Warnung
Vorsicht beim Pilzesammeln

Nach einer Pilzvergiftung musste am Uniklinikum die Leber eines Patienten transplantiert werden. Wachsamkeit ist wichtig!

29.08.2019 | Stand 16.09.2023, 5:18 Uhr
Susanne Wolf
Aktuell ist Hochsaison für Pilzsammler, dabei häufen sich auch die Pilzvergiftungen. Foto: Pexels/Valeria Boltneva −Foto: Pexels/Valeria Boltneva

Das feuchte und dennoch warme Wetter im Hochsommer hat das Wachstum von Pilzen sehr begünstigt. Deswegen war bereits Ende August Hochzeit für Pilzsammler. Doch nicht jeder Pilz ist für den Verzehr geeignet. Mischen sich giftige Exemplare ins Essen, kann dies eine Pilzvergiftung nach sich ziehen, berichtet das Universitätsklinikum Regensburg (UKR).

Deren Symptome sind unspezifisch. Sie reichen von Schwindel, Schweißausbruch, Bauchschmerzen und Übelkeit bis hin zu Erbrechen oder sogar einer Herz-Kreislauf-Schwäche.

„Wichtig ist bei Pilzvergiftungen, dass sie als akuter Notfall einzustufen sind. Denn auch wenn die ersten Symptome mit der Zeit vielleicht wieder schwächer werden, das Gift wirkt weiter und kann zu schwerem Nieren- und Leberversagen führen. Schon beim geringsten Unwohlsein nach dem Verzehr von Pilzen sollte daher unbedingt ärztliche Hilfe gesucht oder der Giftnotruf alarmiert werden“, erläutert Professor Martina Müller-Schilling, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des UKR.

Stetige Zunahme von Vergiftungen

Auf der Intensivstation der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des UKR wurde bereits Ende August eine signifikant hohe Anzahl an Patienten mit Pilzvergiftungen aus dem gesamten ostbayerischen Raum behandelt. Zu dem Zeitpunkt befanden sich laut UKR-Pressesprecherin Katja Rußwurm vier Patienten auf der Intensivstation. „Normalerweise geht es erst in sechs bis acht Wochen mit Pilzvergiftungen los“, fügte Rußwurm hinzu.

Unter den Patienten mit Pilzvergiftungen Ende August war auch ein Fall mit schwerem Leberversagen, das nur noch durch eine Lebertransplantation therapierbar war. „Der Patient befindet sich nach der Transplantation auf dem Weg der Genesung“, erklärt Dr. Stephan Schmid, Ärztlicher Leiter der Intensivstation 92.

„Insgesamt verzeichnen wir eine stetige Zunahme von Pilzvergiftungen über die letzten Jahre“, kommentiert Schmid die Entwicklung seiner Patienten. Als Gründe dafür können neben mangelnder Kenntnis vor allem die steigende Verwendung von Apps zur Pilzbestimmung und eine Zunahme von Tourismus und Migration ausgemacht werden.

Jetzt gibt es aber gute Neuigkeiten seitens des UKR zu verkünden: Derzeit befinden sich keine Patienten mit Pilzvergiftungen am UKR. „Seit der breiten Berichterstattung seitens der Medien gab es am UKR keine neuen Fälle von Pilzvergiftungen“, sagt Schmid. Trotzdem sollten Schwammerlsucher auch weiterhin nur Pilze essen, die für den Verzehr geeignet sind.

„Viele unserer Patienten haben ihre gesammelten Pilze durch eine App bestimmt, konnten dadurch aber dennoch nicht alle giftigen Sorten identifizieren“, erklärt Schmid. Das kann auch Bernhard Oswald, Pilzsachverständiger aus Wenzenbach, bestätigen: „Apps zu verwenden, um einen Pilz zu bestimmen, kann lebensgefährlich sein!“ Die Apps verfügen laut Oswald zwar über Bilder der jeweiligen Pilze und liefern auch Beschreibungen, „aber das Schwammerl kann auch mal anders ausschauen, als es normalerweise aussieht“.

Unzuverlässige Apps

Dann komme man auch mit der besten App nicht weiter, ist sich der Pilzexperte sicher. Spezielle Ratgeber helfen dabei, Pilze anhand ihrer Merkmale zu bestimmen. „Bücher kann man unterstützend verwenden, sie geben aber auch keine hundertprozentige Sicherheit“, sagt Oswald. „Ein Buch alleine reicht nicht. Man braucht drei bis vier Bestimmungsbücher und dann ist man auf der sicheren Seite.“Einen Pilzratgeber gibt es in unserem Shop.

Darum rät er, im Zweifel den fraglichen Pilz nicht zu essen oder einen Pilzsachverständigen zu kontaktieren. „Ist man sich nicht hundertprozentig sicher, dann sollte man jemanden fragen, der sich auskennt“, sagt Oswald. Die Kontaktdaten von Pilzsachverständigen in der Region findet man online auf derWebseite der Deutschen Gesellschaft für Mykologie e.V.oder auf derWebseite der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft e.V.

Neben der falschen Bestimmung mittels einer App sind viele essbare Pilze im Mittleren und Fernen Osten unseren heimischen Giftpilzen sehr ähnlich, wodurch auch Touristen und Migranten überdurchschnittlich häufig von Pilzvergiftungen betroffen sind. Das liegt darin begründet, dass es in südlichen Ländern Knollenblätterpilze gibt, die genießbar sind. „Das sind wirklich gute Speisepilze“, erläutert Oswald. Diese ähneln äußerlich sehr dem Grünen Knollenblätterpilz, der hierzulande wächst, jedoch tödlich giftig ist. „Die Leute denken dann, wenn sie so einen Pilz hier bei uns sehen, dass dieser auch essbar sein muss.“

Häufigste Verwechslungen

Im Folgenden finden Sie die Pilze, die oft in Ostbayern verwechselt werden. Einige von ihnen sind nicht nur ungenießbar, sondern auch hochgradig oder gar tödlich giftig. Links sehen Sie den bekömmlichen Pilz, orange markiert den ungenießbaren oder giftigen Doppelgänger.

Am häufigsten werden laut Oswald Steinpilz und Gallenröhrling verwechselt. „Der Gallenröhrling schmeckt sehr bitter. Er ist aber so bitter, dass man im Normalfall gar nicht so viel von ihm essen kann, dass es zu ernsthaften Vergiftungserscheinungen kommt“, sagt er. (Fotos: Bernd Wüstneck/dpa, petrabarz/fotolia)

Als Klassiker bei den Verwechslungen bezeichnet er den Wiesenchampignon und den Grünen Knollenblätterpilz. „Der Grüne Knollenblätterpilz ist tödlich giftig“, warnt der Pilzsachverständige. „Bei uns gibt es eine Handvoll tödlicher Pilze und da gehört der Grüne Knollenblätterpilz dazu.“ (Fotos: Peter Karasch/dpa, Bernd Wüstneck/dpa)

Eine gewisse Ähnlichkeit bestehe auch zwischen Perlpilz und Pantherpilz. „Der Perlpilz ist essbar, der Pantherpilz ist zwar nicht tödlich giftig, aber trotzdem stark giftig“, sagt Oswald. „In der Regel endet der Verzehr mit einem Krankenhausaufenthalt.“ (Fotos: Federico Gambarini/dpa, Ivan/fotolia)

Pfifferlingfans sollten den Echten nicht mit dem Falschen Pfifferling verwechseln. „Letzterer ist zwar nicht giftig, aber trotzdem ungenießbar“, berichtet der Fachmann. (Fotos: Subbotina Anna/fotolia, Henri Koskinen/fotolia)

Oftmals kommt es auch zwischen dem jungen Bovist und dem jungen Fliegenpilz zu Verwechslungen. Boviste sind nur genießbar, wenn sie jung sind. Fliegenpilze hingegen sind schon stark giftig, wenn sie jung sind. (Fotos: @nt/fotolia, Оксана Волкова/fotolia)

Wichtig ist, dass Pilze vor dem Verzehr verarbeitet werden. „Man sollte keine Pilze roh essen, weil sie da fast alle Giftstoffe enthalten“, erklärt Oswald. „Wurden sie verarbeitet, also gekocht oder getrocknet, dann sind die Giftstoffe kaputt.“

Tod durch Leberversagen

Grundsätzlich empfiehlt der Pilzsachverständige, nur Pilze zu essen, die man sicher kennt und als definitiv genießbare Sorte bestimmen kann. Treten Zeichen einer Pilzvergiftung auf, dann ist sofortiges Handeln erforderlich, rät sowohl die Experten des UKR als auch der Pilzsachverständige. „Durch ein schnelles Erkennen und notfall- sowie intensivmedizinisches Handeln können bleibende Schäden vermieden werden“, führt Nils Happ, Oberarzt in der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des UKR, aus.

Besonders häufig und schwerwiegend sind auch laut dem UKR Vergiftungen mit dem Knollenblätterpilz, der dem essbaren Wiesenchampignon gleicht. Bereits der Verzehr eines einzigen Pilzes kann zum Tod durch Leberversagen führen. „Uns ist es daher ein großes Anliegen, für das Thema zu sensibilisieren und durch ein besonnenes Vorgehen möglichst viele Patienten vor einer Pilzvergiftung zu bewahren“, betont Müller-Schilling.

Laut dem Pilzsachverständigen läuft eine Vergiftung mit dem Grünen Knollenblätterpilz in zwei Phasen ab – die genauen Erscheinungen sind abhängig von der verzehrten Menge. „In den ersten drei Stunden wird einem richtig übel, man bekommt Durchfall und übergibt sich so arg, wie man es sicher in seinem ganzen Leben noch nie getan hat.“

Akutes medizinisches Thema

Danach folgt eine Phase, in der es wieder besser wird. „Dann denkt man, dass man es überstanden hat.“ Jedoch beginne nach zwei bis drei Tagen die zweite Vergiftungsphase. „Dann haben die Gifte, die im Körper nicht abgebaut werden, die inneren Organe erreicht.“ Niere und Leber werden dabei von den Giftstoffen angegriffen. Im Fall des Grünen Knollenblätterpilzes zersetzt sich dann beispielsweise die Leber. „Wenn man in dieser Phase ist, ist es fast schon zu spät, weil es in letzter Instanz zu einem Organversagen kommt.“

Oswald empfiehlt, erst einmal nicht in Panik auszubrechen, wenn man sich schlecht fühlt, nachdem man ein Gericht mit Pilzen gegessen hat. „Es muss nicht unbedingt am Schwammerl liegen, sondern kann auch etwas anderes wie eine Unverträglichkeit oder Allergie sein.“ Allerdings solle man die Erscheinungen nicht auf die leichte Schulter nehmen. „Sicherheitshalber sollte man einen Arzt aufsuchen, wenn es einem wirklich nicht gut geht und Pilze im Spiel waren“, rät der Experte. „Zusätzlich kann man einen Pilzsachverständigen zurate ziehen, der sich die Putzreste anschauen und seine Expertise geben kann.“ Bei Vergiftungserscheinungen sollte man unverzüglich die Giftnotrufzentrale unter Telefon (089) 19240 kontaktieren.

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