Urteil
Bei Krankheit – Minusstunden

Ein Sozialverband aus der Region muss einer Mitarbeiterin Stunden gutschreiben, die ihr im Krankenstand aberkannt wurden.

20.04.2018 | Stand 16.09.2023, 6:07 Uhr
Reinhold Willfurth

Viel Arbeit, Druck und vergleichsweise wenig Verdienst: Altenpflegerinnen haben es nicht leicht. Foto: dpa

Die Deutschen werden immer älter, die Pflegekräfte immer rarer – wenn sich nichts bewegt bei Arbeitsbedingungen, Image und Bezahlung. Ob sich das Hohelied auf diesen Beruf, das die Politik derzeit nicht müde wird zu singen, in konkrete Verbesserungen für den Altenpflegeberuf mündet, ist noch nicht ausgemacht. Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml hat bei einem Pflegekongress am Donnerstag in Weiden zunächst einmal das Minimalziel ausgegeben, dass alle Arbeitgeber in der Branche nach Tarif zahlen sollen.

Das ist bei dem Schwandorfer Unternehmen, das kürzlich von einer Mitarbeiterin vor dem Arbeitsgericht in Schwandorf verklagt wurde, kein Thema. Man zahle seine Altenpflegerinnen sogar übertariflich, beteuert der Geschäftsführer des kirchlichen Trägers. Die Bezahlung nach Tarif nützt allerdings nur wenig, wenn der Arbeitgeber im Krankheitsfall die Lohnfortzahlung nicht korrekt bezahlt – so, wie das laut dem Urteil des Gerichts bei der Klägerin praktiziert wurde.

Teilzeitbeschäftigte geschützt

Arbeitnehmern steht bei Krankheit eine Lohnfortzahlung in voller Höhe zu. Das gleiche gilt für Teilzeitbeschäftigte, nur eben für den prozentualen Anteil der Arbeitszeit. Um diese Arbeitszeit entzündete sich der Streit zwischen der Mitarbeiterin und dem Arbeitgeber. Konkret war die Frau sechs Wochen erkrankt. Dafür wurden ihr aber nicht alle Stunden gutgeschrieben, so dass sie mit einem satten Minus aus dem Krankenstand zurückkehrte. Die Minusstunden hätte sie hereinarbeiten müssen, hätte sie auf ihr normales Gehalt kommen wollen. Der Arbeitgeber argumentierte vor Gericht, dass der Dienstplan für die Altenpflegerin geändert worden sei – für eine Tour mit weniger Stunden.

Das ließ sich die Mitarbeiterin nicht gefallen und wehrte sich beim Arbeitsgericht – mit Erfolg. Der Arbeitgeber muss ihren Verdienstausfall nach Maßgabe der Regelarbeitszeit berechnen und ihr nun durchschnittlich 1,5 Stunden pro Arbeitstag nachträglich anrechnen. Das Urteil habe der Klägerin „weitestgehend recht gegeben“, sagte Arbeitsrichter Ferdinand Hagelstein unserem Medienhaus. Weiter einigten sich Arbeitgeber und Mitarbeiterin vor Gericht darauf, dass eine Abmahnung aus der Personalakte entfernt wird und die Mitarbeiterinnen künftig eine Art Einsichtsrecht in die Abrechnung der Dienstzeiten erhalten.

Der Geschäftsführer der Sozialstation begründete auf Anfrage der Mittelbayerischen die unterschiedliche Berechnung der Dienstzeiten mit einer rechtlichen Unsicherheit. Diese sei jetzt beseitigt. Er hoffe, dass jetzt wieder Ruhe einkehre.

Einmaleins der Lohnbuchhaltung

Von einer rechtlichen Unsicherheit könne keine Rede sein, sagt Klaus Heyert, als Gewerkschaftssekretär bei Ver.di zuständig für Pflegeberufe. „Sobald der Dienstplan feststeht, orientiert sich der gesetzliche Lohnausfall bei Krankheit daran“, so Heyert. „Das steht sozusagen im Grundgesetz der Lohnbuchhaltung. Minusstunden dürfen bei Krankheit nicht anfallen“. Eine Ausnahme sei allerdings, wenn der Dienstplan noch nicht am Schwarzen Brett aushänge. Diese Ausnahme kam aber im Fall der Schwandorfer Mitarbeiterin nicht zum Tragen.

Eine Abrechnungspraxis wie bei dem Schwandorfer Pflegedienst komme gelegentlich vor, sei aber nicht die Regel. Altenpflege mit ihrem hohen personellen Druck, der vielen Teilzeitbeschäftigungen und dem schlechten Organisationsgrad der Mitarbeiterinnen sei generell „ein ganz schwieriger Bereich“, so Heyert.

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