Korruptionsprozess
Wolbergs attackiert Ex-Stadtbau-Chef

Joachim Becker beschreibt, wie ihn Wolbergs unter Druck gesetzt hat. Der OB stellt Beckers Glaubwürdigkeit infrage.

07.03.2019 | Stand 16.09.2023, 5:51 Uhr

Joachim Becker, ehemaliger Geschäftsführer der Stadtbau GmbH, sagte im Korruptionsprozess als Zeuge aus. Foto: altrofoto.de

Mit Spannung war am Donnerstag die Aussage des seit Herbst freigestellten Geschäftsführers der Stadtbau GmbH, Joachim Becker, vor dem Landgericht Regensburg im Korruptionsprozess erwartet worden. Dabei sollte die umstrittene Personalie des ehemaligen Technischen Leiters der Stadtbau, Franz W., im Mittelpunkt stehen. Zuvor hatte der Verteidiger des suspendierten Regensburger Oberbürgermeisters Joachim Wolbergs jedoch noch eine Erklärung abzugeben, die es in sich hatte. Dabei nahm Rechtsanwalt Peter Witting auf die Äußerungen des pensionierten Vizepräsidenten des Regensburger Landgerichts Bezug, die dieser als Gastbeitrag in lokalen Medien getätigt hatte.

Auch die Redaktion der Mittelbayerischen Zeitung hatte sich mit dem umfassenden Leserbrief Ebners beschäftigt. Ein entsprechender Text war vergangenen Freitag kurz im Vorabend-ePaper der Mittelbayerischen zu lesen. Die Chefredaktion hatte allerdings noch am selben Abend den Text aus journalistischen Gründen aus dem Angebot entfernen lassen. Ausschlaggebend waren mehrere Gründe: Über Schuld oder Unschuld von Joachim Wolbergs entscheidet ausschließlich die Kammer unter Vorsitz von Richterin Elke Escher und nicht ein pensionierter Richter. Zudem hätten Ebners Äußerungen als klare Vorverurteilung des suspendierten Oberbürgermeisters und des Menschen Joachim Wolbergs gewertet werden können. Überdies dienen Leserbriefe der Auseinandersetzung mit unserer Berichterstattung. Für die Redaktion war nicht erkennbar, auf welchen Beitrag der Mittelbayerischen Zeitung Ebners Äußerungen bezogen waren.

Gericht empört über Gastbeitrag

Witting drückte seine Empörung über Ebners öffentliche Betrachtungen vor Gericht folgendermaßen aus: Eines der „angesehensten Gesichter“ des Gerichts habe damit ein „Urteil“ gesprochen, wodurch ein Bild entstanden sei, dass „unglaubliche Kraft und Suggestionswirkung“ habe. „Da spricht jemand mit der Autorität seines ehemaligen Amtes und beschädigt mit seinen Aussagen über Zweifel an der Integrität von Wolbergs jemanden, den er überhaupt nicht kennt“, so Witting. Er halte „diesen Gastbeitrag für eine inakzeptable Form der Meinungsäußerung“, sagte der Verteidiger. Das Mäßigungsgebot sei verletzt, die Verteidigung habe Beschwerde beim Justizministerium eingelegt.

Richterin Escher sprach noch einmal „ganz klar und in aller Deutlichkeit“ eine Distanzierung im Namen der Kammer aus. Der ehemalige Vizepräsident des Landgerichts sei bislang offensichtlich nicht bei den Verhandlungen im Saal 104 anwesend gewesen. „Ebner fühlte sich dazu gehalten, Stellung zu nehmen. Das ist aus Sicht der Kammer hochproblematisch. Und was gar nicht geht, ist die Vornahme von Bewertungen“, so Escher. „Wir verhandeln. Und sonst niemand.“ Solche Beiträge seitens eines ehemaligen Landgerichtsvizepräsidenten würden die Gefahr von besonders gewichtigen Vorverurteilungen bergen, so Escher, und könnten – im schlimmsten Fall – ein Verfahren sogar zu Fall bringen. Escher sprach in diesem Zusammenhang auch von „einem absoluten Unding“.

Bei der nun folgenden Vernehmung des freigestellten Stadtbau-Geschäftsführers Joachim Becker, den Nachfragen der Verteidiger und der Erklärung Wolbergs‘ ging es um Glaubwürdigkeit – und zwar die Glaubwürdigkeit von Becker und die von Wolbergs.

Ein „unerfreuliches Telefonat“

Becker beschrieb, wie er sich von Wolbergs bei der Personalie Franz W. unter Druck gesetzt gefühlt habe. Zentral sei hier „ein unerfreuliches Telefonat“ mit Wolbergs gewesen, in dem der OB – laut Becker – am Vorabend der Personalentscheidung ausdrücklich gesagt habe, er wünsche sich Herrn W. als Technischen Leiter. Außerdem habe der Oberbürgermeister, der zugleich auch Stadtbau-Vorsitzender war, Becker gedroht: „Oder wollen Sie richtig Ärger haben?“ Becker führte vor Gericht aus, dass mindestens eine andere Bewerberin laut seiner Einschätzung und auch ihrer Qualifikation nach besser als Franz W. für die Stelle geeignet gewesen wäre. Wolbergs habe sich dennoch mehrfach deutlich für W. ausgesprochen. Becker bezeichnete die Vorgänge bei der Personalentscheidung als „völlig unüblich“ und sprach von einem „Reingrätschen“ Wolbergs‘ in Befugnisse des Geschäftsführers. Letztlich habe Becker der Personalentscheidung auch zugestimmt, weil er Angst hatte, dass ein zweiter Geschäftsführer neben ihm installiert werden könnte.

Anschließend bohrte Verteidiger Witting mit konkreten Fragen nach – dabei wollte er etwa wissen, ob Becker geheime Sitzungsunterlagen an Stadträte der Opposition weitergereicht haben könnte, die von diesen an die Presse weitergegeben worden sein könnten. Außerdem wurde Beckers Personalkompetenz am Beispiel einer Fehlentscheidung beim vorhergehenden Technischen Leiter kritisiert.

Wolbergs führte schließlich selbst aus, dass Becker und eine Personalagentur die engere Auswahl der Bewerber getroffen hätten. Er zeichnete Becker als renitenten und gleichzeitig rückgratlosen Stadtbau-Chef, unterstellte ihm, dass es ihm nur um seinen eigenen Machterhalt gegangen wäre und machte keinen Hehl daraus, dass er Becker gern schon wesentlich früher losgeworden wäre. Dass der frühere Tretzel-Mitarbeiter den Posten bekommen habe, sei in der Sache völlig korrekt gewesen, sagte Wolbergs auch. Er warf Becker außerdem eine ganze Reihe von Verfehlungen vor: Er hätte Wolbergs über die psychischen Probleme eines der Bewerber informieren müssen – genauso über eine langjährige Bekanntschaft mit einer zweiten Bewerberin. Der Satz, ob Becker Ärger haben wolle, habe sich darauf bezogen, dass dieser Einschätzungen zu Bewerbern weitergegeben habe. Wolbergs schreckte bei seinen Angriffen auch nicht davor zurück, Interna zu verbreiten: Becker habe vier Wohneinheiten bei Tretzel für seine Familie erworben, sagte er. Becker habe zudem eine vertrauliche Sitzungsvorlage an die Medien weitergeleitet.

Gestützt wurde Wolbergs‘ Aussage von Norbert Hartl, dem ebenfalls angeklagten früheren SPD-Stadtratsfraktions-Chef, der sich erstmals in dem Prozess zu Wort meldete: Wolbergs habe „weder durch die Wortwahl, noch durch den Tonfall in irgendeiner Weise Druck auf Herrn Becker ausgeübt“.

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