REGENSBURG.
Das unterschiedliche Traumpaar

Die Telis-Läufer Susi Lutz und Philipp Pflieger sind ab Donnerstag bei der U-23-EM in Kaunas am Start.

14.07.2009 | Stand 14.07.2009, 18:59 Uhr

von Claus-Dieter Wotruba, MZ

Es war in Ulm, als die deutsche Leichtathletik zwei neue Gesichter bekam. Beflügelt vom flotten Hürdensprint seiner Freundin zur Weltmeisterschaft nach Berlin, sprang sich auch Sebastian Bayer mit 8,49 Meter den Frust von der Seele, jubelte Hand in Hand mit Carolin Nytra und machte eine Liebeserklärung nach der anderen: „Caro hat 20 Zentimeter ausgemacht. Ich mag nicht nur eine Sache an ihr, sondern 1000.“

Auch Regensburg hat sein Leichtathletik-Traumpaar. Susi Lutz (22) und Philipp Pflieger, bis Donnerstag noch 21 Jahre alt, fahren zwar nicht nach Berlin, aber das Ticket für die U-23-Europameisterschaften in Kaunas ist gelöst. Am Sonntag war Treffpunkt des deutschen Teams in Frankfurt, am Dienstag ging das Flugzeug, von Donnerstag bis Sonntag dauern die Wettkämpfe (Startzeiten und Ziele: siehe Zusatz-Format). Nein, auf ein gestelltes Foto für die MZ, das dem spontanen Nytra/Bayer-Kussbild von Ulm nachempfunden sein sollte, wollte Susi Lutz tunlichst verzichten. Sie, die einst mit Sprinter Christian Blum liiert war, will keinen falschen Eindruck erwecken. „Wir fahren ja nicht als Paar in den Urlaub, sondern als Athleten.“

Zuhause im Athletenhaus

Dennoch: Den Partner bei einem solchen internationalen Höhepunkt der Karriere an der Seite zu wissen, ist ein Vorteil – so, wie im Alltag. „Der eine versteht den anderen einfach“, sagt Lutz. „Ich könnte mir nicht vorstellen, mit einem Nicht-Sportler zusammen zu sein.“ Dreimal die Woche Kerntraining in der Gruppe, an den anderen vier Tagen selbstständiges Lauftraining, dazu noch das nötige Krafttraining – das macht unter dem Strich rund 15 Stunden für den Sport für die beiden Studenten des deutschen B-Kaders, die gemeinsam mit den Vereinskameraden Elena Horn, Christiane Danner und Max Meingast das Athletenhaus der LG Telis Finanz Regensburg bewohnen.

Es bedeutet Verzicht, der gemeinsam besser zu bewältigen ist. Und auch wenn die Wettkämpfe des Duos nicht parallel im Stadion stattfinden können, ein Antrieb ist die Leistung des anderen immer. „Ich habe heuer vorgelegt“, sagt Susi Lutz schmunzelnd mit Blick auf den frühen 10000-Meter-Juniorentitel von Bremen, dem in Göttingen DM-Platz eins über die Paradestrecke der vergangenen Jahre, die 3000 Meter Hindernis, folgte.

Lange Flaute, „tolles Umfeld“

Eine lange Titelflaute fand ihr Ende. Ab 2006 lief vieles schief: Vor Ort in Peking krank geworden musste die Sinzingerin zum Beispiel bei der U-20-WM passen. „Ich habe schon überlegt, ob das die Zeit und Entbehrungen noch rechtfertigt“, sagt Susi Lutz. „Aber ich hatte ein tolles Umfeld.“ Und vor allem: „Ich habe tief in mir drin doch immer gewusst, dass ich es besser kann.“

So gut wie 2005, auch in Kaunas, als sie bei der U-20-EM Bronze gewann. Das Video ist noch auf dem Laptop, sorgt immer noch für Gänsehaut – und einen kleinen psychologischen Vorteil. „Das Stadion ist umgebaut worden, das Hotel ist diesmal ein anderes. Aber es ist schön, wenn man weiß, dass man dort schon mal gut gelaufen ist.“

Eine Rechnung ist noch offen

Eine kleine Rechnung von damals ist auch noch offen – mit der Rumänin Ancuta Bobocel: „Die hat mir damals 300 Meter vor dem Ziel eine mitgegeben.“ Ein Rempler, der vielleicht die Silbermedaille kostete.

Soviel Erfahrung hat der 112 Tage jüngere Freund nicht. Philipp Pflieger ist umtriebig, redet gerne und viel, und ist immer optimistisch. So hat er geschafft, was viele nicht glauben. Nach einem Ermüdungsbruch, dem dritten seines Lebens, der ihm sechs Wochen lang jegliche Bewegung verbot, hatte er dennoch nie das Gefühl, die U-23-EM sausen lassen zu müssen. Dieses Selbstbewusstsein, das mancher als Arroganz auslegt, hätte die nachdenkliche, auf der Laufbahn manches Mal gar verbissen wirkende nur 1,62 Meter große Susi Lutz gerne: „Ich versuche, das von ihm zu lernen.“

Für Philipp Pflieger, der bisher nur im Crossbereich auftrumpfte, ist Kaunas der Eintritt in eine neue Bahnwelt. In Göttingen genoss er seinen ersten deutschen Titel, den über 5000 Meter. Und man mag sich gar nicht ausmalen, was sein könnte, wenn Pflieger mal ohne Pause durchtrainieren könnte: „Ich brauche Geduld“, sagt er. „Mit 13, 14 hatte ich Wachstumsprobleme. Kontinuierliches Training war sehr lange nicht möglich.“ Lachend erzählt Susi Lutz, wie der auch mal rauere Trainer Kurt Ring ausgerechnet das männliche Mitglied der zum großen teil weiblichen Telis-Lauftruppe am sanftesten anfasst: „Das ist ein Schauspiel. Wir Mädels haben Mindestzeiten, bei Philipp heißt es: Lauf ja nicht schneller als so und so.“

In Kaunas wird das so unterschiedliche Oberpfälzer Sportler-Traumpaar an seine Grenzen gehen müssen, sie vielleicht wieder ein wenig verschieben. Eines ist sicher: Verständnis und Trost haben Susi Lutz und Philipp Pflieger mit im Gepäck. Und gemeinsam würde sich ganz gewiss auch nicht schlecht feiern lassen…