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Der bunte Hund von Eigelsberg

Benjamin Dietl ist der Beweis dafür, dass Andersartigkeit auf dem Land akzeptiert wird – von der Gafferei mal abgesehen.

18.11.2020 | Stand 16.09.2023, 4:23 Uhr
Leon Willner
Nur für Überpfalz verwenden −Foto: Willner

Sie müssen vom Weg abgekommen sein, denn als sich Feriengäste in den 100-Einwohner-Ort Eigelsberg bei Oberviechtach verirrten, fanden sie anstelle eines Marktplatzes nur einen volltätowierten jungen Mann. Sie fragten ihn, wo die angepriesenen Sehenswürdigkeiten hier im Ort seien. Sie hätten zum Beispiel von einem Marktplatz gehört. „Marktplatz?“, fragte der Mann. „Dafür sind wir viel zu klein. Die einzige Attraktion, die wir haben, das bin ich“.

Die einzige Attraktion Eigelsbergs ist 1,83 Meter groß, trägt zerrissene Hosen, eine Baseball-Cap und den Namen Benjamin Dietl. Eigelsberg mag so klein sein, dass es keinen einzigen Straßennamen gibt – Dietl jedoch ist weit über die Grenzen Oberviechtachs hinaus bekannt. Er leitet den Friseursalon „Bennys Friseure“ in Weiden.

„Wenn er unten in der Stadt ist, dann drehen sich manche ältere Leute um und rennen fast gegen die Laterne, wenn sie ihn sehen.“Petra Dietl, Mutter

Der 33-Jährige ist der lebende Beweis dafür, dass „bunte Hunde“, wie seine Mutter Petra es ausdrückt, nicht nur aus der Stadt kommen. Dort auf dem Land, dem die Vorliebe zum Traditionalismus nachhängt wie der Nebel der Donau, werde Benny so akzeptiert, wie er ist. Diskriminierungen habe er keine erlebt, auch wenn Petra Dietl erzählt: „Wenn er unten in der Stadt ist [Oberviechtach, Anm. d. Red.], dann drehen sich manche ältere Leute um und rennen fast gegen die Laterne, wenn sie ihn sehen“, sagt sie. „Aber so ist er halt.“

Berlin – für Benjamin Dietl „zu krass“

An das Glotzen der Leute habe sich Benny Dietl inzwischen genauso gewohnt, wie die Leute an seine extravaganten Outfits. „An manchen Tagen habe ich mir gedacht, ich könnte genauso gut in einem Alf-Kostüm zum Einkaufen gehen, dann würden die Leute nicht weniger schauen“, sagt er. An anderen Tagen sehe ihm keiner mehr nach – viele seien es gewohnt.

In Metropolen wie Berlin fühle sich Dietl wohl, könne dort aber nie hinziehen. „Dann würde ich ja in der Masse untergehen“, sagt er. Zum Wohnen sei ihm die Hauptstadt „zu krass und zu anonym“. Er ziehe es vor, in der Nähe seiner Freunde und Familie zu bleiben. Und in der Nähe seiner Arbeit.

Ein Friseursalon à la Benny

Nach zehn Jahren Anstellung in einer Friseurkette wagte Dietl 2016 den Schritt, einen traditionellen Friseursalon in der Braunmühlstraße an der Weidener Altstadt zu übernehmen. Für die Gestaltung der neuen Einrichtung hatte Dietl damals nur eine Woche Zeit – das reichte um dem Salon ein Umstyling à la Benny zu verpassen. Ein Glitzer-Gorilla, ein pinkfarbener Mops und eine spiegelnde Skulptur, die an Jeff Koons erinnert, dazu jede Menge Insta-Bilder seiner Kundinnen und Kunden – er gestaltete den Salon ganz nach seinem Gusto: „Was jetzt dabei rausgekommen ist, das bin eigentlich ich“, sagt er.

Sein größter Stolz sei es, dass neben neuen Kunden auch die alten Kundinnen von früher weiter in den Salon kommen. Von Kindern, die „hundert Kisten“ brauchen, um auf den Stuhl hochzuklettern, bis zu älteren Damen Mitte 90 sei alles dabei. Sein „Bunter-Hund-Image“ schade ihm nicht mehr. Im Gegenteil: „Wenn mich jeder kennt, ist das in meinem Job das Beste, was mir passieren kann“

Das neue Youtube-Format der MZ

Benny Dietl ist Protagonist der zweiten Folge vonÜberpfalz– dem Reportageformat der MZ auf YouTube. Darin erzählt Dietl Reporter Leon Willner, warum er den ländlichen Raum – der Blicke zum Trotz – weiter schätzt. Überpfalz trifft Menschen, die anders sind als die meisten. Die auf den ersten Blick nicht hineinpassen in ein stereotypes Bild von Ostbayern. Auf den zweiten aber umso interessanter sind.Abonnieren Sie hier den Kanal, um keine Folge zu verpassen.

Und hier gibt es die erste Folge von Überpfalz: