Wiedersehen
Viele Erinnerungen an den Sitzenhof

Zu einem Ehemaligen-Treffen reisten die Teilnehmer aus ganz Süddeutschland an. Sie alle lebten einmal auf dem Betrieb.

16.05.2019 | Stand 16.09.2023, 5:30 Uhr
Ingrid Hirsch

Hansjürgen Bayer (li.) und Dankwart Horsch (Zweiter v. re.) begrüßten Ruth Sautter, Eva Bielz, Waltraud Weigelt und Marianne Scherer (v. li.) zum Ehemaligen-Treffen auf dem Sitzenhof. Foto: Ingrid Hirsch

„Ich habe hier eine wunderschöne Kindheit verbracht“, erinnert sich Ruth Sautter. Die heute 75-jährige wuchs nach dem Krieg auf dem Sitzenhof auf, den ihr Vater mit bewirtschaftete. Sie wohnt heute in Stuttgart und kehrte am Dienstag zurück an die Stätte ihrer Kindheit. Hansjürgen Bayer, der Sohn des damaligen Gutsverwalters, hatte zu einem Ehemaligen-Treffen eingeladen.

Als der „Reichsnährstand“ 1941 den Sitzenhof übernahm, bestellte er August Bayer aus Berlin zum Verwalter des Lehr- und Versuchsguts, auf dem zur damaligen Zeit polnische und russische Zwangsarbeiter Getreide und Kartoffel anbauten und in einer Sämerei arbeiteten. Bayers Sohn Hansjürgen war damals neun Jahre alt. Der heute 87-jährige reiste aus Möglingen in Baden-Württemberg an und erinnerte mit Bildern und Dokumenten an jene Zeit. Auf dem Sitzenhof empfingen ihn Brunhilde und Dankwart Horsch, die das Gut 1969 pachteten. Am Wochenende feierten die Familie „50 Jahre Horsch Landwirtschaft“ und „35 Jahre Horsch Maschinenbau“. Nach dem Krieg übernahm eine Treuhandgesellschaft die Verwaltung. Nun waren dort keine Zwangsarbeiter mehr beschäftigt, sondern Heimatvertriebene und Einheimische. Waltraud Weigelt (91) zog mit ihren Eltern aus Niederbayern her und arbeitete als Küchenhilfe, ihr Vater als Gärtner. Ihren Lebensabend verbringt sie heute bei der Tochter in Dachelhofen, die sie am Dienstag zum Ehemaligen-Treffen begleitete.

Marianne Scherer reiste aus Bad Teinach im Schwarzwald an. Ihre Familie besaß ein Gut in Schlesien, wurde von dort vertrieben und landete auf dem Sitzenhof. „Der Hof gab mir damals das Gefühl, wieder zu Hause zu sein“, erinnert sich Marianne Scherer. Umso erstaunter war sie, als sie nach Jahrzehnten wieder zurückkehrte. „Ich bin richtig erschrocken, was sich hier getan hat“, bekannte die Dame beim Blick auf den Industriepark. Sie hat den Sitzenhof in ganz anderer Erinnerung und versichert: „Wir haben uns hier sehr wohl gefühlt“. Zu den schlesischen Heimatvertriebenen gehörte auch die heute 90-jährige Eva Bielz, die auf dem Sitzenhof ihren Mann kennenlernte und dort heiratete.

Die Nachkriegsbewohner des Sitzenhofs interessierten sich natürlich für die weitere Entwicklung des Gutshofs, der 1964 an die Privatleute Marie-Luise Herkner und Maria Naßl aus München überging. Sie verpachteten fünf Jahre später den Hof mit 190 Hektar Grundfläche an Dankwart Horsch. Im Jahre 2005 übernahm der jüngste Sohn Marco den landwirtschaftlichen Betrieb. Sein älterer Bruder Michael gründete 1984 am Standort die Firma „Horsch Maschinenbau“, in die später auch sein Bruder Philipp einstieg.