Schriftzüge auf Türen und Schaufenstern sind in diesem Stil ausgeführt. Die umlaufenden braunen Apotheker-Schränke und Regale atmen alte Atmosphäre – sie sind gute Regensburger Schreinerarbeit.

Letzter Sonntagdienst Mitte November

Am 15. November hatte die Mohren-Apotheke ihren letzten Sonntagsdienst. „Einen Tag nach dem Gedenktag der Heiligen Elisabeth von Thüringen“, so erinnert sich der Prior der Klosters St. Joseph, „sperrte sie nicht mehr auf“. Kunden stehen hin und wieder mit Rezepten vor der Tür. Sie können nicht glauben, dass die Türen verschlossen sind. Drinnen sieht alles aus wie gewohnt. Alte Apothekerflaschen, -fläschchen und uralte Fayencen stehen immer noch an ihrem Platz. Acht Wochen nach der Schließung lebt die Mohren-Apotheke so auf eine gewisse Weise weiter. Es riecht immer noch nach Ölen und Aromen von Essenzen, die hier hergestellt wurden. Und die Hautsalbe, die Brunn komponierte, um die natürliche Fettung der Haut zu unterstützen, riechen feine Nasen auch noch raus.

Der am 2. Juli 1938 geborene Gerhard Brunn hat ein halbes Jahr vor der Schließung seiner Apotheke die Augen zu gemacht. Er war ein geselliger Mensch, gern gesehener Gast an vielen Stammtischen rund ums Alte Rathaus, aber auch Apotheker der alten Schule, der in Botanik bewandert war. Brunn hatte da eine spezielle Berufung. Er galt als der erste Pilz-Experte der Region. Im Sommer hatte er stets sein informatives Schwammerlfenster eingerichtet. Die Mohren-Apotheke war so Anlaufstelle für unsichere Pilzfreunde. „Er konnte Bestimmungsfragen bis ins Detail ausexerzieren“, erinnert sich sein ehemaliger Kollege Josef Kammermeier.

Damit stellte er sich in eine Reihe mit den bedeutendsten Vertretern in der Geschichte dieser reichsstädtischen Apotheke. Johann Wilhelm Weinmann (1683 bis 1712) hatte besondere Anerkennung auf dem Gebiet der Botanik erlangt, wie der Bad Abbacher Drogisten-Sohn Rainer Krämer in seinem Buch „Geschichte der Regensburger Apotheken von 1200 bis 1800“ bemerkt. Er schöpft dabei aus denselben Quellen wie Dr. rer. Nat. Christa Haubrich in ihrer 1970 erschienenen Doktorarbeit „Apothekengeschichte Regensburgs in reichsstädtischer Zeit“. Sein Kräuterbuch „Phytanthozaiconographia“ wurde sogar ins Holländische übersetzt. Nach ihm wurde eine Pflanze benannt. „Weinmannia spiraeoides“ ist allerdings inzwischen ausgestorben – eine Pflanzenart aus der Familie der Cunoniaceae. Sie war auf den Fidschi-Inseln endemisch.

Nach den Erkenntnissen von Rainer Krämer geht die Mohren-Apotheke auf eine geheime Apotheke des Meisters Anderl aus dem Jahr 1440 zurück. Um 1517 wurde sie am ehemaligen Forchthammer-Eck am Kohlenmarkt als zweite Stadt-Apotheke genannt. Sie hieß damals schlicht Apotheke am Markt. Die Bezeichnung als Mohren-Apotheke ist ab 1649 belegt. 15 Apotheker-Generationen wirkten am Kohlenmarkt, ehe die Mohren-Apotheke 1860 an die Ecke Pfluggasse/Alter Kornmarkt verlegt wurde.

Jetzt ist sie Teil der Gesundheitsgeschichte im alten Regensburg. März 2014 und November 2015 sind darin bedeutende Marksteine.

Rainer Krämer wird darüber am Donnerstag, 21. Januar, 19.30 Uhr im Pfarrsaal von Hagelstadt auf Einladung der KEB einen kenntnisreichen Vortrag halten können.Er ist Sohn von Hans Krämer. Dessen Römer-Drogerie am Domplatz 5 hatte nach dem Krieg das Bild des Drogisten geprägt.

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