Körperkult
Der Muskelmann mit Grips und Charme

Kevin Weichinger bricht Bodybuilder-Klischees: Er verzichtet auf Zusatzmittel, arbeitet im Management, studiert und modelt.

13.04.2018 | Stand 16.09.2023, 6:09 Uhr

Kevin Weichinger hat sich als Bodybuilder den Natural-Athleten verschrieben, die über lange Phasen ihre Muskeln aufbauen. Fotos: Rutrecht (3)

Der muskelbepackte Hüne baut sich im Türrahmen auf. 1,97 Meter groß, 115 Kilogramm – aber Angst muss man vor ihm nicht haben. „Servus, komm rein. Hier entsteht mein neues Studio“, sagt der 25-Jährige mit gewinnendem Lächeln und deutet in das „Babo fit“ in der Abensberger Walterfingerstraße. Kevin Weichinger ist Bodybuilder, Fitnesstrainer und Ernährungscoach. „Und jetzt bin ich Chef eines Fitnessstudios, das ich nach meinen Vorstellungen aufziehen will.“

„Wenn wir über klassisches Bodybuilding sprechen, reden wir auch über Doping.“Kevin Weichinger

Der Abensberger ist ein Macher. „Ich will mir beweisen, dass ich es schaffen kann“, lautet sein Motto bei jedem größeren Schritt im Leben. Mit 25 Jahren arbeitet er als „Field Application Engineer“ im Regensburger Unternehmen Schneider Electrics. „Angefangen habe ich nach der Hauptschule als einfacher Verdrahter, heute stehe ich im höheren Management“, sagt der Elektrotechniker. Er hält Referate, Schulungen, fährt auf Messen, betreut und berät Kunden. Das Abi hat er nachgeholt und seit einem Jahr studiert er parallel zum Job Wirtschaftsingenieurwesen an einer Fern-FH in Hessen, Vorlesungen werden teils in Regenstauf abgehalten.

Körperfettanteil geht auf zehn Prozent runter

Der berufliche Weg wird begleitet von seinem „Privatvergnügen“ als Bodybuilder, aber nicht in klassischer Prägung. „Beim klassischen Bodybuilding kann man sich sicher sein, dass jeder zweite Athlet gedopt ist“, sagt Weichinger und weiß, dass er sich nicht überall Freunde damit macht. „Anabolika, Testosteron – vieles geht da rum“, konstatiert er, will die Leistung der Kraftpakete aber nicht in Abrede stellen. „Jeder Bodybuilder braucht eine riesen Menge Disziplin und muss hart arbeiten. Wenn es nur an Mittelchen läge, würden wir alle im Sommer als Herkules durchs Freibad laufen.“

Seit er vor fünf Jahren mit dem Krafttraining begann, orientierte er sich an der „men’s physique“-Klasse. „Bei uns geht’s um Muskelproportionen, den Gesamteindruck, den perfekten Strandbody, wie wir sagen.“ Auf der Bühne helfe in dieser Disziplin ein großer Bizeps wenig, „wenn die Wadenmuskeln dafür schlaff runter hängen. Das gibt sofort Abzüge.“ Weichinger spricht gerne von „Form“ im Sinne eines idealisierten Körberbaus.

Um dafür die Muskeln zu stählen, bedürfe es langer Aufbauphasen, vor allem wenn man es nicht professionell ausübe. Vor drei Jahren bestritt er seinen bislang letzten Wettkampf. „Seitdem bin ich dabei, ohne Zusatzstoffe eine Muskelmasse von etwa drei Kilogramm drauf zu packen, die sich überall verteilen muss“, erklärt der Natural-Athlet.

Erster Schritt dazu ist ein Überschuss von 700 bis zu 2000 Kalorien. In der „Wettkampfdiät“ gehe man extrem runter mit den Kalorien. „Da ernährt man sich sehr eintönig von Reis und Hähnchen.“ In diesen Wochen und Monaten vor einem Auftritt wird das Fett reduziert und die Muskeln sollen sich klar herausbilden. „Ich versuche, magere Muskelmasse aufzubauen und wenig Fett anzusetzen.“ Weichingers Körperfettanteil sinkt dabei auf sechs Prozent (vorher 10 bis 15 Prozent).

Für Prospekte abgelichtet

Im Herbst wollte der Babone, der schon auf süddeutschen und deutschen Meisterschaften war, wieder in Wettkämpfe einsteigen. „Aber jetzt kam das Projekt mit dem Studio dazwischen. Im Frühjahr 2019 möchte ich aber angreifen.“ Auch in seinem Bereich wolle er Doping nicht ausschließen. „Es kann dir keiner sagen, dass niemand etwas einwirft, um noch einen Tick besser auszusehen.“ Die Kontrollen in der „men’s physique“-Klasse in der German Natural Bodybuilding & Fitness Federation (GNBF) seien aber streng und umfangreich.

Weitere Motive von Kevin Weichinger als Model und im Studio sehen Sie hier:

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Mit seinem Astralkörper wird der Abensberger auch für Model-Shootings angefragt. „Ich bin bei keiner Agentur, daher kommen die Aufträge über Soziale Medien rein.“ Für Aufnahmen im Bekleidungs- oder Sportartikelsegment fährt Weichinger dann für ein, zwei Tage zu einem Profi-Fotografen, etwa nach Köln. „In mehreren Prospekten bin ich schon vertreten“, lacht er.

„Vom Seelsorger bis zum Eheberater bin ich so ziemlich alles.“Kevin Weichinger

Seit fünf Jahren arbeitet er im Abensberger „Babo fit“. „Der bisherige Chef ging jetzt für drei Jahre nach China. Da habe ich mich entschlossen, den Laden als Geschäftsführer zu übernehmen. Mit Fitness-Ketten kann ich nicht konkurrieren. Zwei Jungs haben dieses Studio vor neun Jahren aufgezogen und ich möchte ein Umfeld schaffen, in dem man sich wohlfühlt und Spaß am Training hat.“ Kraftraum mit Geräten und Hanteln werden ergänzt von einem Kardio-Bereich fürs Steppen oder Laufen.

Wäschewaschen im Hotel Mama

Nach seiner Erfahrung tummelt sich „vom Anfänger bis zum Profi“ sämtliche Klientel im „Babo fit“, das vorerst unter diesem Namen ohne Umbaupause weiterläuft. „Der 17-jährige Schüler kommt genauso zu uns wie der 60-Jährige. Die einen arbeiten an der Kondition, die anderen wollen explizit den Muskelaufbau.“ Die aktuelle Zahl von 120 Mitgliedern will Weichinger verdreifachen. „Ich weiß, ein sportliches Ziel. Und natürlich habe ich auch Angst vor dem Scheitern. Aber ich kann nur gewinnen: Ich probiere mit 25 Jahren meine eigene Sache aus. Sollte es schief gehen, haben ich immer noch den Beruf als solide Basis.“

Immer wieder tauchen Kunden auf, die in ihm ein Vorbild sehen. „Wer sich für Bodybuilding entscheidet, muss auf vieles verzichten. Ich kann nicht Party machen, sondern muss am Sonntagvormittag trainieren.“ Im Studio ist er nicht nur als Coach gefragt – „vom Seelsorger bis zum Eheberater bin ich so ziemlich alles“, schmunzelt er.

Weichingers Lieblingswort heißt „Disziplin“, „davon habe ich eine Menge, und Stress ist mein bester Freund“. Für eine weibliche Begleitung an seiner Seite finde er keine Zeit. Und er wohnt, gesteht er, noch bei Mama. „Wir machen Arbeitsteilung im Haushalt“, sagt er. Bildlich kann man sich den muskelbepackten Hünen im Türrahmen beim Wäschewaschen gut vorstellen.

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