Joe Zinnbauer zu Lok Moskau
Schwandorfer heuert in Russland an - und das mitten im Krieg

05.07.2022 | Stand 15.09.2023, 4:30 Uhr
Der gebürtige Schwandorfer Fußball-Trainer Josef „Joe“ Zinnbauer übernimmt Lok Moskau. −Foto: Ennio Leanza/KEYSTONE/dpa

Joe Zinnbauer, früherer Bundesliga-Coach des HSV und als Spieler bei der SG Post/Süd Regensburg aktiv, hat seinen Job beim russischen Spitzenklub Lokomotive Moskau angetreten. Während andere westliche Sportler Russland verlassen, geht der Schwandorfer den entgegengesetzten Weg.



Am Ende des rund vierminütigen Videoclips wechselt Joe Zinnbauer die Perspektive. „Liebe Fans von Lokomotive“, sagt der 52-Jährige und spricht nun direkt in die Kamera, „ihr wollt neue Erfolge und Trophäen, und wir wollen das auch“. Mit einem kämpferischen „Vperjot Lokomotiv!“ (Vorwärts Lokomotive!) schließt Zinnbauer – und macht sich an die Arbeit.

Joe Zinnbauer, gebürtiger Schwandorfer und früherer Bundesliga-Coach des Hamburger SV, hat seinen Job beim russischen Spitzenklub Lokomotive Moskau angetreten – und das mitten im Krieg. Während andere westliche Sportler und Trainer wie Markus Gisdol oder Daniel Farke das Riesenreich verlassen haben und angesichts von Putins Aggressionen gegen die Ukraine einen großen Bogen um die russische Premjer Liga machen, geht Joe Zinnbauer den entgegengesetzten Weg.

„Interessantes Projekt“

Zu seinen Motiven oder auch möglichen Bedenken bezüglich seines neuen Engagements ist bislang nichts bekannt, auf eine Anfrage des Sport-Informtionsdienstes (sid) reagierte Zinnbauer zunächst nicht.

Stattdessen sprach er in den Vereinsmedien ausführlich, schwärmte von den Trainingsbedingungen beim russischen Hauptstadt-Klub und nannte Lok ein „sehr interessantes Projekt. Ich habe schon einige Spiele von Lokomotive analysiert und weiß über die Ambitionen dieses Vereins. Es gibt viele junge Talente im Kader. Für mich, einem Trainer, der gerne mit der Jugend arbeitet, ist das sehr interessant."

Nachfolger von Sandro Schwarz

Deutsche Trainer sind in Moskau keineswegs neu. Beim Lokalrivalen Dynamo stand bis Saisonende Sandro Schwarz (jetzt Hertha BSC) an der Seitenlinie, und bei Lok haben Experten von hierzulande schon eine kleine Tradition. Vor Zinnbauer und Marvin Compper, der Zinnbauer als Assistenzcoach erhalten bleibt, hatte Gisdol das Team noch im Winter trainiert – bis Russland die Ukraine angriff.

Dass ihm Ex-Nationalspieler Compper als Co-Trainer zur Seite stehen, war laut Zinnbauer mitentscheidend für den Schritt nach Moskau: „Wir verstehen uns gut, haben dieselbe Philosophie vom Fußball. Ich habe mir heute das Training angeschaut. Wir haben einige Dinge auf dem Feld besprochen, und ich bin mit dem Gesehenen zufrieden. Ich kann sagen, dass Marvin und ich auf einer Wellenlänge sind."

„Fußballtrainer ist für mich der schönste Job der Welt“, hatte der langjährige Bundesliga-Coach Gisdol nach seinem Rücktritt nach nur vier Monaten Ende Februar via „Bild“ erklärt. Er könne aber „nicht in Moskau auf dem Trainingsplatz stehen, die Spieler trainieren, Professionalität einfordern, und ein paar Kilometer weiter werden Befehle erteilt, die großes Leid über ein gesamtes Volk bringen“.

Auch Daniel Farke verließ Russland

Wie Gisdol entschied sich im Frühjahr auch Daniel Farke. Als in der Ostukraine die Panzer rollten, löste der heutige Trainer von Borussia Mönchengladbach seinen Vertrag beim russischen Klub FK Krasnodar Anfang März kurzerhand auf. Zinnbauer, der von September 2014 bis März 2015 für den einstigen Bundesliga-Dino HSV tätig war und danach den FC St. Gallen (2015 bis 2017) sowie die Orlando Pirates in Südafrika (2019 bis 2021) coachte, geht den entgegengesetzten Weg. Bei Lok arbeitet er mit Sportdirektor Thomas Zorn und dem Leiter der Scouting-Abteilung Christian Möckel zusammen.

Möckel habe ihm von dem Projekt in Moskau erzählt, sagt Zinnbauer: „Ich bin hergekommen, habe mir alles angeschaut, und mir hat alles gefallen.“

Zinnbauer soll den dreimaligen Meister (zuletzt 2018) nach dem Absturz auf Rang sechs wieder in die Erfolgsspur führen. „Die Spieler sind hungrig auf Siege , und wir Trainer sind es ebenso“, beteuert Zinnbauer. Los geht‘s in der Meisterschaft bereits in knapp zwei Wochen mit einem Heimspiel gegen Nischni Nowgorod.

Im Europapokal gesperrt

Auf europäischer Bühne wird man Lok mit seinem neuen Trainer allerdings erst mal nicht zu Gesicht bekommen. Russische Mannschaften sind wegen des Kriegs in der Ukraine für alle Uefa-Wettbewerbe aktuell gesperrt.

Zinnbauer-Anekdoten aus Regensburg

Josef „Joe“ Zinnbauererblickte am 1. Mai 1970 in der Oberpfälzer Kreisstadt Schwandorf das Licht der Welt. Er wuchs im Großraum Nürnberg auf und begann bei seinem Heimatverein FV Wendelstein mit dem Fußballspielen.

Als Zweitliga-Profiwar er für den FSV Mainz 05 aktiv, ehe er in der Saison 1996/97 gemeinsam mit seinem Bruder Christian zum damaligen Fußball-Bayernligisten SG Post/Süd Regensburg wechselte, wo er in 16 Einsätzen zwei Tore erzielte.

Zinnbauerhinterließ beim damaligen Post/Süd-Sportchef Karl Viertler einen nachhaltigen Eindruck, da er zum ersten Training mit einem Ferrari vorfuhr. Zu Wohlstand in jungen Jahren hatte er als Inhaber des Finanzdienstleisters mit Sitz in Nürnberg gebracht.